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Greenpeace-Meeresexperte Christian Bussau in Rettungsweste auf dem Meer vor Greenepace-Schiff Esperanza
© Marten van Dijl / Greenpeace

"Umweltschutz muss Spaß machen!"

Die neue Sky-Dokuserie "Inside Greenpeace" macht Umweltschutz erlebbar. Christian Bussau, seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen bei Greenpeace, über die Serie und Umweltschutz im Wandel.

Greenpeace: Lieber Christian, in der neuen Doku-Serie "Inside Greenpeace" sind spektakuläre Szenen aus der Vergangenheit ebenso wie die aktuelle Arbeit zu sehen, beispielsweise Messungen in Tschornobyl. Woran hängt Dein Herz mehr: Den Erfolgen von früher oder den aktuellen Projekten?

Christian Bussau: Die aktuellen Probleme sind gewaltig. Die letzten Urwälder werden rasend schnell abgeholzt, die Meere sind leergefischt und die Klimaerhitzung führt weltweit zu extremen Wetterereignissen. Wir müssen uns mit diesen aktuellen Problemen befassen und das zeigt die Serie. Unsere brasilianischen Kolleg:innen - in der Serie sieht man, wie Bianca Cavalcante da Silva arbeitet - kämpfen unter Lebensgefahr für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes, und Greenpeace-Meeresbiologe John Hocevar und ein internationales Meeresschutzteam kämpfen für den Schutz der Meere. Darum geht es in der Serie: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jetzt müssen wir handeln. Sonst ist es zu spät. Die Serie zeigt auch die Entwicklung, die Greenpeace genommen hat, Erfolge und Niederlagen. Die Erfolge der Vergangenheit sind wichtig und schön, aber ausruhen dürfen wir uns darauf nicht, es ist noch viel zu tun. 

Greenpeace: Hast du eine Lieblingsszene?

Christian Bussau: Ja, habe ich. Sie ist gleich am Anfang in Folge 1 zu sehen: Unsere ehemalige internationale Geschäftsführerin Jennifer Morgan kommt - extrem früh morgens - ins Aktionslager, um an einer Aktion teilzunehmen, und wird begrüßt mit den Worten:” Du siehst ja toll aus heute morgen.” Und Jennifer lacht. Diese Art von Humor liebe ich. Umweltschutz muss Spaß machen. Unseren Aktivist:innen und allen Menschen. Die Hintergründe der Aktion sind ja oft sehr bedrückend, aber deprimiert und passiv werden nützt nichts, nein, wir müssen aktiv und positiv handeln. Wenn Umweltschutz Spaß macht, können wir Menschen begeistern und dann machen sie mit und unterstützen unsere Kampagnen. Wer bei einer Aktion mitgemacht hat, wird immer erinnern, wie viel Spaß das macht. 

Inside Greenpeace - eine Dokuserie

Von Ende 2021 bis Ende 2022 hat ein Dokumentarfilmteam Greenpeace-Aktive aus aller Welt begleitet und gefilmt, um "Inside Greenpeace" zu drehen - fünf einstündige Episoden über Hoffnung in Aktion. Diese neue Serie gibt einen detaillierten Einblick in die Planung, Vorbereitung und Durchführung unserer Kampagnen und Aktionen und zeigt, wie wir daran arbeiten, Veränderungen auf der ganzen Welt zu bewirken. Hier geht es zur ersten Folge - kostenlos auf Youtube.

Greenpeace: Früher setzten die Aktivist:innen immer wieder ihre Gesundheit und Sicherheit aufs Spiel. Hast Du das auch mal getan?

Christian Bussau: Ich habe bei vielen Aktionen mitgemacht und manchmal ging es da schon recht ruppig zu. Greenpeace selbst ist zwar immer zu hundert Prozent friedlich und gewaltfrei, aber leider sind unsere Gegner das nicht immer. Aber das war für mich nie ein Problem, denn bei Aktionen ist der Adrenalinspiegel hoch, da verdrängt man viel, man will das Ziel erreichen und die Umwelt schützen, daran denkt man. Und die Sicherheit steht bei Greenpeace immer an erster Stelle. Wir tun alles, um Unfälle zu vermeiden, damit es nicht zu Gefährdungen von Menschen kommt. 

Greenpeace: Passiert das heute immer noch und wenn ja, wo?

Christian Bussau: Die Arbeit, die unsere brasilianischen Kolleg:innen täglich machen zum Schutz des Urwaldes, ist lebensgefährlich. In Folge 2 der Serie ist man hautnah dabei. Umweltschutzarbeit in Brasilien ist viel gefährlicher als in Europa. Ich habe höchsten Respekt vor der Arbeit, die Bianca und ihre Kolleg:innen im Amazonas machen. Solche Aktivist:innen machen Greenpeace stark. Mit ihrer Arbeit zeigen sie, wie viel erreichbar ist, wenn Menschen sich aktiv einsetzen zum Schutz der Lebensgrundlagen.

