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Weißer Hai im Pazifik
Ralf Kiefner / Greenpeace

Nur eine ökologisch verträgliche Fischerei kann die Haie retten

Haie zählen zu den ältesten heute lebenden Wirbeltieren. Viele der eleganten Jäger existieren beinahe unverändert seit über 60 Millionen Jahren – die Zeit, als die Dinosaurier wieder von der Erde verschwanden.

Gestalt, Sinnesorgane und Anpassungsfähigkeit machen Haie so erfolgreich, dass sie bis heute in großer Artenzahl existieren: Die Wissenschaft unterscheidet etwa 500 Arten, vom rund 20 Zentimeter kleinen „Zwerglaternenhai“ (Etmopterus perryi) bis zum etwa 14 Meter langen Walhai (Rhincodon typus) – dem größten Fisch überhaupt. Der Walhai und der Riesenhai filtrieren Plankton aus dem Wasser. Ein ungewöhnliches Aussehen zeigen zum Beispiel die Hammerhaie. Der breite Kopf ermöglicht ihnen vermutlich eine sehr gute Sinneswahrnehmung der Richtung nach.

Haie haben sich an nahezu jeden Meeres-lebensraum angepasst – von den sehr kalten polaren Gewässern über gemäßigte Breiten bis in die Tropen. Auch Süßwasserbereiche haben sie erobert: Der Bullenhai (Carcharhinus leucas) wagt sich, vom salzigen Meerwasser weit entfernt, in Flüsse vor. Der bis zwei Meter lange Gangeshai (Glyphis gangeticus) lebt und gebärt seinen Nachwuchs wahrscheinlich im Süßwasser. Während viele Haiarten sowohl in Küstennähe als auch auf hoher See leben, oft aber nicht tiefer als 300 Meter tauchen, ist z.B. der Pazifische Schlafhai (Somniosus pacificus) in rund 1000 Metern Tiefe zu Hause. Sogar in der Ostsee wurden mindestens 18 Hai-Arten als “Gäste” nachgewiesen, die meisten im Skagerrak und Kattegat.

Der „Wolf der Meere“

In den Meeresökosystemen spielen viele Haie eine Schlüsselrolle. Die Beutegreifer stehen oben im Nahrungsnetz und bilden das Meeres-Pendant zu Wolf, Bär, Tiger oder Adler.

Da sich die Meeres-Ökosysteme über viele Millionen Jahre als Ganzes entwickelt haben, kommt jeder Art eine wichtige Funktion zu. Wenn Beutegreifer wie Haie im Nahrungsnetz verschwinden, kann es zur starken Vermehrung der Beutetiere kommen und das natürlich entwickelte Gleichgewicht gerät ins Wanken.

Langsame Fortpflanzung

Während die Weibchen der meisten Fischarten Tausende von Eiern produzieren, die im Wasser befruchtet werden, vermehren sich Haie ähnlich wie Säugetiere: Sie werden erst mit zehn bis zwölf Jahren oder deutlich später geschlechtsreif. Viele Arten haben nur alle zwei bis drei Jahre Nachkommen. Die Tragzeit dauert mit drei Monaten bis einem Jahr recht lange. Mit je nach Art meist nur einem bis dreißig Jungtieren pro Wurf haben sie sehr wenige Nachkommen.

Der in der Nordsee heimische und stark gefährdete Dornhai beispielsweise wird sogar erst mit 20 bis 25 Jahren geschlechtsreif, seine Jungen kommen nach einer Tragezeit von fast zwei Jahren zur Welt. Die Weibchen des Katzenhais legen wenige befruchtete Eier im Wasser ab. Eine ledrige Hülle schützt die Embryonen, die sich vom Eidotter ernähren. Andere Haiarten bringen voll entwickelte Junge zur Welt, wie etwa Weiß-, Blau-, Hammer-, und Tigerhai. Wie bei Säugetieren verbindet eine Nabelschnur die Embryos mit der Mutter. Nach der Geburt sind sie jedoch sofort selbstständig, die Mutter schwimmt davon. Biologisch ungewöhnlich ist die in Aquarien bei manchen Haien beobachtete Geburt ohne vorherige Paarung (Parthenogenese).

Nur fünf Prozent der Haie gebären den Nachwuchs auf hoher See. Die meisten Haie sind auf intakte Lebensräume an den Küsten angewiesen, die als Geburts- und Kinderstuben dienen. Dies gilt genauso für die Nordsee wie für die Flachwasserzonen tropischer Mangrovenwälder.

