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Baumwolle in Indien
Christoph Engel /Visum/ Greenpeace

Gentechnik-Industrie: falsche Versprechen - wahre Lügen

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Seit die Wissenschaftler Francis Crick und James Watson Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Struktur der Erbsubstanz entschlüsselt haben, hat sich in der Forschung vieles verändert. Eifrig werden seitdem Pflanzen verbessert. Euphorische Forscher träumen von genmanipulierten Wundertieren, wie der sprichwörtlichen eierlegenden Wollmilchsau. Grundlagenforschung wie sie von Crick und Watson gemacht wurde, gibt es zwar immer noch. Im Vordergrund stehen heute jedoch die Absichten der Industrie, neue wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Interessen zu nutzen. Auf der Suche nach neuen Märkten werden immer wieder Wunderpflanzen angekündigt. Diese erfüllen zumeist nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Eine Reihe von Beispielen:

1. Süßkartoffeln in Afrika

Im Jahr 2001 startete in Kenia ein Gen-Projekt für Süßkartoffeln. Vom US-Sondergesandten Andrew Joung, der extra zu diesem Zweck angereist war, wurde das Projekt vollmundig mit den Worten: Mit der Gentechnik werden wir in Afrika eine grüne Revolution machen angekündigt. Monsantos Vorzeigeprojekt in Afrika wurde zu Beginn durch die Mitarbeit der kenianischen Biotechnologin Florence Wambugu unterstützt. Ihr kam vor allem die Aufgabe zu, das Projekt überall in der Welt zu propagieren. Schnell wurde durch die Medien der Eindruck vermittelt, die Gen-Süßkartoffel würde bereits kommerziell verwendet. In einem typischen Bericht hieß es: Während der Westen über die Ethik genetisch veränderter Nahrung debattiert, nutzt Florence Wambugu sie zur Ernährung für ihr Land.

In einem 2004 erschienen Bericht des Nullfield Council on Bioethics, wurde das Projekt als Beweis für den potentiellen Nutzen von Gen-Nahrungspflanzen für Entwicklungsländer angeführt. Man erwartet, dass die Erträge um etwa 18-25 Prozent anwachsen werden und dass durch ihren Verkauf das Einkommen zwischen 28 und 39 Prozent steigen wird. Durch die Verwendung virusresistenter Gen-Süßkartoffeln könnten dramatische und häufige Ertragsrückgänge einer der Hauptnahrungsmittelpflanzen vieler armer Menschen in Afrika verhindert werden.

Soweit die Behauptungen der Befürworter. Die Realität allerdings sieht anders aus.

Das Kenianische Agrarforschungsinstitut (KARI) stellte fest, dass die Gen-Süßkartoffel genauso anfällig gegen den Virus (feathery mottle virus) ist wie die gewöhnlichen Sorten.

Auch die angepriesenen Ertragssteigerungen von bis zu 25 Prozent sind wohl eher Wunschträume als Realität. Bei den Süßkartoffeln resultieren sie aus viel zu niedrig angesetzten Ertragsmengen bei den konventionellen Sorten.

Realität:. Nach Angaben der FAO und anderen offiziellen Statistiken liegen die Erträge konventioneller Sorten zwischen 9,7 und 10,4 Tonnen pro Hektar. Neue Berichte über Freilandversuche belegen, dass die Gen-Süßkartoffel mit einem Ertrag von 10 Tonnen pro Hektar keinerlei Verbesserung bringt.

Neben den falschen Versprechungen wurden weitere gravierende Fehler gemacht. So konzentrierten sich die Forscher bei ihrer Arbeit auf eine amerikanische Art des Kartoffel-Virus. Auch wurde nicht erkannt, dass das Hauptproblem für den Anbau von Süßkartoffeln in Kenia von Rüsselkäfern und nicht von einem Virus ausgeht. Den Bauern wurden zu diesem Zeitpunkt bereits virusresistente Sorten verkauft.

Das Projekt der Gen-Süßkartoffel hat in den vergangenen zehn Jahren schätzungsweise sechs Millionen US$ verschlungen. In deutlich kürzerer Zeit wurde in Uganda auf dem Weg der konventionellen Züchtung eine virusresistente Süßkartoffel mit Ertragssteigerungen von bis zu 100 Prozent entwickelt.

