Jetzt spenden
Protest beim Treffen der EU-Fischereiminister in Brüssel mit einer Schiffsattrappe, Dezember 2010.
Eric De Mildt / Greenpeace

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Online Redaktion: Um welche Fischarten geht es bei den Quotenverhandlungen in Brüssel und was bedeuten die Verhandlungen für die Fischarten in Nord- und Ostsee?

Thilo Maack: Die Fischereiminister entscheiden über sämtliche kommerziell wichtigen Fischbestände in den EU-Meeren. Dazu gehören Hering und Kabeljau genauso wie Scholle, Seelachs und Schellfisch. Die EU-Kommission schätzt, dass schon jetzt fast 90 Prozent der Speisefischbestände überfischt sind.Gerade die bei uns in Deutschland so beliebten Kutter-Schollen oder der Nordseekabeljau gehören zu den stark überfischten Beständen.

Die Regierungsvertreter sprechen gerne von nachhaltiger Nutzung und einem schonenden Umgang mit der Natur sprechen. Trotzdem kann man wieder von Fangquotenentscheidungen ausgehen, die weit über dem liegen, was die Wissenschaftler für vertretbar halten. Das ist vor allen Dingen jetzt, wo die Fischereipolitik radikal geändert werden soll, ein falsches Signal.

Online Redaktion: Welche Lösungen für die Fischereikrise schlägt Greenpeace vor?

Thilo Maack: Die europäische Fangflotte ist viel zu groß und muss um mindestens die Hälfte verkleinert werden. Die Reform der gemeinsamen Fischereipolitik bietet für einen solch drastischen Schritt eine Möglichkeit. Es klingt absurd, aber Länder wie Spanien oder Frankreich, deren Fischereiflotten zu den größten Europas gehören, bekommen immer noch EU-Gelder für den Neubau von Fangschiffen.

Die spanische Fischereiindustrie bekam in den Jahren 2000 bis 2006 mehr als die Hälfte der gesamten EU-Fischereisubventionen, insgesamt waren das 1,6 Milliarden Euro. Rechnet man die 630 Millionen Euro dazu, die noch aus nationalen Fördertöpfen dazu kamen, waren das 27.000 Euro für jeden einzelnen spanischen Fischer pro Jahr. Das kann nicht richtig sein. Vor allen Dingen weil im gleichen Zeitraum die deutsche Flotte gesundgeschrumpft wurde.

Online Redaktion: Die meisten deutschen Nordseefischer verdienen ihr Geld mit dem Fang von Speisekrabben. Sind sie auch von den Quotenverhandlungen betroffen?

Thilo Maack: Nur indirekt über die Quoten für Kabeljau, Scholle und Co, für die Nordseekrabben gibt es keine EU-Fangquoten, die setzen sich die Krabbenfischer selbst. Dabei regelt vor allen Dingen der Kilopreis die Fangmenge. Ein Problem der Krabbenfischerei sind die Beifänge, also der Fang von Nichtzielarten, die aussortiert werden und dann wieder über Bord gehen. Auf diese Art und Weise werden für ein Kilogramm Krabben bis zu acht Kilogramm andere Meerestiere mitgefangen.

Online Redaktion: Wie reagieren die Fischer auf die Greenpeace-Forderungen?

Thilo Maack: Teilweise sehen sie das Problem, teilweise verdrängen sie es. Letztendlich müssen sie uns aber recht geben. Die Fischer werden ja auch dann arbeitslos, wenn es bei der momentanen Situation bleibt. Irgendwann sind die Fischbestände so klein, dass sich die Fischerei wirtschaftlich nicht mehr rechnet. Die Zahlen der in der EU verantwortlichen Fischereikommission sprechen eine deutliche Sprache. Die haben sich die Zahlen ja nicht ausgedacht, sondern sie basieren auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Erhebungen.

Es muss eine radikale Reform her. In der Folge könnten die Fischereisubventionen umgewidmet werden in Umschulungsprogramme oder Überbrückungsgelder. Gleichzeitig müsste man Jobs schaffen, zum Beispiel im Meeresnaturschutz.

Online Redaktion: Bis Januar 2013 soll die Fischereipolitik der EU reformiert werden. Gibt es schon Hinweise darauf, wie diese Reform aussehen wird?