Das Sinneswunder

Für Menschen ist es kaum vorstellbar, wie viele Sinneseindrücke gleichzeitig auf einen Hai wirken und sein Verhalten beeinflussen. Das Gehör ist auf deutlich niedrigere Frequenzen ausgerichtet als das des Menschen. Wenn sich Haie einer Geräuschquelle nähern, nehmen sie Geruchsstoffe auf, was ihnen die Orientierung erleichtert. Mit Hilfe von Riechgruben an der Schnauze spüren sie chemische Substanzen, zum Beispiel Blut, in extrem geringen Konzentrationen auf: Bestimmte Haiarten können solche Geruchsstoffe selbst in einer Verdünnung von eins zu zehn Milliarden riechen. Etwa zwei Drittel des Hai-Gehirns sind auf Geruchswahrnehmung ausgerichtet.

In unmittelbarer Nähe nehmen Haie schwache elektrische Spannungsfelder wahr, die zum Beispiel vom Herzschlag oder von Muskelkontraktionen einer möglichen Beute stammen. Dieses empfindliche Sinnesorgan, die „Lorenzinischen Ampullen“, besteht aus dünnen, schleimgefüllten Kanälen, die über Poren mit der Hautoberfläche verbunden sind. Weitere Informationen gewinnt der Hai optisch, während er seine Beute umkreist und über den Tastsinn, falls er sie mit der Schnauze anstößt.

„Mörder“-Image zu Unrecht

Für viele Menschen ist ein Hai der „Inbegriff des Schreckens“, obwohl nur äußerst wenige Menschen zu Opfern werden. Zwischen 50 und 80 Haiangriffe weltweit werden dem International Shark Attack File,  dem globalen Sammelregister, pro Jahr gemeldet. Nur fünf bis 15 davon enden tödlich. So tragisch dies im Einzelfall ist, sollte man die Relation im Auge behalten: Millionen Menschen baden und tauchen täglich im Meer. Für sie ist das Risiko, von einem Hai angegriffen zu werden, minimal. Es sterben pro Jahr mehr Menschen durch Bienenstiche oder Blitzschlag. Im Jahr 2000 wurden allein 150 Menschen durch herabfallende Kokosnüsse getötet.

Der Grund für die niedrige Zahl: Menschen gehören, anders als Robben und Fische, nicht zum Beutespektrum von Haien. Angreifen tun diese höchstens, wenn Menschen zum Beispiel in ihr Territorium eindringen oder wenn Blut von harpunierten Fischen im Wasser verteilt ist. Und: Wer bäuchlings auf einem Surfbrett paddelt, ähnelt aus Sicht des Hais einer Robbe an der Wasseroberfläche. Diese gehört zum Beuteschema, was tragische Verwechslungen möglich macht.

Laut Unfallberichten sind 44 der etwa 500 Hai-Arten als gelegentliche Angreifer bekannt. Dazu gehören Weißer Hai, Bullenhai, Tigerhai sowie verschiedene Arten von Riffhaien. Der Weiße Hai, der im gleichnamigen Film als "mordende Fressmaschine" inszeniert wird, geht unter natürlichen Bedingungen nur alle ein bis zwei Monate auf Jagd. Die berüchtigten Gruselbilder in Film und Fernsehen werden erst durch gezielte Provokation mit blutigen Ködern möglich. Mittlerweile gibt es ganz andere Begegnungen: Erfahrene Haiforscher:innen tauchen ohne Käfig-Schutz im freien Wasser mit mehreren Weißen Haien, ohne dass diese sie angreifen. 

Haie sind Opfer des Menschen

Menschen dagegen jagen Haie in einer Größenordnung, die viele Arten an den Rand der Ausrottung treibt. Über 70 Haiarten stehen bereits auf der internationalen Roten Liste der IUCN. Nach einer wissenschaftlichen Untersuchung sterben jährlich 100 Millionen Haie direkt und auch indirekt durch die Fischerei. Massenhaft werden sie allein durch die industrielle Langleinenfischerei auf Tunfisch und Schwertfisch zum Beispiel von der spanischen und portugisischen Fischereiflotte getötet. Spanien gehört zu den drei größten Haifang-Nationen weltweit.

Haiprodukte verstecken sich auch hinter Phantasie-Bezeichnungen. Eine beliebte Delikatesse sind beispielsweise  „Schillerlocken“ – die geräucherten Bauchlappen des gefährdeten Dornhais, der in der Nordsee und im Nordost-Atlantik längst völlig überfischt ist. Sein Rückenfilet bietet der Handel als „See-Aal“ an. Heringshai-Steak (Lamna nasus) läuft auch unter „Kalbsfisch“, „Seestör“ oder „Karbonadenfisch“. 

