
Erfolg: UN einigt sich auf globalen Ozeanvertrag
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Historischer Erfolg: Nach fast 20 Jahren und zähen Verhandlungsrunden hat sich die UN auf ein internationales Meeresschutzabkommen geeinigt.
Der 4. März 2023 ist ein historisches Datum! Um 22 Uhr Ortszeit haben sich die Delegierten in New York nach einem mehrtägigen Verhandlungsmarathon endlich auf einen Text des globalen Hochseeschutzabkommens geeinigt. Greenpeace hat diesen Prozess seit zwei Jahrzehnten begleitet. Die Organisation war bei allen Verhandlungsrunden (IGC) mit Beobachter:innen und Aktivitäten vor Ort in New York, aber auch unter Beteiligung aller Greenpeace Büros weltweit aktiv. Die Freude, dass diese Arbeit letztlich zu einem Erfolg beigetragen hat, ist riesig. Jetzt geht es an die Umsetzung, um das von der Weltnaturkonferenz in Montreal im Dezember 2022 festgelegte Ziel, 30 Prozent der Meere bis 2030 unter wirksamen Schutz zu stellen, zu erreichen.
Es drohte zu einer unendlichen Geschichte zu werden: Seit Jahren versuchen Teilnehmende in immer neuen Verhandlungen ein UN-Hochseeschutzabkommen (BBNJ) zum Abschluss zu bringen. Doch nun ist es geschafft: Die fortgesetzte fünfte Verhandlungsrunde (IGC-5.2) endete am 4. März 2023 endlich mit einem positiven Ergebnis, nachdem der erste Teil der fünften Konferenz im August vergangenen Jahres erneut gescheitert war.
Das Abkommen schafft die Voraussetzung für Schutzgebiete außerhalb der nationalen Gewässer, um die Artenvielfalt der Hochsee zu schützen und der Klimakrise entgegenzuwirken. Ohne ein globales Meeresschutzabkommen ist es kaum möglich, das im Dezember 2022 von der Weltnaturkonferenz in Montreal festgelegte 30x30 Ziel zu erreichen: eine internationale Vereinbarung, um bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen.
Greenpeace setzt sich bereits seit vielen Jahren für eine weltweite Regelung zum Schutz der Hohen See ein. Internationale Greenpeace-Delegationen, unter anderem mit Aktivist:innen aus dem Globalen Süden, waren bei den Verhandlungen vertreten.

„Dies ist ein historischer Erfolg für unsere Meere. Ab sofort heißt es für die internationale Staatengemeinschaft: Ärmel hochkrempeln und mit konkreten Maßnahmen das Leben im Meer vor weiterer Zerstörung bewahren. Auch für Deutschland beginnt jetzt die eigentliche Arbeit. Die Bundesregierung muss nun zusammen mit anderen Ländern zügig die Umsetzung echter Schutzgebiete vorantreiben: frei von industrieller Nutzung, frei von jedem menschlichen Eingriff. Der nächste Schritt sollte nun ein Stopp der Pläne zur Ausbeutung von Rohstoffen der Tiefsee sein.”
Neuer Ozeanvertrag: Wichtige inhaltliche Fortschritte für den Meeresschutz