Thilo Maack: Die spanische Regierung beispielsweise wird alles tun, damit die Situation so bleibt wie sie ist. Allerdings gibt es positive Signale anderer einflussreicher Nationen, unter anderem aus Deutschland. Die Bundesregierung will sich für die Lösung des Beifangproblems - derzeit allein in der Nordsee über eine Million Tonnen jährlich! - einsetzen und für den Abbau der Fangflotten. Wenn außerdem noch großflächige Meeresschutzgebiete hinzukommen und die Einhaltung der Fischereigesetze wesentlich schärfer als derzeit üblich kontrolliert wird, sind wir auf dem richtigen Weg. Nur so hat die europäische Fischerei eine Zukunft.

Online Redaktion: Wie können wir als Konsumenten Einfluss auf die Fischereipolitik nehmen?

Thilo Maack: Mit Politik an der Ladentheke. Den besten Weg dafür bietet der Greenpeace-Einkaufsratgeber "Fisch - beliebt aber bedroht". Dort wird eine Verkaufsempfehlung für die beliebtesten Speisefischarten gegeben, indem die Bestandssituation und die Fangmethode bewertet wird.

Zum Weiterlesen:

Mit Schweißbrennern gegen die Überfischung der Meere
Rettet den König der Meere!

  • Greenpeace-Aktivisten wracken in Brüssel eine Schiffsattrappe ab, Dezember 2010

    Nachgebildeter Trawler

    Überspringe die Bildergalerie
  • Greenpeace-Aktivisten bringen Banner "Stoppt die Überfischung" am riesigen Trawler Modell an, Dezember 2010

    Abwrackaktion

    Überspringe die Bildergalerie
  • Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner vor der Schiffsattrappe in Brüssel, Dezember 2010

    Abwrackaktion

    Überspringe die Bildergalerie
  • Greenpeace-Meerebiologe Thilo Maack

    Thilo Maack

    Überspringe die Bildergalerie
Ende der Gallerie
Kurzinfo Überfischung

Kurzinfo Überfischung

Anzahl Seiten: 4

Dateigröße: 493.92 KB

Herunterladen

Mehr zum Thema

Atlantic cod in North and Baltic Sea Protected Areas

EU genehmigt bedrohliche Ostsee-Fangquoten 2026

Fischfangquoten sollen helfen, das Gleichgewicht im Meer zu bewahren, doch politischer Druck und wirtschaftliche Interessen führen zu überhöhten Quoten – mit fatalen Folgen für das fragile Ökosystem.

mehr erfahren über EU genehmigt bedrohliche Ostsee-Fangquoten 2026
Norwegian whaler

10 Fakten zu norwegischem Walfang

Zehn Fragen und Antworten zum norwegischen Walfang.

mehr erfahren über 10 Fakten zu norwegischem Walfang
Der deutsche Supertrawler "Maartje Theadora" fischt vor der mauretanischen Küste

Riesentrawler leert die Meere

Die Maartje Theadora, Europas größter Fischtrawler, wurde 2012 wegen illegaler Fischerei festgesetzt. Heute fischt sie unter deutscher Flagge weiter – mit verheerenden Folgen.

mehr erfahren über Riesentrawler leert die Meere
Finnwal im Mittelmeer

Unbarmherziger Walfang

1982 beschloss die Internationale Walfangkommission IWC weltweit kommerziellen Walfang zu verbieten. Doch noch immer erkennen nicht alle Länder dieses Verbot an. Immerhin gab es nun einen Teilerfolg.

mehr erfahren über Unbarmherziger Walfang
Fischerei mit Schleppnetzen und Grundschleppnetzen

Welche Fangmethoden gibt es?

Die Meere sind fast leergefischt. Zahlreiche Fischbestände stehen vor dem Zusammenbruch. Doch die Jagd geht weiter. Mit gigantischem Aufwand dringen Fangflotten in immer entferntere Gebiete vor.

mehr erfahren über Welche Fangmethoden gibt es?
fishery sea bass

Überfischung und ihre Folgen

Unser Verlangen nach Fisch übersteigt die Belastungsgrenzen des marinen Ökosystems bei weitem. Die Überfischung der Meere stellt damit eine große Bedrohung für die Meeresumwelt dar.

mehr erfahren über Überfischung und ihre Folgen