Greenpeace: Auch in anderen Ländern ist Umweltschutz deutlich schwieriger bis hin zu gefährlich. In Russland wurde gerade sogar das Greenpeace-Büro geschlossen. In der Serie kommt auch die Kampagne Arctic 30 vor, bei der Umweltschützende schon vor zehn Jahren in Russland im Gefängnis landeten ... 

Christian Bussau: Genau, das jährt sich jetzt. 2013 versuchten wir bei einer russischen Plattform in der Arktis für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Aber die Situation eskalierte. Russische Einsatzkräfte setzten Schusswaffen ein und nahmen uns gefangen. Wir hatten damals gar nicht erwartet, dass die russischen Behörden so brutal gegen uns vorgehen würden. Als dann unsere Aktivist:innen im Gefängnis saßen, erhielten wir jedoch weltweit Unterstützung für unserer Forderung, sie freizulassen. Aktive in Berlin haben damals sofort eine Mahnwache gestartet. Und sie hielten diese Mahnwache 71 Tage aufrecht, rund um die Uhr, bei Tag und Nacht, bei guten und richtig schlechtem Wetter, bis die Aktivist:innen in Russland frei kamen. Alle verschafften sich Zeit zu helfen; neben Schule, Studium, Arbeit. Diesen Zusammenhalt, daran denke ich gern zurück.

Canadian Activists Want 'Arctic 30' Home for the Holidays

2013 werden 28 Greenpeace-Aktivist:innen und zwei freie Journalisten für ihren friedlichen Protest gegen Ölbohrungen vor der Küste Russlands wochenlang inhaftiert. "Zu unrecht", urteilt die EU 2023.

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Greenpeace: Wie hat sich aus deiner Sicht die Umweltschutzarbeit im Laufe der Zeit geändert?

Christian Bussau: Früher waren die Umweltprobleme leichter sichtbar, die Umweltverbrechen traten deutlicher zutage. Heutzutage ist es nicht mehr so einfach, die großen Skandale zu entdecken. Wirtschaft, Industrie und Politik: Alle hängen sich ein grünes Mäntelchen um und reden über Klima- und Umweltschutz. Aber stimmt das, was sie sagen? Oder ist es nur Greenwashing? 

Die Zeiten haben sich auch an anderer Stelle geändert: Heute gibt es zahlreiche andere Umweltschutzorganisationen, ich denke an Fridays For Future, die Letzte Generation und Extinction Rebellion. Greenpeace ist nicht mehr alleine und das ist auch gut so, denn die heutigen Probleme sind so groß, die kann eine Organisation alleine nicht lösen. 

Und auch Greenpeace hat sich verändert: Früher war Greenpeace kleiner und - so kommt es mir vor - wir waren vielleicht etwas spontaner, schneller und kreativer. Heute sind wir eine große Organisation, und manchmal macht uns diese Größe vielleicht etwas schwerfällig. Aber wenn ich die Serie sehe, dann ist mein Eindruck, dass wir nach wie vor richtig gute und extrem wichtige Kampagnen machen. 

Greenpeace: Warum ist dir selbst Umweltschutz so wichtig?

Christian Bussau: Ich habe früher auf Forschungschiffen gearbeitet und zahlreiche neue Tierarten aus der Tiefsee beschrieben. Die hatte noch nie ein Mensch vorher gesehen. Aber durch den Tiefseebergbau, den die großen Industrienationen planen, um Rohstoffe zu gewinnen, sind zahlreiche Tiefseetiere bedroht. Sie könnten aussterben, bevor sie überhaupt der Menschheit bekannt wurden. Wir wissen über die Tiefsee weniger als über den Mond. Und auch in den Regenwäldern gibt es noch viele unbekannte Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Das heutige Artensterben schreitet rasant voran. Wenn der Mensch weiter so wirtschaftet wie bisher, zerstören wir unsere Lebensgrundlagen. Das treibt mich an: Klimaerhitzung und Artensterben stoppen. 

Greenpeace: Was wünscht du dir als nächsten Erfolg für Greenpeace? 

Ich würde mir wünschen, dass unsere Kampagnen zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes und zum Schutz der Tiefsee erfolgreich verlaufen. Das wäre der Knaller. Wir können das auch schaffen. Gemeinsam mit unseren Unterstützer:innen können wir das. Wir brauchen jede:n Einzelne:n.

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