© Wolfram Kastl / Greenpeace
Greenpeace-Projektion zur Konferenz
Seit ca. 20 Jahren wird ein internationales Abkommen gefordert, seit 2018 gab es bereits mehrere Verhandlungsrunden zum UN-Hochsee-Schutzabkommen. Die fünfte Internationale Staatenkonferenz (IGC5) wurde am 26. August 2022 unterbrochen und vom 20. Februar bis zum 4. März 2023 fortgesetzt. Zu Beginn der neuen Verhandlungsrunde hieß es, dass nur kleine Schritte zu einer Einigung fehlten. In den zwei Wochen intensiver Gespräche zeigten sich jedoch weiterhin starke Meinungsverschiedenheiten, die zum Ende der Konferenz in einem 48-stündigen Verhandlungsmarathon endlich geklärt werden konnten. “Der 4. März 2023 ist ein historisches Datum”, sagt Greenpeace-Meeresexperte Till Seidensticker. Er sieht in dem Abkommen ein großes Versprechen, das nun so schnell wie möglich mit Taten eingelöst werden muss.
Das schwierigste Thema bleibt die Aufteilung möglicher Gewinne durch genetische Ressourcen aus internationalen Gewässern, die für die Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie von Interesse sind. Nur reiche Nationen oder große Unternehmen können sich die Erforschung und Gewinnung solcher Ressourcen leisten. Ärmere Länder wollen aber an den möglichen Einnahmen angemessen und gerecht beteiligt werden.
Der Vertragstext muss jetzt juristisch geprüft und dann von den einzelnen Staaten ratifiziert werden, bevor alle Details bekannt werden. Beobachter:innen verschiedener Greenpeace-Büros, die in New York präsent waren, erfuhren dies zu den Inhalten:
-‘Schutzgebiete’ sind nun grundsätzlich möglich. Jetzt geht es um Einigung, wo und wie diese Schutzgebiete entstehen sollen. Das Abkommen legt fest, dass kein Staat ein Vetorecht erhält, sondern es gibt eine Mehrheitsregelung. Ein wichtiger Erfolg, da die in der Vergangenheit immer wieder von Einzelstaaten gezeigte Blockadehaltung nicht mehr möglich sein wird. Nach wie vor ist die Rolle Chinas oder Russlands unklar, sie werden das Abkommen nun aber nicht lahmlegen können.
-Zu den wichtigen Umweltverträglichkeitsprüfungen zementiert der Text hingegen nur den Status Quo. Er weist noch große Lücken auf, die gefüllt werden müssen. Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen gewährleisten und regeln, dass multiple menschliche Eingriffe außerhalb der 30 Prozent unter Schutz gestellten Meeresgebiete nicht zu multiplen Problemen führen. Greenpeace appelliert daher an die zuständigen Gremien, ihre Sache ernst zu nehmen.
Globaler Weltozeanvertrag dringend notwendig
Die Weltmeere machen rund 73 Prozent des Planeten aus, sie produzieren Sauerstoff, bieten Lebensräume und Nahrung und regulieren das Klima. Doch Ausbeutung und die Klimakrise haben sie bereits massiv verändert, weshalb der nun vorliegende Weltozeanvertrag so dringend nötig ist. Das weltweite Abkommen soll ähnlich wie der Pariser Klimaschutzvertrag für alle Staaten gelten, um die Klimakrise einzudämmen und Ökosysteme sowie die Biodiversität unter Wasser zu schützen.
Das UN-Meeresschutzabkommen ist von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Meere, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen (BBNJ). Denn: Rechtlich gesehen hat auf einen großen Teil der Weltmeere niemand Anspruch – nur im küstennahen Teil des Meeres, das heißt, bis zu 200 Seemeilen vom Land entfernt, hat der angrenzende Staat gewisse Hoheitsrechte. Hinter dieser sogenannten „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ beginnt die Hohe See. Sie umfasst zwei Drittel der gesamten Ozeane und gehört niemandem – und damit letztlich allen.
Das ist ein Problem, aber auch eine Verpflichtung. Wenn in Hochseegebieten, dem größten und tiefsten Lebensraum der Erde, die Industrie nicht ungehindert Lebewesen und Bodenschätze ausbeuten soll, braucht es viele Schutzzonen fernab der Küsten. Bislang ist lediglich ein Hundertstel der Hohen See auf diese Weise geschützt.
Ozeane unter Stress

© Alex Westover
Pottwale aus nächster Nähe unter Wasser im Indischen Ozean, Westaustralien
Tatsächlich ist der Meeresgrund weniger erforscht als die Mondoberfläche. Die Ozeane außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete sind riesig und wimmeln vor Leben: von winzigem Plankton hin zu majestätischen Buckelwalen; hier leben Schildkröten, Haie und Delfine, Korallenriffe bieten Lebensräume am Boden des Ozeans. Dieses Leben gilt es zu schützen – und unser eigenes. Winzige Algen und Bakterien im Meer produzieren rund 50 Prozent des Sauerstoffs in der Atmosphäre – mit jedem zweiten Luftholen atmen wir ein, was die Ozeane produzieren. Umso wichtiger ist es sicherzustellen, dass die Weltmeere ein gesundes Ökosystem bilden.
Dafür müssen aber umgehend Maßnahmen in Kraft treten. Die Ozeane sind bereits schwer angeschlagen, durch Plünderung und Verschmutzung durch den Menschen; Kohlenstoffdioxid, das aus der Atmosphäre aufgenommen wird, versauert die Meere. Mindestens ein Drittel der Weltmeere soll geschützt werden, um Schlimmeres zu verhindern. „Nur so können sich Flora und Fauna erholen und ganze Ökosysteme in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die Klimakrisegestärkt werden“, sagt Seidensticker von Greenpeace. Was die Erderhitzung mit dem empfindlichen Lebensraum Meer anstellt, ist dabei nicht restlos geklärt – aber steigende Temperaturen sind für die Ozeane gewiss schlechte Nachrichten: „Was es letztlich bedeutet, wenn beispielsweise an den Polkappen Eisschilde aus Süßwasser schmelzen, Kaltwassermassen nicht mehr richtig absinken können, und sich so die globalen Meeresströmungen verändern, können wir nur erahnen.“