Amazonas: Brasilien schnetzelt Soja-Moratorium
- Ein Artikel von Luisa Lamm
- mitwirkende Expert:innen Harald Gross
- Hintergrund
Brasiliens Soja-Moratorium bedroht! Das Abkommen galt als Meilenstein gegen Abholzung und für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes.
Ausgerechnet wenige Monate vor der UN-Klimakonferenz COP30, die dieses Jahr in Brasilien stattfindet, droht Brasilien ein Schlüsselabkommen im Amazonas- und Klimaschutz auszuhebeln: Das seit fast 20 Jahren geltende Amazonas-Soja-Moratorium (ASM). Es untersagt den Ankauf von Sojaprodukten, die auf nach 2008 abgeholzten Flächen im Amazonasgebiet angebaut wurden. Ende August hatte die brasilianische Wettbewerbsbehörde CADE dieses Moratorium ausgesetzt. Jetzt hat ein Richter die Aussetzung zwar pausiert, was heißt, dass es vorerst wieder in Kraft ist. Das bedeutet aber keine Entwarnung. Denn die CADE prüft das Abkommen weiterhin. Und die Soja-Lobby wird weiter für den Stopp kämpfen. Es droht ein neuer Schub von Sojaanbau auf Kosten des Regenwaldes – ein alarmierendes Signal für den globalen Klimaschutz.
„Ein Ende des Soja-Moratoriums wäre ein Geschenk an die zerstörerische Entwaldungsindustrie. Sie sägen nicht nur am Amazonas-Regenwald – sie sägen an unserer gemeinsamen Zukunft und der Lebensgrundlage kommender Generationen."
Hintergrund des Amazonas-Soja-Moratoriums
Kein Handel mit Soja aus Regenwaldzerstörung, Sklavenarbeit und Menschenrechtsverletzungen: Dazu verpflichteten sich im Juli 2006 Vertreter von Soja-Industrie, Politik und Zivilgesellschaft nach einer internationalen Greenpeace-Kampagne zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes. Ein Abkommen, das selbstverständlich auch Greenpeace unterzeichnete. Seitdem haben die Beteiligten das Soja-Moratorium zunächst jährlich erneuert. Und es zeigte Erfolge: Die Waldzerstörung ging deutlich zurück, für neue Sojafelder wurde kaum mehr Regenwald gefällt.
2016 wurde das Abkommen in einer offiziellen Zeremonie in Brasilien erneut bekräftigt, dieses Mal allerdings ohne Befristung – ein riesiger Erfolg für die langjährige Arbeit von Greenpeace zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes. Die Vereinbarung soll solange gelten, bis keine Notwendigkeit mehr besteht, sie aufrechtzuerhalten – nämlich dann, wenn grundsätzlich keine Regenwaldgebiete mehr zerstört und keine Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Sojaanbau mehr verletzt werden. Das Abkommen verpflichtet die beteiligten Weltmarktführer des Sektors, nur Soja von Pflanzen zu kaufen und zu handeln, die nicht auf nach 2008 entwaldeten Flächen angebaut wurde. Die Sojaprodukte – Bohnen, Schrot und Öl – sind das wichtigste landwirtschaftliche Exportgut Brasiliens.
Europas und Deutschlands Sojaimporte
Die EU gehört zu den wichtigsten Abnehmern brasilianischen Sojas: 2024 gingen über 16 Millionen Tonnen in den europäischen Markt, vor allem als Tierfutter. Deutschland importierte direkt mehr als 1,8 Millionen Tonnen.
Das Soja-Moratorium hat gezeigt, dass Landwirtschaft und Waldschutz vereinbar sind: Zwischen 2009 und 2022 sank die Waldzerstörung in überwachten Regionen um fast 70 Prozent – obwohl sich die Sojaflächen im Amazonas-Regenwald vervielfachten. Es ermöglichte Brasilien den Zugang zu internationalen Märkten und stärkte das Vertrauen in nachhaltige Produktion. Auch deutsche Handelsketten wie Aldi, Rewe und Kaufland sehen darin ein Erfolgsmodell und fordern, den Schutz sogar auf weitere bedrohte Regionen wie den Cerrado auszuweiten.
Was kann die Bundesregierung tun?
Ab Dezember soll die neue EU-Verordnung für den weltweiten Waldschutz (EUDR) greifen. Sie soll verhindern, dass Soja oder andere Rohstoffe wie Kaffee oder Palmöl auf Kosten von Regenwaldflächen produziert werden. Doch Unternehmen und Politiker:innen versuchen derzeit, das Gesetz zu verwässern. “Gerade jetzt, da das Soja-Moratorium in Brasilien auf der Kippe steht, wäre es fatal, die EU-Entwaldungsverordnung abzuschwächen”, sagt Gross. “Europa braucht starke Regeln, um Abholzungs-Soja vom Markt fernzuhalten und den Schutz des Amazonas-Regenwaldes zu stärken. Deswegen muss die Bundesregierung in Brüssel klarstellen: Europas Märkte sind tabu für Produkte aus Regenwaldzerstörung.“
Soja-Handel auch in schwierigen Zeiten ermöglichen
Ratifiziert hat das Dokument Paulo Adario, Experte für Wälder von Greenpeace Brasilien, der die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen beim Soja-Moratorium vertritt. Außerdem unterzeichneten Brasiliens Umweltministerin Izabella Teixeira, der Präsident des Verbands der brasilianischen Ölsaaten-Händler:innen (ABIOVE) sowie der Generaldirektor des Verbands der brasilianischen Ölsaaten-Exporteur:innen (ANEC).
