Das Verhängnis begann unscheinbar: Vor rund 30 Jahren setzten Wissenschaftler im afrikanischen Viktoriasee einige Nilbarsche aus. Die Tiere vermehrten sich schnell. Alles schien gut. Das Gedeihen des großen Raubfischs versprach den Menschen am Viktoriasee mehr Nahrung und besseres Einkommen als die zahllosen anderen Fischarten. Doch am Ende stand eine ökologische und soziale Katastrophe ungeahnten Ausmaßes.
Während sich im Viktoriasee der Nilbarsch - heute fast nur noch Viktoriabarsch genannt - ungehemmt vermehrte, verbreiteten sich auf den Meeren die Fischereiflotten der Industriestaaten. Mit immer größeren Schiffen und riesigen Netzen fischen sie die Ozeane leer. Sind die Meere vor der eigenen Haustür fast leer, so kaufen die reichen Länder des Nordens sich den Fisch woanders. Zum Beispiel den Viktoriabarsch aus Tansania. Er gilt in Europa als Delikatesse.
Heute ist der Viktoriasee, zweitgrößter Süßwassersee der Welt und fast so groß wie ganz Bayern, ein sterbendes Gewässer: Am Anfang stand ein künstlich verpflanzter Fisch. Er führte zur unkontrollierten industriellen Fischerei. Durch den fremden Seebewohner und die Fischerei wurden die anderen Fischarten bis an den Rand der Ausrottung dezimiert. Ohne die pflanzenfressenden Fischarten und durch Abwässer vermehrten sich die Algen.
Bei den meisten der 30 Millionen Menschen am See ist statt des erwarteten Wohlstands die nackte Not eingekehrt. Die traditionelle Fischerei, Existenzgrundlage vor allem vieler Frauen, ist nahezu zerstört. Täglich heben vom kleinen Flugfeld der tansanischen Stadt Mwanza Frachtflugzeuge mit Tonnen von Barschfilets ab. Für die Bevölkerung bleibt zurück, was wir Europäer verschmähen: die ausgeschlachteten Reste. Was kommt dafür aus den Industriestaaten zurück? Unter anderem - Waffen. Waffen für die vielen Kriege auf dem afrikanischen Kontinent.
Hubert Sauper: Darwin's Nightmare könnte ich in Sierra Leone erzählen, nur wäre der Fisch ein Diamant, in Honduras eine Banane, und in Angola, Nigeria oder Irak schwarzes Öl.