Remember Paris? Wie ein Tropenwald-Fonds das Klima schützen soll
- mitwirkende Expert:innen Jannes Stoppel
- Hintergrund
Wie wir die Tropenwälder und das globale Klima schützen können – darum geht es diese Woche auf der Klimakonferenz in Bonn.
Die Vertreterinnen der internationalen Staatengemeinschaft treffen sich in den kommenden zwei Wochen in Bonn auf der UN-Klimakonferenz, um den Klimaschutz voranzutreiben. Greenpeace-Aktive sind auch vor Ort – um zehn Jahre nach dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens an ihre Verantwortung gegenüber den Menschen und der Natur zu erinnern, da es drastische Maßnahmen braucht, um den Planet Erde lebenswert zu erhalten. Und um sich für eine elegante Lösungsidee für den Waldschutz einzusetzen.
Bisher verdienen Menschen mit Wäldern in der Regel Geld, indem sie diese für kurzfristige Profite zerstören: Sie fällen Bäume für Holz, wandeln natürliche Wälder in Kiefern-, Eycalyptus und Palmölplantagen um oder roden ganze Flächen, um Platz für Agrarflächen und Infrastruktur zu schaffen. In Europa haben wir es in den vergangenen Jahrhunderten so weit getrieben, dass wir – mit Ausnahmen in den Karpaten oder Skandinavien – fast alle Urwälder vernichtet haben. So verbleiben beispielsweise in Deutschland verhältnismäßig wenig natürliche Laubmischwälder, dafür viele künstlich angelegte Kiefer- und Fichtenplantagen.
Jetzt, da sich die Klimakrise mit Extremwettern und Dürren immer weiter zuspitzt, schielen die Europäer:innen deswegen hoffnungsvoll auf die verbleibenden Tropenwälder wie den Amazonas-Regenwald.
Denn diese Wälder leisten viel: Sie speichern CO₂, regulieren das Klima und sorgen für Regen. Insbesondere die Wälder, in denen Indigene leben, sind besonders gesund: Rund 80 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten finden sich in ihren Gebieten. Denn durch ihre Lebensart und Präsenz schützen Indigene die Natur vor unternehmerischem Raubbau. Immer wieder stehen Indigene an vorderster Front – sie demonstrieren gegen Staudämme, Minen, Naturzerstörung, Rodungen und Konzerne, die ihre Gebiete bedrohen. Ihr Widerstand setzt Regierungen weltweit unter Druck, Natur und Klima ernsthaft zu schützen. Und mit der Natur schützen sie auch das weltweite Klima – und damit uns alle vor Extremwettern.
Doch nach wie vor steigen in vielen Ländern die Entwaldungsraten und die Waldzerstörung (Degradierung) schreitet schleichend in vielen Tropen- und Regenwäldern voran. Die brasilianische Regierung hat daher die Idee, einen Tropenwald-Fonds einzurichten, der Tropenwaldländer dafür belohnt, wenn sie ihre Entwaldungszahlen reduzieren. Dieser Fonds mit dem etwas sperrigen Namen TFFF (Tropical Forests Forever Facility) soll auf der COP30 ins Leben gerufen werden.
Was ist Was? Entwaldung versus Waldzerstörung
Als Entwaldung gilt die komplette Zerstörung von Waldfläche für eine anderen Nutzung. Waldzerstörung (Degradierung) funktioniert aber auch durch schleichenden Holzeinschlag, Straßenbau, die Umwandlung von natürlichen Wäldern in Baumplantagen oder Minentätigkeiten, die nicht als Entwaldung gelten. Sie werden im Gegensatz zur Deforestation als Forest Degradation bezeichnet.
Was ist der TFFF Tropenwald-Fonds?
So funktioniert’s: Der Fonds investiert Geld, erwirtschaftet damit Gewinne – und Teile dieser Gewinne sollen beim TFFF genutzt werden, um im besten Fall Tropenwälder zu schützen. Tropenwaldländer mit reduzierten Entwaldungsraten bekommen regelmäßig Geld. Wer Wälder umwandelt, zum Beispiel in Agrarflächen, bekommt nichts – oder muss Gelder sogar zurückzahlen. So entsteht ein Anreiz, Wälder stehen zu lassen, statt sie für kurzfristigen Profit komplett zu vernichten. Wie sehr Holzeinschlag und forstwirtschaftliche Aktivitäten in nicht komplett entwaldeten Waldflächen weiter toleriert werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Und woher kommt das Startgeld? Brasilien plant ein Gesamtvolumen von 125 Milliarden Dollar. Reiche Industrieländer wie Deutschland und große Stiftungen sollen zunächst 25 Milliarden Dollar als Sicherheiten garantieren und investieren. Dieses Startkapital soll dann weitere Investoren anlocken. Alle bekommen ihr Geld später mit Zinsen zurück – so wie bei einer sicheren Geldanlage. Das Geld soll in so genannte Green-Bonds in Entwicklungsländern angelegt werden. Wie strikt die Anlagekriterien aber den Klima und Naturschutz gewährleisten bleibt abzuwarten. Mit den Gewinnen aus diesen Investitionen werden dann Tropenwaldländer belohnt, die die Entwaldungszahlen reduzieren. Eine Win-Win-Situation?
Nun, das kommt darauf an, wo das Geld am Ende landet. Dinamam Tuxá, Anführer der indigenen Tuxá aus Brasilien, arbeitet mit Greenpeace zusammen. Unsere gemeinsame Mission: Sollte der Fonds Realität werden, muss dafür gesorgt sein, dass das Geld nicht nur an die Landesregierungen ausgezahlt wird.
