
Verlust bei Greenpeace International durch Währungsabsicherungen
- Ein Artikel von Thomas Breuer
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Die Berichte über Verluste bei Greenpeace International haben Fragen offen gelassen, zu Verwirrungen geführt und zum Teil falsche Informationen in die Welt gesetzt. Der ehemalige Finanzanalyst Thomas Breuer hat sich jahrelang mit den Finanzmärkten auseinandergesetzt und erläutert, wie es zu dem Defizit kommen konnte.
Greenpeace ist eine internationale Kampagnenorganisation mit weltweit 40 Länder- und Regionalbüros. Wie jede Organisation, die in verschiedenen Währungsräumen operiert, muss deshalb auch Greenpeace mit schwankenden Wechselkursen umgehen. Diese Aufgabe und das damit verbundene Risiko werden zentral von Greenpeace International (GPI) in Amsterdam übernommen.
Das Budget von GPI – im vergangenen Jahr (2013) waren es 79 Millionen Euro - wird zum Teil durch Spenden, hauptsächlich aber durch die Beiträge schon länger bestehender Büros finanziert, die sich wiederum aus Spenden finanzieren. Kommen diese Beiträge von Büros außerhalb des Euroraums, muss das Geld in Euro umgetauscht werden. Hierbei besteht ein Wechselkursrisiko, also die Möglichkeit, dass das Geld zum Zeitpunkt der Überweisung weniger wert ist, als zum Zeitpunkt der Planung. Sagt zum Beispiel Greenpeace Großbritannien einen Beitrag an GPI in Höhe von 100.000 Pfund zu, weiß GPI nicht, welchen Wert dieser Betrag am Tag der Überweisung in Euro haben wird. Gleichzeitig unterstützt GPI im Aufbau begriffene Greenpeace-Büros finanziell, damit diese ihre Arbeit finanzieren können. Während GPI in Euro rechnet, die nationalen und regionalen Büros aber in ihren jeweiligen Landeswährungen, besteht hier ebenfalls ein Währungsrisiko. Greenpeace Indien weiß nicht, wie viel Rupien der Anfang des Jahres zugesagte Euro-Betrag am Tag der Überweisung entsprechen wird. Diese Wechselkursschwankungen können für kleinere Büros existenziell werden. Deshalb hat GPI das gesamte Währungsrisiko übernommen.
Was im Jahr 2013 anders lief
In den Jahren zuvor hat Greenpeace International Devisen für andere Länderbüros dann gekauft, wenn sie benötigt wurden. Stieg der Eurokurs in der Zeit bis zum Währungstausch, konnte mit weniger Euro als geplant, die geplante Summe an Devisen - zum Beispiel japanische Yen - gekauft werden. Das Resultat war, dass Greenpeace International weniger Euro als geplant ausgegeben hat und dadurch einen Überschuss hatte. Sank hingegen der Kurs des Euro bis zum Umtausch, mussten entsprechend mehr Euros für die geplante Summe in beispielsweise Yen ausgegeben werden - es entstand ein Verlust.
Im vergangenen Jahr wollte sich GPI erstmals gegen die genannten Wechselkursrisiken absichern und schloss mit einem Finanzinstitut einen Vertrag über feste Wechselkurse ab. Solche Verträge heißen "forward contracts", zu Deutsch Geschäfte zur Währungskurssicherung. Sie sind ein Instrument, das von vielen Organisationen und Unternehmen genutzt wird, die internationale Zahlungen tätigen müssen.
Durch die Absicherung wollte Greenpeace International eine höhere Planungssicherheit erreichen, weil heute bekannt ist, wie viel Euro für einen bestimmten Währungsbetrag in der Zukunft ausgegeben werden müssen. Doch anders als erwartet stieg der Euro nach Abschluss im Wert gegenüber den meisten abgesicherten Währungen. Die Folge: Die eingetauschten Devisen - zu einem vorher festgelegten Kurs eingekauft - waren am Stichtag deutlich weniger wert. Entsprechend mussten sie auch mit einem niedrigeren Wert bilanziert werden. Es entstand ein Verlust in Höhe von voraussichtlich 3,8 Millionen Euro. Dabei sind 1,7 Millionen Euro Verluste 2013 fälligen Verträgen zuzurechnen und 2,1 Millionen Euro Verluste aus Abschreibungen zum 31.12.2013 auf Verträge, die 2014 fällig werden. (Update vom 8. Februar 2016: Der Verlust beläuft sich final, nach Jahresabschluss 2014, auf 3 Millionen Euro, nicht 3,8 Millionen.) Nach unseren bisherigen Erkenntnissen beläuft sich die Gesamtsumme der abgesicherten Währungsbeträge dabei auf circa 60 Millionen Euro. Derzeit läuft die jährliche Prüfung des Greenpeace International-Jahresberichts durch externe Wirtschaftsprüfer. Der entstandene Verlust soll in den kommenden Jahren von Greenpeace International ausgeglichen werden. Deutsche Spendengelder werden dazu nicht genutzt, dies ist schon steuerrechtlich nicht möglich.
Hier ein fiktives Beispiel, wie Verluste durch eine solche Währungsabsicherung zustande kommen können: Ein junges, noch im Aufbau begriffenes Greenpeace-Büro wie Greenpeace Afrika soll Geld von GPI erhalten. Es müssen Euro in Südafrikanische Rand (ZAR) eingetauscht werden. In der Finanzabteilung von Greenpeace International kommt man zu der Einschätzung, dass der momentane Eurokurs günstig ist und vereinbart mit einem Finanzdienstleister, zu diesem Wechselkurs auch noch Monate später Euro in ZAR eintauschen zu können. Die Absicht dahinter ist, kein Geld durch einen fallenden Euro zu verlieren. Steigt jedoch der Kurs des Euro entgegen der Erwartung, passiert genau das Gegenteil: Der Rand wird billiger, muss jedoch zum festgelegten ungünstigen Kurs abgenommen werden. Es entsteht ein Bilanzverlust.
Zusätzlich zu dieser Fehleinschätzung versagten im konkreten Fall auch interne Kontrollen. Solche Fehler müssen zukünftig verhindert werden. Das Kontrollgremium von Greenpeace International hat deshalb eine unabhängige Prüfung des Vorgangs eingeleitet.
Über den Autor: Thomas Breuer ist Diplom-Betriebswirt und Finanzanalyst. Er hat 15 Jahre im internationalen Finanzwesen gearbeitet. Er ist seit 10 Jahren bei Greenpeace Deutschland und leitet derzeit den Klima- und Energiebereich. Im März 2011 war er als einer der ersten mit einem internationalen Expertenteam in der Region um das havarierte Atomkraftwerk im japanischen Fukushima.