
Ukraine: Grüne Energie dank Frauenpower
- Ein Artikel von Ortrun Sadik
- Hintergrund
Unabhängige und sichere Energieversorgung ist in der von russischen Angriffen gebeutelten Ukraine sehr wichtig. 30 Frauen nehmen das jetzt selbst in die Hand, Greenpeace bildet sie aus.
Eigentlich sind sie Mathematik-Nachhilfe-Lehrerin, Chefingenieurin in einer lokalen Produktionsfirma oder Projektleiterin in der Hotelbranche - jetzt lernen sie zusätzlich, wie frau Solaranlagen installiert. Die 31 jährige Natalia aus Iwano-Frankiwsk, Natalia aus Mykolajiw oder Svitlana aus der Region Charkiw sind drei von 30 Frauen, die die Zukunft der Ukraine in ihre eigenen Hände nehmen. Viele Männer sind an der Front, russische Angriffe zerstören Menschenleben, Häuser und Energieanlagen - aber diese Frauen bauen auf: Solaranlagen nämlich. Für eine vor Bomben halbwegs sichere und grüne Energieversorgung in schweren Zeiten, für eine grünere und bessere Zukunft demnächst und für einen umweltfreundlichen Wiederaufbau der Ukraine.
Ausgebildet werden sie in einem Projekt von Greenpeace Ukraine und Women in Tech Ukraine in Zusammenarbeit mit der humanitären Organisation People in Need und unterstützt durch die tschechische Bevölkerung. Es bietet diesen Frauen eine kostenlose technische Ausbildung sowie praktische Schulungen. Die Ausbildung umfasst zwei Wochen Online-Theorie und eine Woche praktische Erfahrung in Kyjiw. Die Teilnehmerinnen lernen die Installation von Photovoltaikmodulen, die Inbetriebnahme und die grundlegenden Einstellungen einer Solaranlage. Am Ende des Kurses erhalten die Solarinstallateurinnen professionelle Zertifikate, die sie für die Arbeit mit führenden Energieunternehmen qualifizieren.
Mit Solarkraft gegen die Mutlosigkeit
Natalia aus Mykolajiw arbeitete vor dem Krieg als Chefingenieurin in einem lokalen Werk. Nachdem ihr Arbeitsplatz durch russische Angriffe zerstört wurde und Stromausfälle häufig wurden, entschloss sie sich, an der Ausbildung zur Solarinstallateurin teilzunehmen. Sie hatte schon vorher in Eigenregie ein Solarpanel, einen Wechselrichter und eine Batterie in ihrem eigenen Haushalt installiert. Aber so richtig verstanden, wie das funktioniert, hatte sie nicht. Jetzt kennt sie sich aus und will in ihrer Nachbarschaft weitere Solaranlagen einbauen. Ihr Mann, ein Elektriker, der derzeit beim Militär dient, war zunächst skeptisch. Aber mittlerweile ist er begeistert von der Idee, nach seiner Rückkehr gemeinsam mit Natalia ein Familienunternehmen für Solarinstallationen zu gründen.

"Das Programm kam genau zur richtigen Zeit. Für alle Menschen, für alle Unternehmen, auch für das, in dem ich arbeite, ist eine unterbrechungsfreie Stromversorgung durch Solarenergie eine Frage des Überlebens. Aber es ist schwierig, Fachleute zu finden, die sie installieren und warten können. Also entschied ich mich, dieses Wissen eben selbst zu erwerben. "
Fachkräftemangel und unsichere Energieversorgung
Das Projekt "Solar Women Power" wurde ins Leben gerufen, um dem wachsenden Bedarf an grünen Technologien und dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Ukraine zu begegnen. Durch die russischen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur ist die Nachfrage nach unabhängigen und dezentralen Energiequellen gestiegen. Gleichzeitig haben viele ukrainische Energieexperten die Armee unterstützt und stehen dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung. Greenpeace Ukraine und Women in Tech Ukraine haben daher beschlossen, Frauen aktiv in den traditionell männlich dominierten Bereich der grünen Technologie einzuführen.
Aus über 200 Bewerbungen wurden 30 Frauen ausgewählt, die eine grundlegende technische Ausbildung haben, hoch motiviert sind und den starken Wunsch haben, zum grünen Wiederaufbau der Ukraine beizutragen. Die Teilnehmerinnen kommen aus fünf Regionen: Iwano-Frankiwsk, Lwiw, Dnipro, Charkiw und Mykolajiw. Bis zum 28. Mai 2025 haben 23 Frauen das Programm abgeschlossen, die restlichen sieben befinden sich noch in der Ausbildung.
Tetyana aus Iwano-Frankiwsk ist eine 21-jährige Studentin der erneuerbaren Energien an der örtlichen Universität. Sie nahm an der Ausbildung teil, um praktische Erfahrungen zu sammeln und zu beweisen, dass Energie nicht nur ein Männerbereich ist. Tetyana arbeitet derzeit als einzige Frau in ihrem Energieunternehmen, der Kurs hat ihr Selbstbewusstsein gestärkt:

"Die Menschen müssen mehr junge Frauen sehen, die keine Angst vor Technik haben. Energie hat nichts mit Geschlecht zu tun – es geht um Mut, Wissen und Zielstrebigkeit."
Greenpeace Ukraine plant, die Solarinstallateurinnen in naher Zukunft einzusetzen, um Solaranlagen an kritischen Infrastruktureinrichtungen in verschiedenen Regionen der Ukraine zu installieren. Das Projekt wird von Women in Tech Ukraine und Greenpeace Ukraine in Zusammenarbeit mit der humanitären Organisation People in Need und mit Unterstützung der tschechischen Bevölkerung durchgeführt. Technische Unterstützung für das Projekt wurde von der ukrainischen Firma Atmosfera bereitgestellt.
Es ist weit mehr als nur ein Ausbildungsprogramm – es ist eine Bewegung für Energieunabhängigkeit und Geschlechtergleichheit. Es ist ein Aufbruch aus dem Ausgeliefertsein in einem brutalen und ungerechtfertigten Krieg, um die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Durch die aktive Einbindung von Frauen in die grüne Technologiebranche wird nicht nur dem Fachkräftemangel entgegengearbeitet, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur grünen Erholung und zum Wiederaufbau der Ukraine geleistet. Diese Frauen sind nicht nur dabei, ihre Karrieren zu verändern – sie verändern die Ukraine.