„Um die tropischen Wälder – und damit unser aller Zukunft – zu schützen, brauchen wir eine Klimafinanzierung, die Indigene direkt erreicht. Nicht über bürokratische Umwege, sondern auf Wegen, die unsere Rechte achten, unsere Selbstverwaltung stärken und unsere Beiträge anerkennen. Waldschutz erfordert faire und transparente Finanzierung – nur wenn Mittel gerecht und gemeinsam mit Indigenen verwaltet werden, können wir den Wald auch für kommende Generationen bewahren.
„Richtig umgesetzt kann der Tropenwald-Fonds eine Lösung werden, die viele positive Auswirkungen mit sich bringt” ergänzt Greenpeace Politik-Experte Jannes Stoppel. “Das bisherige Design erkennt zumindest in Teilen an, dass Indigene und lokale Gemeinschaften durch ihre Lebensweise unsere Wälder schützen – und damit auch das globale Klima und unser Leben in Europa. Dieser Fonds ist keine Klimafinanzierung oder Entwicklungshilfe, sondern schafft ein potenzielles Einkommen für eine essenzielle Arbeit – den internationalen Tropenwaldschutz – und generiert im besten Fall Investition in grüne Transformation Sektoren und somit in unsere gemeinsame Zukunft.“
Ein fairer, effizienter Tropenwald-Fonds
Aber wie stellen wir sicher, dass nicht nur das Geld bei den Menschen vor Ort ankommt und nicht in den Mühlen der Bürokratie versickert oder Korruption zum Opfer fällt, sondern auch der Schutz besonders intakter Waldgebiete gesichert wird?
“Die neue Bundesregierung muss sich für ein möglichst glaubwürdiges Finanzierungsinstrument einsetzen. Bisher liegen dafür noch zu viele Stolpersteine im bisherigen Design des Regenwald-Fonds im Weg. Er muss eine bindende und glaubwürdige Initiative für den Schutz besonders schützenswerter Waldgebiete werden und darf nicht als Förderinstrument für die Forstwirtschaft verkommen”, sagt Stoppel.
Auf der Weltklimakonferenz COP30, die diesen November in Brasilien im Amazonas- Regenwald stattfindet, wird der Tropenwald-Fonds wahrscheinlich eröffnet – hoffentlich mit den richtigen Voraussetzungen, um als innovative und glaubwürdige Finanzierungslösung für den internationalen Waldschutz Bestand zu haben.
Um seine Glaubwürdigkeit zu sichern und sein Potenzial als innovatives Waldschutz-Instrument zu entfalten, muss der Fonds unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Direkter Zugang für Indigene: Mindestens 20 Prozent des Geldes sollte direkt an Indigene und lokale Gemeinden gezahlt werden. Ein gutes Beispiel, wie diese direkten Geldbezüge verwaltet werden könnten, bietet zum Beispiel der Podaali Fonds. Auch die Arbeit der Tenure Facility ist hier als gutes Beispiel zu nennen.
- Besonderer Status für intakte Wälder und schützenswerte Waldökosysteme: So kann ein klarer Anreiz entstehen, diese Wälder auch wirklich zu schützen und nicht nur Entwaldungsraten auf dem Papier zu reduzieren.
- Monitoring der Waldzerstörung: Es muss transparent überprüft werden können, dass die Wälder tatsächlich nicht zerstört oder degradiert, also beispielsweise in Plantagen umgewandelt werden. Hierfür braucht es eine möglichst genaue Vorraussetzungen für das Satelliten-Monitoring, die auch mit der Zeit verbessert werden müssen.
- TFFF-Gelder und Investitionen müssen dem Klima- und Naturschutz dienen: Umweltzerstörende Bereiche wie industrielle Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Biomasseproduktion sind von der Förderung auszuschließen.
Der Greenpeace “Wald-Aktionsplan”
Der Tropenwald-Fonds ist Teil des “Wald-Aktionsplans”, den Greenpeace zu Beginn der Bonner Klimakonferenz veröffentlicht. Der Tropenwald-Fond ist Teil der sogenannten Aktion-Agenda der brasilianischen Präsidentschaft. Sie beinhaltet freiwillige Initiativen, die aber nicht durch die UN-Verhandlungen gemeinsam beschlossen werden. Greenpeace fordert über den TFFF hinaus ein konkrete COP30-Entscheidung für einen Waldaktionsplan der von der Weltgemeinschaft gemeinsam beschlossen wird, um die Waldzerstörung bis 2030 zu stoppen. Die Entscheidungsvorlage für die COP30 enthält Empfehlungen, wie sich Länder besser darin unterstützen lassen, ihre Ziele zum Stopp und zur Umkehr von Entwaldung bis 2030 umzusetzen. Dazu gehören der Schutz der Landrechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften, Reformen im Finanzsystem und mehr Geld für den Erhalt von Wäldern. Auch der Einfluss von Landwirtschaft und Handel auf die Entwaldung soll verringert werden.
„Klimaschutz ist nur mit Waldschutz möglich – und den haben die Regierungen in den letzten Jahren zu stark vernachlässigt. Was bisher fehlt, ist ein klarer UNFCCC-Plan, wie ein Ende der Entwaldung bis 2030 erreicht werden kann. Während Regierungen wie die von Donald Trump den Umwelt- und Klimaschutz zurückdrehen, kann die neue Bundesregierung zu einem wichtigen Gegenpol für die internationale Zusammenarbeit werden.”