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Corona-Virus neben Paragraphenzeichen
S.Klein/Greenpeace [M], Fotos: shutterstock

Monitoring: Greenpeace beobachtet Einschränkungen von Freiheitsrechten durch Corona-Maßnahmen

Freiheitsrechte bilden die Basis unserer Demokratie. Meinungs- und Versammlungsfreiheit ebenso wie die demokratischen Teilhabemöglichkeiten dürfen durch die Corona-Notverordnungen nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden. „Die Gesundheit der Menschen muss jetzt an erster Stelle stehen. Andererseits braucht eine gesunde Demokratie, eine starke Zivilgesellschaft. Wir wollen mit unserer Arbeit die aktuellen Beschränkungen jedoch ebenso verfassungsrechtlich bewerten und dazu beitragen, dass die Corona-Maßnahmen keine langfristigen, gravierenden Grundrechtseinschränkungen mit sich bringen“, sagt Anna von Gall, Juristin und Greenpeace-Politexpertin.

Deshalb hat Greenpeace die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) beauftragt, die die aktuellen Einschränkungen mit juristischer Expertise kritisch unter die Lupe zu nehmen. „Nur eine starke Zivilgesellschaft kann sicherstellen, dass die Interessen aller Bevölkerungsgruppen umfassend und gleichberechtigt berücksichtigt werden“, so von Gall.

Folgende drei Bereiche werden dabei beleuchtet:

  • Demonstration und Protest: Beschränkungen im Versammlungsrecht erschweren stark öffentlichkeitswirksame Demonstrationen und Meinungsäußerungen.
  • Demokratische Teilhabe: Beschleunigte Gesetzgebungsverfahren schränken zivilgesellschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten deutlich ein.
  • Überwachung: Neue Maßnahmen der digitalen Nachverfolgung bergen Gefahren auch für zivilgesellschaftliche Akteure.

Gesundheit schützen, Versammlungen ermöglichen

Demokratie braucht Protest. Der Wegfall von öffentlich wirksamen Demonstrationen rückt wichtige Themen wie Frieden, Klimaschutz und Rassismus aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit.  Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann eine Verlagerung des zivilgesellschaftlichen Protests in den digitalen Raum ein Verbot physischer Protestformen nicht rechtfertigen. Als zentrales demokratisches Element ist die Versammlungsfreiheit durch Artikel 8 des Grundgesetzes besonders geschützt. In einem Kurzgutachten haben wir deshalb gefordert, dass Demonstrationen mit besonderen Schutzmaßnahmen ermöglicht werden. Erste Erfolge machen Mut: Das Bundesverfassungsgericht hat einem Eilantrag stattgegeben, der sich gegen das Verbot einer Demonstration in Gießen richtet. Das Gericht forderte die Stadt Gießen auf, die angemeldete Demonstration „nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“ neu zu bewerten und unter Erteilung von Auflagen gegebenenfalls zu ermöglichen.

„Wir freuen uns über das klare Signal des Bundesverfassungsgerichts, dass Versammlungen auch während der Corona-Krise mit nötigen Auflagen zu ermöglichen sind. Diese Entscheidung ist weit über den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Versammlungen können mit Abstandsregeln, Mundschutz oder begrenzter Anzahl an Teilnehmenden so gestaltet werden, dass die Infektionsgefahr nicht größer ist als bei anderen Bewegungen des Alltags auch. Greenpeace und die Gesellschaft für Freiheitsrechte fordern die Landesgesetzgeber auf, das Grundrecht auf Versammlungen von den pauschalen Verboten zur Corona-Eindämmung auszunehmen.  Die Infektionsgefahr muss im Einzelfall bei der Anmeldung der Demonstration geprüft werden, so von Gall.

Digitale Überwachung: Tracking-Apps und Zivilgesellschaft

Digitale Hilfsmittel werden im Kampf gegen die Kontaktbeschränkungen hoch gehandelt. Sogenannte Tracing-Apps für Smartphones sollen dabei helfen, Menschen zu identifizieren, die mit infizierten Menschen Kontakt hatten. Im besten Fall tragen sie als technische Hilfsmittel dazu bei, die Übertragung des Virus zu verhindern. Weitreichende digitale Nachverfolgung birgt jedoch auch große Gefahren für die Zivilgesellschaft. Gerade für marginalisierte oder gefährdete Gruppen ist ein Schutz oft nur durch Anonymität gewährleistet. Datenschutzsensible Arbeit muss deshalb auch in Zeiten einer Tracing App möglich sein. Beispiele hierfür sind Treffen mit Whistleblower*innen oder medizinische Behandlung von Menschen ohne Papiere, denen sonst die Abschiebung droht. Das Monitoring untersucht die aktuellen Vorschläge für die Tracing-App. Ziel der Analyse ist es, gesellschaftliche Potenziale in der Entwicklung und der Diskussion solcher Tracing-Apps aufzuzeigen und die roten Linien für den Einsatz solcher Technologien herauszustellen.

Fehlende demokratische Teilhabe in der Corona-Krise

Umfassende Anhörungen können durch das aktuell beschleunigte Gesetzgebungsverfahren nicht mehr stattfinden. So können etwa zivilgesellschaftliche Organisation nicht wie sonst üblich ihre Expertise einbringen und somit auch nicht auf die Folgen gesetzgeberischen Tätigwerdens hinweisen, die vom Gesetzgeber bisher noch nicht überblickt wurden. So haben Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen etwa dazu geführt, dass  häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder zunimmt. Auch die Leopoldina-Studie, die bei Entscheidungen über Lockerungen der Kontaktbeschränkungen eine wichtige Rolle spielt, wird vielfach kritisiert: Die federführende wissenschaftliche Kommission ist personell extrem homogen. Frauen, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und jüngere Menschen sind unter den Expert*innen auffällig unterrepräsentiert. Die Gefahr besteht, dass sich die mangelnde Diversität auch inhaltlich in den Empfehlungen an die Bundesregierung niederschlägt. Anhand anschaulicher Beispiele untersucht das Monitoring, welche Auswirkungen die Corona-Maßnahmen auf die demokratische Teilhabe haben. Bewusst wird auch ein Schwerpunkt auf die Möglichkeiten gelegt, die die Zivilgesellschaft aktuell noch hat, um Defiziten im Gesetzgebungsverfahren und in politischen Entscheidungsprozessen entgegenzuwirken.

Die Beiträge werden regelmäßig entsprechend der politischen Diskussionen und Veränderung in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Praxis aktualisiert. Am Ende werden die Beobachtungen und Analysen des Monitorings zusammengefasst und bewertet. Wir hoffen so einen Beitrag dazu leisten zu können, dass die Beschränkungen für die Zivilgesellschaft klar benannt werden, der Ausnahmecharakter dieser Einschränkungen hervorgehoben wird und die Zivilgesellschaft ohne Schaden aus dieser Krise hervorgeht.

Stand: April 2020

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