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Black Lives Matter: Demonstration in Washington
Tim Aubry / Greenpeace

Black Lives Matter

Schweigen ist keine Option. Ein Satz, der für uns alle gelten muss, findet Stephanie Töwe von Greenpeace. Sie fordert Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung.

“Schweigen ist keine Option.” In den vergangenen Tagen habe ich diesen Satz öfter gehört und selbst oft gesagt oder geschrieben. Angesichts von Ungerechtigkeiten zu schweigen, nur weil sie mich als Weiße nicht unmittelbar betreffen, würde bedeuten, sie zu akzeptieren und mitzutragen. 

Portraits of Stephanie Toewe-Rimkeit

Stephanie Töwe-Rimkeit

Vor einigen Wochen, auf dem Weg zum Einkaufen, kam ich an einem älteren Schwarzen* Mann vorbei. Er saß allein vor einem wegen der Pandemie geschlossenem Cafe und aß ein Stück Brot und eine Tomate. Vier Polizisten forderten ihn sehr ruppig auf, den Platz sofort zu verlassen und nach Hause zu gehen. Es war offensichtlich, dass er kein festes Zuhause hat. Ich ging weiter. Ohne ein Wort. Es ratterte in meinem Kopf. Was wäre gewesen, wenn ich dort gesessen hätte, mit einem Becher Kaffee und meinem Einkaufsbeutel? Wahrscheinlich wäre gar nichts passiert, oder man hätte mich in freundlichem Ton gebeten, den Kaffee woanders zu trinken. Ich hätte stehenbleiben und mich einmischen müssen. Ich hätte fragen müssen, was das Problem ist, ich hätte, hätte ...

Das Gegenteil von Schweigen bedeutet nicht, laut herumzubrüllen oder das Gespräch an sich zu reißen, sondern aufrichtige Solidarität zu zeigen und sich selbst in jeder Haltung und Handlung zu reflektieren und in Frage zu stellen. Es bedeutet aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Rassismus, auch dem passiven. “Der Antirassist ist bereit zuzugeben, dass er rassistische Ideen geäußert hat; er handelt antirassistisch und begreift die Schwierigkeiten ethnischer Gruppen als Folge einer Politik, nicht als spezifische Probleme Einzelner oder der Gruppe. Die Vorstellung eines Nichtrassisten aber leugnet die Existenz von Rassismus schlechthin”, erklärt der US-amerikanische Politologe Ibram X. Kendi

Rassistische Gewalt in Deutschland - say their names     

Auch in Deutschland ist struktureller und institutioneller Rassismus tief verankert. Auch bei uns ist rassistische Gewalt alltäglich. Viele dieser Gewalttaten und Todesfälle sind ungeklärt und oft ohne jegliche Konsequenzen für die Täter geblieben. Ich möchte erinnern unter anderen an: Oury Jalloh, Yangjie Li, Halim Dener, Yaya Jabbi, Christy Schwundeck, Amad Ahmad, Rooble Warsame, Aamir Ageeb, Hussam Fadl, William Tonou-Mbobda. Ich möchte erinnern an die Opfer von Hanau und an die Opfer des NSU. Ich möchte erinnern an die Opfer antisemitischer Gewalttaten etwa in Halle. Ich möchte erinnern an alle Opfer an den europäischen Außengrenzen. 

Es macht mich wütend, dass völkische Nationalist*innen, überzeugte Anhänger*innen des Nationalsozialismus und neu-rechte Gruppierungen derzeit in Deutschland versuchen, Natur- und Umweltschutz mit Begriffen wie Heimatschutz zu kapern. Das ist leider nichts Neues, denn rassistisches und biologistisches Gedankengut hat seit Beginn des deutschen Natur- und Umweltschutzes mitgeschwungen. Umso wichtiger ist es, aktuelle Unterwanderungsversuche zu erkennen und aufzudecken, die eigenen Positionen und Motive zu überprüfen und sich klar und deutlich abzugrenzen.

Erfolgreicher Umwelt- und Klimaschutz kann nur demokratisch, antirassistisch und antifaschistisch sowie intersektional umgesetzt werden. Es ist unsere Pflicht, weiße Privilegien zu erkennen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, Rassismus und rassistische Strukturen zu benennen, aufzubrechen und zu bekämpfen. Der Greenpeace-Leitsatz “Taten statt warten!“ gilt mehr denn je. 

Greenpeace Deutschland solidarisiert sich deshalb mit allen Menschen in den USA und weltweit, die friedlich gegen Rassismus und rassistische Gewalt demonstrieren und Gerechtigkeit für George Floyd, Breonna Taylor, Ahmaud Arbery, Tony McDade, und Nina Pop sowie für die unzähligen weiteren Opfer rassistischer Gewalt fordern. 
 

“There is no climate justice without racial justice” 

Ein Großteil der deutschen Umwelt- und Klimabewegung hat - wie ich - wahrscheinlich nie eigene Erfahrungen mit den Folgen von Rassismus gemacht: Abschätzige Blicke, Beleidigungen, Benachteiligung und Gewalterfahrung aufgrund ihrer Hautfarbe haben viele nicht erlebt, weil die Mehrheit der Bewegung in Deutschland weiß ist. Die Umweltbewegung hierzulande hat beim Umgang mit Rassismus und Diversität einiges nachzuholen.  

Umweltzerstörung, Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung, Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Landraub sowie die Folgen der Klimakrise gehen oft einher mit Unterdrückung, struktureller Gewalt und Rassismus. So werden Indigenen etwa in Brasilien ihre Rechte genommen, sie werden aus Urwaldgebieten vertrieben, um Futtermittel anzubauen und Weideflächen für die industrialisierte Tierhaltung auszuweiten. Der hohe Verbrauch fossiler Energieträger und der energieintensive Konsum durch Menschen in den Industriestaaten sind für einen Großteil der klimaschädlichen Emissionen weltweit verantwortlich. Die Umwelt- und Klimafolgen treffen vor allem aber Menschen in den weniger industrialisierten Ländern des Südens. 

Rassismus macht es schwer, den Planeten zu retten, sagt die Schwarze Klimaaktivistin Ayana Elizabeth Johnson. Obwohl es für sie drängend ist, die Lebensgrundlagen für uns und kommende Generationen zu erhalten, steht der Protest gegen rassistische Gewalt im Vordergrund und raubt nötige Kraft und Energie. Sie zitiert die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison: “Die Funktion, die sehr ernste Funktion von Rassismus ist die Ablenkung. Er hält dich davon ab, deine Arbeit zu tun. Er lässt dich immer wieder erklären, warum du so bist.[...] Jemand sagt, dass du keine Sprache hast, und du verbringst 20 Jahre damit zu beweisen, dass du sie hast.”

Für Greenpeace kann die Rettung des Planeten nur gelingen, wenn wir uns nicht nur vehement für den Schutz des Klimas und der Arten einsetzen, sondern auch gegen Gewalt, Rassismus und menschenverachtendes Denken und Handeln.

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*Die Begriffe "Schwarz" und "Weiß" werden hier bewusst groß geschrieben oder kursiv gesetzt und beziehen sich nicht auf die reelle Hautfarbe oder eine biologische Eigenschaft. Die Antirassismus-Bewegung nutzt diese Bezeichnungen, um Rassismus in der Sprache entgegenzutreten.

 

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