2. Gen-Baumwolle in Indonesien

Ebenfalls im Jahr 2001 wollte Monsanto in Indonesien einen Markt für Gen-Baumwolle erschließen. Das Saatgut sei besonders umweltfreundlich, da weniger Pestizide eingesetzt werden müssten, versprach Monsanto. Gleichzeitig würden mehr und bessere Erträge erzielt. Schon im ersten Anbaujahr stellte sich jedoch heraus, dass diese Verheißungen nicht der Realität entsprachen.

Die Gen-Baumwolle reagierte besonders empfindlich auf Dürre und wurde stark von Schädlingen befallen. Die Dürre führte zu einer massiven Schädlingsver­mehrung bei der Gen-Baumwolle, ganz anders als bei konventionellen Sorten. Hinzu kam, dass die Gen-Baumwolle zwar gegen einen Schädling resistent war, dafür aber gegenüber anderen deutlich anfälliger. Um nicht ihre gesamte Ernte zu verlieren, mussten die Bauern große Mengen besonders aggressiver Schädlingsbekämpfungsmittel einsetzen.

Auch die Erträge lagen deutlich unter der von Monsanto versprochenen Mengen. Gegenüber den angekündigten 3-4 Tonnen pro Hektar wurden im Durchschnitt nur 1,1 Tonnen pro Hektar geerntet. Durch die kümmerlichen Erträge gerieten viele Kleinbauern in einen Schuldenkreislauf. Ein Großteil der Bauern verschuldete sich durch den Anbau der Gen-Baumwolle. Eine Tochtergesellschaft von Monsanto-Indonesien hatte Gen-Saatgut und Dünger auf Kredit geliefert. Die Bezahlung sollte durch die Ernte abgedeckt werden. Im Folgejahr verdoppelte die Gesellschaft den Saatgutpreis. Vielen Bauern blieb aufgrund ihrer Verschuldung keine andere Wahl, als die höheren Saatgutpreise zu akzeptieren.

Untersuchungen verschiedener indonesischer Institutionen ergaben, dass die Einkommen der Bauern, die 2002 Gen-Baumwolle anpflanzten, deutlich unter denen der Bauern lagen, die gentechnikfreie Sorten nutzten.

Die Liste der Misserfolge mit gentechnisch veränderter Baumwolle ist lang und nicht auf einzelne Regionen beschränkt. Sie reicht von Schäden bei Dürrebedingungen in Madhya-Pradesh über eine Anfälligkeit für Wurzelfäule und Kräuselkrankheit in Maharashtra, bis zu einer massiven Zunahme von nicht zu bekämpfenden Schädlingen.

3. Golden Rice und Funcional Food

Besonders der Golden Rice wurde von der Gentechnikindustrie genutzt, um zu zeigen, welchen vermeintlichen Nutzen den Armen in der Welt durch die Gentechnik erwächst. So soll der Reis besonders große Mengen an Vitamin A produzieren und helfen, die in vielen Ländern der Dritten Welt herrschende Mangelversorgung mit Vitamin A zu beseitigen.

1999, nach fast zehn Jahren der Forschung mit großen Summen aus öffentlichen Förderungen, stellten die Wissenschaftler Dr. Ingo Potrykus vom Schweizer Institut für Technologie und Dr. Peter Beyer von der Universität Freiburg ihren „Golden Rice“ vor.

Für den Golden Rice existierten damals bereits über 70 Patente verschiedener Unternehmen, die im amerikanischen Service for Acquisition of Agri-Biotech Applications (ISAAA) zusammengefasst sind.

Kurze Zeit später unterzeichneten beide Wissenschaftler einen Vertrag mit der Firma Astra­Zeneca (heute Syngenta). Der Vertrag sichert der Firma weltweit alle Handelsrechte zu. Im Gegenzug wurde nationalen und internationalen Forschungsinstituten die nicht-kommerzielle Nutzung zugesichert. Auch sollen Bauern, deren Jahreseinkommen unter 10.000$ liegt, den Gen-Reis ohne Lizenzkosten nutzen können.

Der Handel mit AstraZeneca beendete eine lange Zeit der öffentlich finanzierten Forschung, deren Ergebnisse nun von industriellen Unter­nehmen genutzt wird. Sie manifestiert darüber hinaus die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von wenigen Wirtschaftsunternehmen. Die Weiterentwicklung der Sorten und auch der Aufbau einer wirtschaftlich unabhängigen Landwirtschaft in den Entwicklungsländern werden durch das Lizenzrecht unmöglich gemacht.

Neben Syngenta ist Monsanto eines der großen Unternehmen, das von den scheinbaren Erfolgen des Golden Rice profitieren will.