„Das Soja-Moratorium hat dazu beigetragen, dass die Waldzerstörung im Amazonasbecken zurückgegangen ist – ein bedeutender Erfolg für die Regenwälder und ihre Bewohner:innen“, so Paulo Adario. „Die Entfristung des Abkommens war wichtig, um endlich ein dauerhaftes System zu etablieren, das auch in den politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten in Brasilien den Handel mit Soja ermöglicht und gleichzeitig die Wälder schützt.“
Strenge Kontrolle des Soja-Abkommens
Die Einhaltung des Abkommens wird von den Mitgliedern der begleitenden Arbeitsgruppe streng überwacht, unter anderem durch die Analyse von Satellitendaten und mit Hilfe von Vor-Ort-Recherchen und Überflügen, die Greenpeace mit seiner Cessna durchführt. Auch Verträge zwischen Soja-Farmer:innen und Abnehmer:innen kontrolliert das Gremium.
Seit Beginn des Soja-Moratoriums im Jahr 2008 hat sich die Fläche für den Sojaanbau im brasilianischen Amazonasgebiet deutlich ausgeweitet – von 1,64 Millionen Hektar 2008 auf 7,28 Millionen Hektar im Jahr 2023. Das entspricht einem Wachstum von 344%. Diese Expansion konnte das Moratorium zwar nicht verhindern, aber erfolgreich lenken: Sie fand größtenteils auf bereits zuvor entwaldeten Flächen statt – häufig durch die Umwandlung von Weideland – und nicht durch zusätzliche Abholzung von Regenwald.
Zwischen 2009 und 2022 verzeichneten Gemeinden, die durch das Soja-Moratorium überwacht wurden, einen Rückgang der Entwaldung um 69%, während der Sojaanbau in diesen Regionen gleichzeitig zunahm. Das Beispiel des Soja-Moratoriums zeigt, dass derartige Abkommen funktionieren und die Entwaldungsraten deutlich reduzieren können.
Gleichzeitig bleibt Entwaldung eine der größten umweltpolitischen Herausforderungen Brasiliens: 46% der gesamten brasilianischen Treibhausgasemissionen stammen aus Landnutzungsänderungen, insbesondere durch die Zerstörung natürlicher Ökosysteme – was die globale Erwärmung weiter anheizt.
Was die Regenwald-Zerstörung für das Klima bedeutet
Die fortschreitende Zerstörung der Wälder weltweit zu stoppen ist entscheidend für den Klima- und Artenschutz und eines der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. In der Glasgow Forest Declaration haben sich über 100 Länder, darunter Deutschland und Brasilien, dazu verpflichtet, den Waldverlust bis 2030 zu verhindern.
Der Amazonas-Regenwald spielt dabei eine zentrale Rolle, da er nicht nur riesige Mengen CO2 speichert, sondern auch einer der artenreichsten Lebensräume der Erde ist. Doch er steht kurz vor einem gefährlichen Kipppunkt: Wenn die Entwaldung voranschreitet wie bisher, könnte das Ökosystem großflächig kollabieren – mit irreversiblen Folgen für den Wasserkreislauf Südamerikas, die weltweite Artenvielfalt und das globale Klima.
Der Schutz der Wälder ist daher nicht nur eine wirksame Maßnahme gegen die Klimakatastrophe, sondern auch für den Erhalt der Biodiversität unerlässlich. Deswegen wird sich Greenpeace weiterhin mit Nachdruck für den Erhalt der Regenwälder einsetzen – zum Schutz des Klimas, der Artenvielfalt und zukünftiger Generationen.
Europas und Deutschlands Sojaimporte
Die EU gehört zu den wichtigsten Abnehmern brasilianischen Sojas: 2024 gingen über 16 Millionen Tonnen in den europäischen Markt, vor allem als Tierfutter. Deutschland importierte direkt mehr als 1,8 Millionen Tonnen.
Das Soja-Moratorium hat gezeigt, dass Landwirtschaft und Waldschutz vereinbar sind: Zwischen 2009 und 2022 sank die Waldzerstörung in überwachten Regionen um fast 70 Prozent – obwohl sich die Sojaflächen im Amazonas-Regenwald vervielfachten. Es ermöglichte Brasilien den Zugang zu internationalen Märkten und stärkte das Vertrauen in nachhaltige Produktion. Auch deutsche Handelsketten wie Aldi, Rewe und Kaufland sehen darin ein Erfolgsmodell und fordern, den Schutz sogar auf weitere bedrohte Regionen wie den Cerrado auszuweiten.
Was kann die Bundesregierung tun?
Ab Dezember soll die neue EU-Verordnung für den weltweiten Waldschutz (EUDR) greifen. Sie soll verhindern, dass Soja oder andere Rohstoffe wie Kaffee oder Palmöl auf Kosten von Regenwaldflächen produziert werden. Doch Unternehmen und Politiker:innen versuchen derzeit, das Gesetz zu verwässern. “Gerade jetzt, da das Soja-Moratorium in Brasilien auf der Kippe steht, wäre es fatal, die EU-Entwaldungsverordnung abzuschwächen”, sagt Gross. “Europa braucht starke Regeln, um Abholzungs-Soja vom Markt fernzuhalten und den Schutz des Amazonas-Regenwaldes zu stärken. Deswegen muss die Bundesregierung in Brüssel klarstellen: Europas Märkte sind tabu für Produkte aus Regenwaldzerstörung.“