Haie sind Opfer der modernen Fangmethoden mit immer größeren Netzen und längeren Fangleinen. Früher galten sie oft als unnützer Beifang, der zum Teil lebend wieder über Bord ging. Heute werden sie vor allem wegen ihrer sehr lukrativen Flossen gejagt, die in Asien, aber auch in Nordamerika und Europa als Delikatesse gelten. Dazu werden den meist lebenden Haien die Flossen abgeschnitten und die schwer verstümmelten Tiere anschließend über Bord geworfen, so dass sie langsam und qualvoll sterben. Suppen mit Haiflossen gibt es auch in Deutschland, besonders in Läden mit asiatischen Lebensmitteln und China-Restaurants. Einen Geschmack erhält die knorpelige Haiflossensuppe allerdings nur durch die zugesetzten Gewürze.

Durch die zunehmende Fischerei in bisher unberührten Meeresregionen bis etwa 2000 Meter Tiefe kommen unzählige Hoch- und Tiefseehaie , über deren Biologie niemand etwas genaues weiß, als „Beifang“ um. So ist der Bestand des Weißspitzen-Hochseehais (Carchahinus longimanus) durch die Fischerei beispielsweise  98 Prozent zurücgegangen.

Medizinischer Fortschritt durch Haiprodukte?

Das Skelett der Haie besteht nicht aus Knochen, sondern aus Knorpel. Da Haie ein hochentwickeltes Immunsystem haben, verspricht sich die Medizin von dessen Erforschung wichtige Erkenntnisse über die Funktion des menschlichen Immunsystems. Hai-Leberöl soll als aktive Substanz in Darm-Medikamenten wirken.

Auch die Kosmetikindustrie ist interessiert: Collagen, Bestandteil vieler Cremes, gewinnen Hersteller auch aus Knorpelskeletten unzähliger Haie und Rochen. Die Leber, die bei Haien bis zu 20 Prozent des Körpergewichts ausmachen kann, enthält ein Naturöl, das ebenfalls in Salben und Cremes zum Einsatz kommt.

Angebliche „Antikrebspillen“ aus getrocknetem Haiknorpel finden reißenden Absatz: Krebskranke in den USA und in Europa hoffen auf Hilfe durch diese vollkommen wirkungslosen Präparate. „Ebenso könnten Kurzsichtige versuchen, ihre Sehkraft durch den Verzehr von Adlerfleisch zu stärken“, kommentiert Haiforscher und Biochemiker Carl Luer, der an einem Meeresinstitut in Florida/USA Haiknorpel untersucht hat.

Gefährdung und internationaler Schutz

Bei Haien ist es wie bei Walen: Sie zeigen den Zustand des Ökosystems. Wenn die Haie verschwinden, werden auch viele andere Arten verschwinden und die Lebensvielfalt der Meere verarmen. Es liegt in unser aller Hand, dies zu verhindern. Und es gibt einige Erfolge: So ist das Abtrennen der Flossen in der EU seit einigen Jahren nach einer langen Greenpeace-Kampagne nicht mehr erlaubt. 

Greenpeace fordert: 

  • Fischart, Fangmethode, Herkunftsland, Fanggebiet und Rückverfolgbarkeit müssen bei allen Fischprodukten eindeutig gekennzeichnet sein.
  • Politik, Fischindustrie und Handel müssen die industrielle Fischerei zu einer ökologisch verträglichen Fischerei verändern, damit auch Haie durch die Fischerei nicht mehr gefährdet werden.
  • Den Verzicht auf Hai-Produkte, bis garantiert werden kann, dass dadurch keine Hai-Bestände oder Hai-Arten bedroht werden.
  • Sofortiger Verzicht auf Produkte von gefährdeten Arten, wie z.B. Dornhai oder Heringshai.

Das können Sie tun:

  • Kaufen Sie grundsätzlich keine aus gefährdeten Tierarten hergestellten Produkte. Dazu gehören auch Hai-Produkte, wie z.B. „Schillerlocken“, „Seeaal“, „Königsaal“, Haisteak und Haifischflossensuppe - ebenso Arzneimittel und Kosmetika, die Hai-Produkte enthalten, beispielsweise Hai-Leberöl.
  • Fragen Sie beim Handel nach, woher die Hai-Produkte kommen und warum diese angeboten werden
  • Vermeiden Sie auch Thunfisch-Produkte ohne Kennzeichnung, da beim Fang der Thunfische Haie als Beifang verendet sein könnten.
  • Haifang auf japanischem Schiff

    Blauhai an Deck

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  • "Schillerlocke" und Haisteak angerichtet auf einem Teller, Mai 1999

    "Schillerlocke" und Haisteak

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