Der genmanipulierte Reis hatte eine weltweite Diskussion in den Medien entfacht. Der Golden Rice dient der Gentechnikindustrie als Beweis, wie sehr sie sich für die Bekämpfung der Armut und des Hungers in Ländern der Dritten Welt einsetzt. Sie hat zudem erkannt, dass es mit Hilfe des Golden Rice gelingen könnte, Akzeptanz für gentechnisch veränderte Pflanzen in der Öffentlichkeit zu erreichen.

Welchen Nutzen aber hat der Golden Rice tatsächlich für die Bevölkerung? Ist er wirklich in der Lage, das Problem der Mangelernährung zu lösen? Einigkeit besteht darüber, dass eine Versorgung mit Vitamin A über den Golden Rice nicht möglich ist. Eine erwachsene Frau müsste 3,75 kg ungekochten Reis beziehungsweise circa 9kg gekochten Reis pro Tag essen, um ihren Tagesbedarf zu decken. Bei einer realistischen Tagesration von 300 Gramm Gen-Reis kann der Tagesbedarf einer erwachsenen Frau nicht einmal zu 10 Prozent gedeckt werden.

Das im Gen-Reis enthaltene Provitamin A ist für den Menschen zunächst nicht direkt nutzbar. Erst durch die Verdauung zusammen mit Fetten kann das notwendige Vitamin A gebildet werden. Besonders in Regionen mit schlechter Nahrungsversorgung und Vitamin-A-Mangel stehen die notwendigen Fette nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung.

Um eine Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen zu sichern, muss eine vielfältige Ernährung gegeben sein. Viele Projekte haben inzwischen gezeigt, dass durch eine alternative Landbewirtschaftung mit lokalen Sorten eine ausgewogene Ernährung der Bevölkerung si­chergestellt werden kann.

Neben den zahlreichen falschen Versprechen über den Nutzen des Golden Rice, sind die möglichen Gefahren bis heute nicht ausreichend erforscht. So bleibt unklar, ob Risiken einer Überdosierung definitiv ausgeschlossen werden können. Nicht geklärt ist auch, ob der Golden Rice allergieauslösend sein kann. So ist die Pflanze Daffodil, aus dem die Gene für das Beta-Carotin stammen, für allergische Reaktionen verantwortlich.

Seit der Vorstellung des Golden Rice 1999 sind weitere fünf Jahre vergangen, ohne dass absehbar wäre, wann praxistaugliche Ergebnisse vorliegen. Bis heute ist völlig unklar, wann und in welcher Weise die Menschen in den Ländern der Dritten Welt vom Vitamin-A-Reis profitieren sollen. Nach jetzigem Kenntnisstand könnte der Golden Rice frühestens in 4-5 Jahren zum Anbau in den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen.

Fazit

Immer wieder wurden in der Vergangenheit mit massiven Falschaussagen gentechnisch veränderte Pflanzen an Landwirte und Bauern verkauft. Die Versprechen sind ebenso vielfältig wie die Gründe des Scheiterns. Noch vor wenigen Jahren standen die angeblich deutlichen Ertragssteigerungen im Vordergrund der Argu­mentation. Sie sollten den Welthunger bekämpfen und das wirtschaftliche Auskommen der Landwirte sichern. Doch die Ergebnisse aus der Praxis widerlegten die Vorhersagen.

Heute sind es in erster Linie verringerter Pestizideinsatz und die Toleranz schlechter klimatischer Bedingungen, die als Argument für die Gentechnik angeführt werden. Doch es zeigt sich bereits, dass auch diese Versprechen nicht eingehalten werden können. Trotz enormer finanzieller Aufwendungen der Industrie, aber vor allem auch aus öffentlichen Quellen, haben gentechnisch veränderte Pflanzen bis heute nicht den versprochenen Nutzen erbracht.

Greenpeace fordert:

  • Kein Anbau von genmanipulierten Pflanzen
  • Klare Kennzeichnung genmanipulierter Rohstoffe in Lebens- und Futtermitteln
  • Ein Verbot von Patenten auf Pflanzen, Tiere, Menschen und ihre Gene
  • Förderung einer naturnahen Landwirtschaft, die traditionelles Wissen, regionale Kultur und die Umwelt respektiert.

V.i.S.d.P.: Marcus Nuernberger

Diesen Text, inklusive Fußnoten, finden Sie im angehängten PDF.

Datum

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