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Über 100 Greenpeace-Aktivisten mauern die Türen des Europäischen Patentamtes (EPA) symbolisch mit Eisblöcken, in die Babypuppen eingefroren sind, und Steinen zu. Sie protestieren gegen ein Patent auf menschliches Leben (EP 1121015).
Thomas Einberger/argum/Greenpeace

Krebskranke Affen und leuchtende Embryonen - erteilte Patente 2005 & 2006

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In den Jahren 2005 und 2006 hat das Europäische Patentamt nach Recherchen von Greenpeace 472 Patente auf menschliche Gene, 117 Patente auf Tiere und 241 Patente auf Pflanzen erteilt.

Greenpeace hat mehrfach durch Einsprüche am Europäischen Patentamt und jüngst auch am Deutschen Patentgericht erwirkt, dass Patente auf Leben korrigiert oder widerrufen wurden. Die fortwährende Patenterteilung zeigt jedoch, wie problematisch sich die unklare Gesetzeslage in Kombination mit der Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes (EPAt) auswirkt.

Patente auf Leben 2005/2006

  • Auch 2005 und 2006 wurden umfassende Patente auf menschliche Gene erteilt, die viele biologische Funktionen erfassen.
  • Bei Patenterteilungen auf Tiere achtete das EPAt nicht immer auf die Abgrenzung gegenüber Ansprüchen auf Menschen, wie es patentrechtlich notwendig ist.
  • Trotz ausdrücklichen Verbotes wurden in mehreren Fällen Patente auf normale Verfahren zur Züchtung von Pflanzen erteilt.
  • Ethisch besonders fragwürdig ist ein Patent auf Schimpansen, die gentechnisch so manipuliert werden, dass sie an Krebs erkranken müssen.

Die von Greenpeace jetzt aufgedeckten Fälle zeigen, dass das Europäische Patentamt in vielen Fällen Patente erteilt, die zum Teil zwar rechtlich zulässig, aber ethisch und wissenschaftlich nicht vertretbar sind. In anderen Fällen werden die gesetzlichen Grenzen bei der Patenterteilung schlichtweg ignoriert.

Vier Beispiele für besonders umstrittene Patente, die im Jahre 2006 erteilt wurden

1. Schimpanse mit Krebsgenen

Am 30. August 2006 erhielten Forscher aus Belgien und Deutschland ein Patent auf mehrere Gen-Sequenzen des Menschen (EP 811061). Die Gene sollen unter anderem Gebärmutter-, Brust-, Speicheldrüsen-, Knochen-, Haut-, und Blutkrebs auslösen. Sie wurden aus menschlichem Tumorgewebe isoliert. Beansprucht werden die Gene zur Entwicklung von Diagnose und Therapie.

Ethisch besonders bedenklich ist, dass die Forscher auch die Genmanipulaton von Menschenaffen wie Schimpansen als patentgeschütztes Produkt reklamieren (Anspruch Nr. 25 der Patentschrift). Die Affen sollen also nicht nur zu Forschunsgszwecken mit Krebesgenen manipuliert werden, sondern werden selbst (neben weiteren beanspruchten Tieren wie Hunden, Ratten und Mäusen) durch das Patent zur so genannten nutzbaren Erfindung der Forscher.

Der Fall erinnert an die so genannte Krebsmaus, das erste europäische Patent, das 1992 auf Säugetiere erteilt wurde. Das Patent war damals zunächst so abgefasst, dass es alle Säugetiere mit bestimmten Krebsgenen umfasste. In einem Verfahren, das sich über mehr als 10 Jahre hinzog, wurde das Patent aus ethischen Gründen im Jahr 2004 auf Mäuse eingeschränkt. Das jetzt erteilte Patent bestätigt die Befürchtung, dass die Patentierung von Säugetieren zu ethisch besonders fragwürdigen Fällen führen wird. Greenpeace fordert deswegen ein grundsätzliches Verbot der Patentierung von Tieren. Inzwischen haben Konzerne wie der US-Agrarmulti Monsanto sogar Patente auf ganz normale landwirtschaftliche Nutztiere angemeldet. Greenpeace wird gegen das Patent auf Krebs-Affen Einspruch einlegen.

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2. Normale Sonnenblumen als Erfindung eines US-Konzerns

Die US-Firma Pioneer, weltweit eine der größten Saatzuchtfirmen, erhielt am 4. Oktober 2006 ein Patent auf Sonnenblumen (EP 1465475), die eine Resistenz gegen bestimmte Wurzelparasiten haben. Die Pflanzen wurden bei Feldforschungen in der Türkei und Ägypten entdeckt. Sie sind weder gentechnisch verändert, noch mit speziellen züchterischen Methoden bearbeitet.

