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Eine stattliche Tristan Languste auf einem der Hänge des Tiefseebergs Vema, der mit Algen, Weichkorallen, Hydroiden, Bryozoen (Moostieren) und bunten Schwämmen bedeckt ist.
Richard Barnden

Überraschende Forschungsergebnisse von Expedition zum Tiefseeberg Vema

Das Greenpeace-Aktionsschiff Arctic Sunrise hat bei einer Expedition zum Tiefseeberg Vema große Artenvielfalt und überraschende Forschungsergebnisse entdeckt.

Im Oktober 2020 lief das Greenpeace-Aktionsschiff Arcic Sunrise zu einer Expedition zum Tiefseeberg Vema vom südafrikanischen Kapstadt aus, mit an Bord Wale-Wissenschaftler:innen mit so genannten Hydrophonen – Soundfallen, die insgesamt 11 Tage die Walgesänge an Vema aufzeichneten. Die Auswertung der Walgesänge bringt nun unerwartetes zutage: Zum ersten Mal überhaupt fanden sich bestimmte Impulslaute, so genannte “Pistolenschüsse” in den 600 aufgezeichneten Walgesängen vom Tiefseeberg Vema. Dieser steigt 1000 km vor der südafrikanischen Küste aus 4.600 Metern Tiefe bis dicht unter die Wasseroberfläche auf. 

Der Fund zeigt: Offensichtlich nutzen zum Beispiel Buckelwale auf ihren Wanderrouten Tiefseeberge als Rast- und Futterplätze. Die englische Forschungsstudie "Detection of humpback whale (Megaloptera novaeangliae) non-song vocalizations around the Vema Seamount, southeast Atlantic ocean" erschien in der Aprilausgabe des Wissenschaftsjournals Jasa Express letters als Titelgeschichte. 

“Die Studienergebnisse sind phantastisch, obwohl uns die Pistolenschüsse der Buckelwale immer noch vor ein Rätsel stellen. Sie zeigen, wie viel es noch zu erforschen gilt”, sagt der damalige Greenpeace-Expeditionsleiter und Co-Autor der Studie Thilo Maack, “Tiefseeberge sind für die Buckelwale überlebenswichtig und sollten generell unter konsequenten Schutz gestellt werden.”

Tiefseeberg Vema – ein Ort der Artenvielfalt

Mount Vema ist ein Tiefseeberg im Südostatlantik – entstanden durch vulkanische Aktivitäten vor 15 bis 11 Millionen Jahren. Seine Gipfel sind sogar für Taucher:innen erreichbar – und für die Sonne. An seinen Gipfeln wiegen sich dichte Kelpwälder in der Strömung.

Zwischen ihren langgestreckten Zweigen schweben Hunderte von Gelbschwanzmakrelen und Streifenbrassen. Kalkbildende Algen, Korallen und viele Krebsarten finden hier – fast 1000 Kilometer vom südafrikanischen Festland entfernt – küstenähnliche, ideale Lebensbedingungen. Die tieferen Hänge sind Heimat für Schwarze Korallen und farbenreiche Gorgonien. Auf ihrer Expedition mit dem Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise konnten Greenpeace-Taucher:innen ein wahres Paradies der Artenvielfalt bestaunen. Sogar die auf Vema zuvor nahezu ausgelöschte Population der Tristan Languste nahm wieder zu, Dutzende Exemplare fanden sich. Ein Beleg dafür, dass ein 2007 von der Südostatlantischen Fischereiorganisation (SEAFO) verhängtes Verbot der Grundfischerei wirklich Erfolg bringt.

Seeberge wie Vema sind oft voller Artenvielfalt. Strömungen transportieren nährstoffreiches Tiefenwasser nach oben, wo es auf die sonnenbeschienenen oberen Schichten trifft. Nährstoffe und Licht ermöglichen Photosynthese und den Aufbau eines dichten Nahrungsnetzes mit vielen endemischen Arten – Tieren und Pflanzen, die nur an diesem Ort vorkommen. Tiefseeberge sind von enormer Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht. Große Freiwasserfische wie Thunfische und Haie sowie Delfine, Wale und Seevögel finden hier Nahrung.

„Wir wollten mehr über den Seeberg Vema erfahren“, sagt Maack. „Kommen Wale und Delfine auf ihren langen Migrationsrouten vorbei? Wie ist es um die Artenvielfalt in diesem Lebensraum bestellt?“ Die Forschungsergebnisse mit den Hydrofonen liegen nun vor. Mit Hilfe eines Unterwasserroboters (ROV) erkundete die Besatzung der Arctic Sunrise zudem die Berghänge des gewaltigen Unterwassermassivs und forschte nach verlorenem oder weggeworfenem alten Fischereigerät – Hinterlassenschaften früherer Fangflotten, die Vema auf der Jagd nach der teuren Tristan Languste befischten. 

Die Tristan Languste: Innerhalb von 20 Jahren fast ausgelöscht

Noch im 20. Jahrhundert gab es auf dem Seeberg eine riesige Population der Tristan Languste (Janus tristani). Bis sie 1981 auf Mount Vema an den Rand der Ausrottung geriet. Die Tristan Languste ist die teuerste Langustenart weltweit und stammt in der Regel von der Insel Tristan da Cunha –  laut Marine Stewardship Council aus einer nachhaltigen Fischerei. Die Vema-Population der Languste entwickelte sich somit mehr als 1800 Kilometer vom natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Art. Das macht sie einzigartig. Über Jahrhunderte hinweg gelangten die Langustenlarven nur durch Zufall mit der Meeresströmung von Tristan da Cunha nach Mount Vema. Auf diese Weise baute sich sehr langsam ein Bestand auf. Die menschliche Gier brauchte weniger als 20 Jahre, um den Langustenbestand an den Rand des Aussterbens zu bringen.

