100.000 Menschen für den Wandel
- Im Gespräch
Seit dem 31. Oktober 2013 gibt es im Greenpeace-Hauptquartier in der Hafencity in Hamburg eine öffentliche Ausstellung. Am Freitag, den 24. Oktober 2025, empfing sie inmitten einer Gruppe fröhlicher Grundschüler:innen aus einer altonaer Ferienbetreuung ihren 100.000sten Besuchenden. Zeit, ein Resümee zu ziehen. Interview mit Angela Pieske, Leiterin der Ausstellung bei Greenpeace.
Greenpeace: Liebe Angela Pieske, die Ausstellung im Atrium des Greenpeace-Büros gibt es seit 12 Jahren. Am 24. Oktober habt ihr mit einer Feriengruppe von Grundschüler:innen aus Altona die Marke von 100.000 Besuchenden erreicht. Du warst von Anfang an dabei, bist Leiterin der Ausstellung, hast sie mit konzipiert und über all die Zeit begleitet: Was ist deine bewegendste Begegnung oder Rückmeldung aus dem Gästebuch gewesen in all der Zeit?
Angela Pieske: Inzwischen haben wir mehrere Gästebücher voll mit bewegenden, motivierenden Einträgen von Besuchenden aus aller Welt. Da schreiben Menschen, die uns seit Jahrzehnten mit Spenden unterstützen, dass die Ausstellung sie darin bestärkt, selbst aktiv zu werden. Genauso wie junge Menschen, die Greenpeace hier erst richtig kennenlernen, dass die Ausstellung sie motiviert und Mut macht. In der Ausstellung werden Erfolge für den Umweltschutz für die Besuchenden sichtbar und Greenpeace dadurch greifbar. Das zeigt, wie wichtig unsere Arbeit auch in Zukunft ist.
Was erfahren die Menschen in der Ausstellung? Über welche Themen informiert ihr und kann man sich bei euch auch gleich für eine bessere Welt einsetzen?
In unserer interaktiven Ausstellung erfahren Besuchende spielerisch, wie unser Leben und unser Konsumverhalten mit vielen Umweltproblemen überall auf der Welt zusammenhängen und welche Lösungen es gibt. Unsere multimediale Dauerausstellung verbindet anschauliche Fakten mit spannenden Aktionstools. Wir bieten viele Tipps für den Alltag, um selbst aktiv zu werden. Zum Beispiel finden Interessierte unsere aktuellen Online-Petitionen und Unterschriftenlisten in der Ausstellung. Zusätzlich können sie sich über ehrenamtliches Engagement in unseren Greenpeace-Gruppen informieren. Einkaufs- und Konsumtipps in Form von Postkarten und Flyern runden das Angebot ab.
Die Arbeit von Greenpeace ist sehr dynamisch und gleichzeitig braucht es bei vielen Themen einen langen Atem. Die Ausstellung bildet beides ab. Zusätzlich zu den Dauerexponaten bringen wir immer wieder originale Aktionsmittel in die Ausstellung, zum Beispiel eine echte Rettungsinsel, die bei einem Protest gegen Gasbohrungen vor Borkum dabei war. Aktuelle Themen und Kampagnen setzen wir als Sonderausstellungen um. Besuchende finden immer neue Filme und Mitmachmöglichkeiten vor. In Gesprächen und bei Vorträgen können sie tiefer einsteigen und Fragen stellen.
Greenpeace ist weltweit in mehr als 55 Ländern aktiv. Das deutsche Greenpeace-Büro ist das einzige, das eine Ausstellung hat. Was macht die Ausstellung sonst noch so einzigartig?
Wer zu uns kommt, weiß oft nicht genau, was ihn erwartet – es gibt nichts Vergleichbares. Wir bieten die Möglichkeit, Greenpeace auf vielfältige Art und Weise kennenzulernen – uns als Organisation, unsere Themen, die Menschen und Mechanismen hinter einer großen NGO. Wir informieren Besuchende nicht nur, sondern bilden sie weiter, holen sie ab, laden sie zum Nachdenken über Umweltprobleme oder zu einem Engagement für eine bessere Welt ein.
Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir auf die Beine stellen, obwohl wir mit einem viel kleineren Budget arbeiten als beispielsweise andere Ausstellungen. Wir sind von Anfang an sehr verantwortungsvoll mit Spendengeldern umgegangen, haben nachhaltige Exponate gebaut und energiesparende Technik eingesetzt, die wir lange nutzen.
Hallo Greenpeace, wenn es euch nicht gäbe, müsste man euch erfinden - falls es uns noch gäbe. Danke für eure Arbeit!
Wer besucht diese Ausstellung? Was sind das für Menschen, die zu Greenpeace ins Haus kommen?
Zu uns kommen Menschen aller Altersstufen, sowohl Förder:innen von Greenpeace und Interessierte als auch Menschen, die uns hier erst kennenlernen. 50 Prozent der Besuchenden sind 16 Jahre und jünger. Der Altersdurchschnitt liegt bei 20 Jahren. Etwa 40 Prozent sind Schulklassen und Gruppen anderer Bildungseinrichtungen, Vereine und Universitäten aus ganz Deutschland und anderen Ländern. Dazu kommen viele Tourist:innen. Bei uns ist die Welt zu Gast!
