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Ein Model läuft auf einem vertikalen Laufsteg im Rahmen der internationalen Detox-Kampagne
Will Rose / Greenpeace

Giftige Kleidung bleibt Mode

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Die Textilindustrie stellt sich quer: Gefährliche Chemie ist in Kleidung weiterhin erlaubt. Dabei wollte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller die Giftmode eigentlich verhindern.

Das Vorhaben sollte giftfreie Kleidung garantieren – nun beugt sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) dem Druck der Textilindustrie. Im April rief er die Idee eines Textilbündnisses ins Leben: Händler, Hersteller und Entwicklungsorganisationen sollen gemeinsam über neue Standards für die Textilproduktion verhandeln.

Genaue Inhalte stellt Müller heute anlässlich der Gründung des Bündnisses in Berlin vor. Das große Defizit seines Aktionsplans: Er sieht zwar die Zahlung fairer Löhne vor, verbietet aber nicht den Einsatz umwelt- und gesundheitsgefährdender Chemikalien in der Textilproduktion. Die Entscheidung über solche Umweltauflagen wurde schlicht auf die Zeit nach Gründung des Bündnisses verschoben, um der Industrie entgegenzukommen. Der Aktionsplan bezweifelt sogar, dass der Verzicht auf bestimmte Chemie möglich ist.

Greenpeace wird dem Textilbündnis deshalb nicht beitreten. „Giftfreie Produktion in Frage zu stellen, ist ein wohlfeiles Zugeständnis an die Industrie“, sagt Kirsten Brodde,  Textilexpertin bei Greenpeace. “Etliche Modelabels haben sich bereits mit Greenpeace auf saubere Textilherstellung verpflichtet und zeigen jeden Tag, dass dies möglich ist.

26 Modefirmen wollen giftfrei produzieren 

Hinter diesem Greenpeace-Detox-Fahrplan für giftfreie Kleidungsproduktion fällt der Aktionsplan von Minister Müller deutlich zurück. Seit 2011 hat Greenpeace insgesamt 26 international führende Modefirmen und Zulieferer, darunter H&M, Adidas, Victoria´s Secret und Burberry,  darauf verpflichtet, giftfrei zu produzieren.

Müllers Bündnis hatte Greenpeace in den vergangenen Monaten mit Expertise zu Textilchemie unterstützt, etwa durch Listen mit Risiko-Chemikalien, deren Einsatz zur Eindämmung von Wasserverschmutzung sofort verboten werden muss. Zudem hatten knapp 11.000 Menschen einen Aufruf von Greenpeace unter dem Motto: „Kein Gift in Kleidung, Herr Minister!“ innerhalb weniger Wochen unterschrieben. In seiner Antwort hatte Minister Müller betont, zur Umweltentlastung plane er  sich gleichermaßen für „ökologische und ethische Standards in der Produktion und im Handel einzusetzen.“ Das Bündnis ignoriert diese Zusage nun. „Anders als angekündigt, lässt Herr Müller den Giftschrank der Industrie offen und gefährdet damit die Gesundheit der Menschen und die Umwelt weiter“, kritisiert Kirsten Brodde.

320 Millionen Chinesen ohne sauberes Trinkwasser

Viele der in der Textilproduktion eingesetzten Chemikalien können krebserregend oder hormonell wirken und auch die Fortpflanzung beeinträchtigen – vor allem, wenn sie mit dem Trinkwasser aufgenommen werden. In China, größtes Textil-Exportland der Welt, sind bereits heute 320 Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dort leitet die Industrie Abwässer mit gefährlichen Chemikalien weitgehend ungeklärt in Flüsse und Seen. Aber auch die deutschen Verbraucher sind betroffen: Die Gifte gelangen über die Kleidung und das Wasser zu uns, wie aktuelle Greenpeace-Reports zeigen.

Das auf Freiwilligkeit beruhende Bündnis sollte die Entgiftung vorantreiben – und wurde von großen Teilen der Industrie von vornherein boykottiert: Die sozialen und ökologischen Anforderungen seien nicht erfüllbar. Das zeigt, wie nötig der öffentliche Druck ist, um Firmen zu einem Kurswechsel in Richtung sauberer Produktion zu bewegen. Greenpeace fordert Minister Müller nun auf, die Hersteller per Gesetz zur Einhaltung von öko-sozialen Standards zu zwingen.

Bereits 26 globale Textilfirmen haben sich  im Rahmen der Detox-Kampagne von Greenpeace zu einer sauberen Produktion verpflichtet. Neben den größten italienischen Textillieferanten - Miroglio, Berbrand, Attilio Imperiali, Italdenim, Besani und Zip - wollen folgende weitere Firmen bis zum Jahre 2020  gefährliche Chemikalien aus der Produktion  verbannen: Nike, Adidas, Puma, H&M, M&S, C&A, Li-Ning, Zara, Mango, Esprit, Levi's, Uniqlo, Benetton, Victoria's Secret, G-Star Raw, Valentino, Coop, Canepa, Burberry und Primark. Unterstützt von Modeliebhaber rund um die Welt, wollen diese Unternehmen Trendsetter in Sachen sauberer Textilproduktion werden.

  • Auf dem Fluss Tullahan River (Philippinen) treibt lila Schaum. Flussaufwärts sind diverse Industrien angesiedelt. 2012

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Müllhalde mit Kühen in Ghana

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