Mount Vema und der Südostatlantik sind Beispiele dafür, wie gefährdet natürliche Ökosysteme sind. Denn die Ozeane sind praktisch ohne Schutz. Nur rund drei Prozent der Meeresgebiete sind wirklich frei von menschlichen Eingriffen. Das ist zu wenig, um ein langfristiges Überleben der Arten zu sichern. Der Artenverlust im Meer schreitet doppelt so schnell voran wie an Land. Seit dem späten 19. Jahrhundert sind rund die Hälfte aller Korallenriffe verschwunden und fast ein Drittel aller anderen Meeresarten.

Die industrielle Fischerei fischt auf über der Hälfte der Weltmeere – ein Drittel aller Fischpopulationen gilt als überfischt. Auch in der Nähe von Mount Vema sichteten die Greenpeace-Aktiven zwei taiwanesische Trawler. Zwei Drittel der Meere stehen unter dem Einfluss von Fischfarmen, Schifffahrtsrouten und destruktiven Industrien wie Tiefseebergbau sowie Öl- und Gasbohrungen. 

640.000 Tonnen Fischereigerät pro Jahr in den Ozeanen

Hinzu kommt der Plastikmüll: 12 Millionen Tonnen Plastik landen jährlich im Meer – so viel wie ein durchschnittlicher Müllwagen pro Minute entsorgt. Jegliches Plastik in den Ozeanen wird möglicherweise zur tödlichen Falle für Tiere, kann sie ersticken, fesseln oder schwer verletzen. Eine ganz bestimmte Art Plastik jedoch wurde extra hierfür gebaut: Fischereigerät, das auch dann noch tödliche Beute macht, wenn es längst ausrangiert ist.

Der Greenpeace-Bericht "Ghost Gear" fasst die Bedrohung durch Geisterausrüstung zusammen: Jährlich landen rund 640.000 Tonnen altes Fischereigerät in den Ozeanen, was einem Gewicht von mehr als 50.000 Doppeldeckerbussen entspricht. Zehn  Prozent des Plastikeintrags in die Meere stammen von Netzen, Leinen, Bojen oder ähnlichem. Abfälle aus der Fischerei wie Verpackungsbehälter oder Klebeband tragen ebenfalls dazu bei. In einigen Regionen der Ozeane bildet Fischereiausrüstung den größten Teil des dort vorkommenden Plastiks.

Meere unter Schutz stellen

Überfischung, Vermüllung, Geisternetze, direkte und indirekte Auswirkungen des Klimawandels strapazieren die Tiefseeberge genauso wie den Rest der Meere. Daher fordert Greenpeace mit Blick auf die laufenden UN-Verhandlungen über ein globales Abkommen zum Schutz der Hohen See von den politischen Entscheidungsträgern strenge Kontrollen und echten Meeresschutz. Im August dieses Jahres verhandeln die Vereinten Nationen nach mehreren Verschiebungen final über das Zustandekommen eines Hochsee-Abkommens, mit dem die Meeresbereiche außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer unter Schutz gestellt werden können.

  • Thilo Maack, Greenpeace-Experte für Meere, taucht am Tiefseeberg Vema

    Die Langusten-Population am Seeberg nimmt wieder zu

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  • Kelpwälder auf einem der Gipfel des Mount Vema

    Märchenwald Vema

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  • Die Crew der Arctic Sunrise  birgt zurückgelassenes Fischereigerät bei Mount Vema

    Die Crew birgt zurückgelassenes Fischereigerät

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  • Hummerfalle Mount Vema

    Alte Hummerfalle aus dem letzten Jahrhundert

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  • Ein Lippfisch, der sich hinter dichten, federnden Hydroiden und Bryozoen (Moostieren) versteckt.

    Ein Lippfisch versteckt sich hinter federnden Algen

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  • Ein geschwärzter Schmetterlingsfisch, der normalerweise im westlichen Indischen Ozean zu finden ist, versteckt sich in einer mit Algen und Hydroiden bedeckten Spalte.

    Ein geschwärzter Schmetterlingsfisch

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  • Wissenschaftliche Forschung Walgeräusche Mount Vema

    Greenpeace-Aktivisten bauen eine Klangfalle für Walgesänge auf

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  • Deckhand Celine und Greenpeace-Aktivistin Bukelwa bereiten Wasserproben auf einem der Festrumpfschlauchboot vor.

    Meeresbiologen bereiten Wasserproben vor

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  • Ein Taucher nimmt Wasserproben um DNS-Fragmente auf Wal-DNS zu untersuchen. Welche Arten gibt es bei Mount Vema?

    In den Wasserproben wird nach DNA-Fragmenten von Walen gesucht

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  • Sea Goldies am Mount Vema

    Fahnenbarsche unter einem mit Korallen verzierten Überhang

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  • Ein Unterwasserroboter (ROV) wird für einen Tauchgangs  bei Mount Vema ins Wasser gelassen

    Ein Unterwasserroboter (ROV) wird ins Wasser gelassen

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  • Kelpwälder Mount Vema

    Kelpwälder und Algen wachsen dort, wo Licht durchdringt

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  • Mount Vema Fischpopulation

    Stachelmakrelen - Beute für große Freiwasserfische wie Thunfische, Haie und Delfine

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  • Fischtrawler in der Nähe des Mount Vema

    Fischtrawler nähert sich dem Schutzgebiet Mount Vema...

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Report: Ghost Gear

Report: Ghost Gear

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