Und wenn du sagst "viele Schulklassen:" Was habt ihr für Rückmeldungen? Wie finden die Schülerinnen eure Angebote – spannend oder langweilig?
Die Rückmeldungen von Kindern und Jugendlichen zeigen uns: Unser Angebot kommt an. Viele Schulklassen freuen sich – nicht nur, weil sie raus aus dem Schulalltag kommen, sondern weil sie interaktiv lernen können.
Anfassen, ausprobieren, selber machen – das kommt besonders gut an. Bilder und Filme von echten Aktionen sorgen für Aha-Momente und begeistern. Unsere Kolleg:innen holen die Gruppen thematisch ab. Kinder und Jugendliche machen sich angesichts der vielen Krisen Sorgen und haben Fragen. Wir bieten Raum für Austausch und Diskussion und zeigen gleichzeitig Wege auf, wie sie selbst aktiv werden können. Hilfreich dabei sind auch unsere ehrenamtlichen Kolleg:innen aus dem Team50plus. Menschen mit Lebenserfahrung und breitem Wissen, die ihre Erfahrungen bereitwillig teilen.
Und welche Rückmeldung bekommt ihr von den Lehrer:innen und Erzieher:innen? Was macht das Angebot für Schulklassen und Kitas besonders attraktiv?
Die Resonanz von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften auf unsere Bildungsarbeit ist durchweg positiv. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass uns 98,4 Prozent der Lehrer:innen, die mit Klassen bei uns waren, weiterempfehlen würden. Unsere Angebote sind an die Bildungspläne angelehnt und auf die jeweilige Altersgruppe abgestimmt – von Kita-Kindern bis zu jungen Erwachsenen. Die Inhalte passen zu Fächern wie Naturwissenschaften, Geografie, Politik/Gesellschaft/Wirtschaft (PGW), Sachunterricht, Ethik und Englisch. Wir bieten sie auch in Leichter Sprache an. Der Ausstellungsbesuch lässt sich gut in den Unterricht integrieren, genauso wie in Projektwochen und Klassenfahrten.
Die Lehrkräfte loben besonders den wertschätzenden Umgang und die Expertise unserer Kolleg:innen. Viele Rückmeldungen betonen die besondere Atmosphäre und die Möglichkeit, außerhalb der Schule zu lernen. Der direkte Austausch mit Expert:innen wird als bereichernd und motivierend wahrgenommen. Gerade für Bildungseinrichtungen mit begrenztem Budget ist es entscheidend, dass alle unsere Angebote kostenlos sind.
Was ist so wichtig daran, besonders junge Menschen zu erreichen?
Junge Menschen fühlen sich beim Thema Umwelt und Zukunft oft allein gelassen, vor allem von der Politik. Das zeigt das Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer 2021. Wir wollen Hoffnung und Orientierung geben, mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen und mit ihnen zusammen Lösungen erarbeiten. Es geht uns darum, ihre Selbstwirksamkeit zu stärken, damit sie ihre eigene Zukunft lebenswert gestalten können. Greenpeace hat sich von jeher mit den Belangen und Ideen von jungen Menschen auseinandergesetzt und ihre Sorgen und Ängste ernst genommen.
Wir spüren die gesellschaftlichen Umwälzungen sehr stark, wenn wir mit Schulklassen arbeiten. Damit meine ich den Umgang mit Fake News, populistischen Tendenzen, die Politikverdrossenheit und die Ohnmacht, die oftmals damit einhergeht. Uns ist wichtig aufzuzeigen: egal woher jemand kommt und welche Unterstützung von Haus aus vorhanden ist – jeder Mensch kann selbst aktiv werden und etwas tun, um beispielsweise der Klimakrise entgegenzuwirken.
Bist du stolz auf das, was ihr erreicht habt?
Ich bin sehr stolz auf das, was wir bisher erreicht haben. Wir gehen auf interessierte Menschen zu, informieren, diskutieren und geben faktenbasierte Antworten. Wir erhalten positives Feedback für unsere Arbeit und werden aufgefordert, nicht locker zu lassen und uns weiter für den weltweiten Umweltschutz einzusetzen. Die Ausstellung ist eine Brücke zur jungen Generation, das haben wir unserem Bildungsangebot zu verdanken. Wir arbeiten in einem bunten Team zusammen und lernen jeden Tag voneinander, das bringt Spaß und zeigt, was Greenpeace ausmacht: die Menschen, die hier arbeiten.
Was für Pläne habt ihr für die Zukunft?
Wir überarbeiten gerade unser Bildungskonzept, worauf ich mich schon sehr freue. Damit werden wir uns als außerschulischer Lernort weiter etablieren. Selbstverständlich unterstützen wir weiterhin unsere Kampagnenarbeit mit Mitmachangeboten, Sonderausstellungen sowie Veranstaltungen und anderen Formen der Begegnungen. In jedem Fall bleibt es spannend, uns immer mal wieder zu besuchen, um Neues zu entdecken und uns als zuverlässige Ansprechpartner:innen zu Umweltthemen zu nutzen.