Beansprucht werden die Züchtung der Pflanzen, die Pflanzen selbst, das Saatgut, die Verwertung der Ernte für die Herstellung von Öl oder zur Verfütterung an Tiere. Das Patent ist ein glatter Bruch der geltenden Bestimmungen, die Patente auf im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen verbietet. Greenpeace wird deswegen gegen das Patent Einspruch enlegen.

3. Patent auf Bakterien, Pflanzen und Tiere mit Leuchtgenen, auch der Mensch ist nicht ausgeschlossen

Das Patent EP 1265990 (erteilt am 8. März 2006 für die US-Firma Prolume) umfasst die gesamte belebte Natur von Orchideen bis hin zu Hühnern, die leuchtende Eier legen sollen. In Anspruch 76 werden bespielsweise genannt: Transgenes Tier oder transgene Pflanze [...]ausgewählt aus Fischen, Würmern, Affen, Nagern, Ziegen, Schweinen, Kühen, Schafen, Pferden, Blütenpflanzen, Zierpflanzen.

Die patentierten Kreaturen werden mit Leuchtgenen aus Quallen manipuliert, sogar Primaten werden genannt. Ein großer Teil des Patentes dient dabei nicht wissenschaftlichen oder medizinischen Zwecken, sondern zur Herstellung von Fun-Artikeln, wie zum Beispiel Kinderspielzeug mit Leuchtfunktionen.

Spielzeug, Wasserspiele, Körperpflegegegenstände, Zauberstaub, Nahrungsmittel, Textilien und Papierprodukte werden ebenso ausdrücklich beansprucht wie Spielzeugpistolen, Farbkugelpistolen, Grußkarten, Fingerfarben, Fußsäcke, glibberiges Spielmaterial, Bekleidung, blasenbildendes Spielzeug und Blasen dafür, Ballons, Badepulvern, Körperlotionen, Körperpulver, Körpercremes, Zahnpasten, Mundwässer, Seifen, Körperfarben, Schaumbad, Brettspielspielzeug, Köder für das Fischen, eierförmiges Spielzeug, Spielzeugzigaretten, Puppen, Wunderkerzen, Zauberstabspielzeug, Einwickelpapier, Gelatine, Kuchenglasur, Zuckerguss, Zauberstaub, Bier, transgene Zierpflanzen, Wein, alkoholfreie Getränke, Eiswürfel, Eis, Körperfarben und Schaumbad.

Menschen werden aus den Patentansprüchen nicht ausgeschlossen. Patentrechtlich kann der Mensch unter die im Patent gebrauchte Kategorie animal subsumiert werden. Eine Anwendung auf zu Forschungszwecken klonierte menschliche Embryonen ist denkbar.

Zudem wird in einem der Ansprüche ausdrücklich erwähnt, dass das verwendete Gen an den Gebrauch in menschlichen Zellen optimiert werden solle. Ohne eine eindeutige Abgrenzung zum Menschen muss das Patent als rechtswidrig erteilt angesehen werden. Auch Patente auf genmanipulierte Tiere wie Hühner und Kühe ohne medizinischen Nutzen sind nicht zulässig. Die Einspruchsfrist ist bereits verstrichen.

4. Patent auf menschliches Gen (Wingless gene)

Wingless gene wird ein Gen in Expertenkreisen genannt, dessen Name auf seine Funktion bei Fruchtfliegen zurückgeht. Am 8. März 2006 wurde für die Firma Merck das Gen mit diesem Namen beim Menschen patentiert (EP1278770). Allerdings kommen dem Gen beim Menschen eine ungeheure Fülle von möglichen Anwendungen zu.

Im Patent erwähnt werden unter anderem: Asthma, Alzheimer, Krebs, Herzmuskelerkrankungen, Depression, Schizophrenie, psychische Krankheiten, Ischämie, Schlaganfall, Wundheilung, Nierenkrankheiten, Lungenkrankheiten, Gewebe-Erneuerung und Stammzelltherapien.

Genutzt werden soll das Patent zur Entwicklung von Arzneimitteln, neuen Diagnose- und Therapieverfahren. Empirische Untersuchungen zeigen aber, dass durch derartig breite Patentvergaben die Forschung in der Regel eher behindert wird, mit negativen Folgen für Ärzte und Patienten.

Zuletzt hatte das Europäische Parlament deswegen im Oktober 2005 eine klare Begrenzung der Reichweite derartiger Patente gefordert. Greenpeace fordert ebenso wie die Bundesärztekammer ein gesetzliche Verbot der Patentierung von Genen. Etwa 60 Prozent der menschlichen Gene hat eine Vielzahl von möglichen Funktionen. Die Einspruchsfrist ist bereits verstrichen.

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