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Fotos vom EZB-Gebäude in den frühen Morgenstunden.
© Felix Schmitt / Greenpeace

EZB kann die Inflation senken und Klimaschutz fördern

Die Europäische Zentralbank soll die Preisstabilität in Europa sichern. Wie kann sie in Zeiten steigender Inflation Klimaschutz fördern? Interview mit Greenpeace-Finanzexperte Mauricio Vargas. 

Fünf Prozent erreichte die jährliche Inflationsrate im Euroraum bis zum Ende des Jahres 2021 - so viel wie noch nie seit der Einführung des Euros. Gleichzeitig war die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in den letzten Jahren recht expansiv und sehr auf die Unterstützung der Wirtschaft ausgerichtet. Nun wird die EZB auf die gestiegenen Preise reagieren müssen, schließlich ist sie die Hüterin der Preiswertstabilität - doch wie? Und welche Rolle spielt dabei, ob und wie die EZB den Klimaschutz fördert? Und was ist mit der Finanzierung klimaschädlicher Unternehmen in Zeiten hoher Inflation? Ein Interview mit Mauricio Vargas, Finanzexperte von Greenpeace. 

Greenpeace: Auf die Krisen der vergangenen Jahre hat die EZB ja mit einer expansiven Geldpolitik reagiert. Hat die Nullzinspolitik eine Geldschwemme ausgelöst, die jetzt die Verbraucherpreise nach oben treibt und die Inflation auslöst?

Die EZB hat in den vergangenen Jahren versucht, mit einer expansiven Geldpolitik die kriselnde europäische Wirtschaft zu stützen und deflationären Tendenzen entgegenzutreten. Hierfür hat sie verschiedene Instrumente genutzt, um Unternehmen und die Regierungen mit zinsgünstigen Finanzmitteln zu versorgen und dadurch die Nachfrage zu stabilisieren. Angesichts der gestiegenen Inflation kann es nun jedoch ratsam sein, die Finanzhilfen zurückzufahren. Wichtig ist, dass dies nicht zu Lasten der grünen Transformation geht. Schon bei der Einführung der Finanzierungshilfen hat es die EZB versäumt, auf die klimaschädliche Wirkung zu achten. Diesen Fehler sollte die Zentralbank kein zweites Mal machen, wenn sie jetzt einen Kurswechsel in der Geldpolitik einleitet.

Greenpeace: Was kann und muss die EZB jetzt tun, um die Inflation einzufangen?

Mauricio Vargas: Die EZB kann mit einer Straffung der Geldpolitik dafür sorgen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gedämpft wird. Erhöht die EZB beispielsweise ihre Leitzinsen, würde das etwa die Dynamik im Bausektor bremsen und die rasant gestiegenen Baustoff- und Häuserpreise stabilisieren. Entscheidend ist, dass die EZB sich glaubwürdig zur Bekämpfung der Inflation bekennt, um Erwartungen entgegenzutreten, dass die Preise weiter stark steigen. Denn hohe Inflationsraten sind unsozial. Und sie bergen auch die Gefahr, dass die politischen Maßnahmen zum Klimaschutz diskreditiert werden, da ihnen fälschlicherweise die Verantwortung für die Preissteigerungen zugeschrieben werden könnte.

Stichwort “grüne Inflation” - Stimmt es, dass auch die Ausgaben für Klimaschutz die Inflation in die Höhe treiben?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die jetzige Inflation ist in erster Linie auf Corona und in zweiter Linie auf die massiv gestiegenen Öl- und Gaspreise zurückzuführen. Wir haben also eher eine fossile als eine grüne Inflation! Je schneller Europa von fossilen auf erneuerbare Energien umsteigt, umso besser ist das für die Preisstabilität. Genau diesen Zusammenhang sollte die EZB nun im Blick behalten.

 

Greenpeace-Mitarbeiterporträt von Mauricio Vargas

Warum fossile und nicht erneuerbare Energien die aktuelle Inflation antreiben und wie die Energiewende für stabile Preise sorgen kann – ein Interview mit Volkswirt Mauricio Vargas von Greenpeace.

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Auf Druck von Greenpeace und anderen hat die die EZB ihre Ausrichtung 2021 in Richtung mehr Klimaschutz verschoben. Was hat die Notenbank denn bislang unternommen und bleibt sie jetzt auf Kurs?

Die EZB hat einen Klimaaktionsplan verabschiedet, der ihre Geldpolitik klimafreundlicher machen soll. Allerdings möchte sie sich mit der Umsetzung bis 2024 Zeit lassen. Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise ist das inakzeptabel. Wir fordern, dass die Europäische Zentralbank diese klimaschädliche Fehlsteuerung umgehend korrigiert. Die Notwendigkeit, die Geldpolitik zu straffen, bietet hierfür eine gute Gelegenheit. Wenn die EZB jetzt den Kurswechsel einleitet und ihre Anleihekaufprogramme auslaufen lässt, erwarten wir, dass sie dabei vorrangig klimaschädlichen Unternehmen die Finanzierung entzieht. Risikoaufschläge für Wertpapiere von schmutzigen Unternehmen, die die Zentralbank als Sicherheiten akzeptiert, müssen erhöht werden. Die EZB sollte zu einem Modus kommen, bei dem sie klimafreundliche Unternehmen besonders bevorzugt, wenn sie die Geldpolitik lockert, und im Falle einer notwendigen Straffung klimaschädliche Unternehmen besonders benachteiligt.

Kannst du noch mal konkreter benennen, was Greenpeace da vorschwebt?

Nach Schätzung von Greenpeace stammen  63 Prozent - das entspricht 186 Milliarden Euro - der von der EZB erworbenen Anleihen von kohlenstoffintensiven Unternehmen. Allerdings erwirtschaften die nur etwa dreißig Prozent der Wertschöpfung.  Zwölf Prozent der erworbenen Anleihen - oder 37 Mrd. Euro - stammen von fossilen Energieunternehmen wie Shell, Eni oder Total, mit einem Wertschöpfungsanteil von nur zwei Prozent. 

Konkret fordert Greenpeace, dass die EZB ihr Kaufprogramm für Unternehmensanleihen unter der Berücksichtigung von Klimakriterien korrigiert und einen sofortigen Stopp des Erwerbs der Anleihen von fossilen Energieunternehmen vornimmt. Des Weiteren sollte die EZB aufgrund der hohen Insolvenzrisiken die Abschläge (Haircuts) auf Kredite von klimaschädlichen Unternehmen, die als Sicherheiten für Kreditgeschäfte der Banken mit der EZB dienen, erhöhen. 

Warum sollte die EZB das tun? 

Oh, ich halte so eine Diskriminierung von klimaschädlichen Unternehmen durch die EZB im Rahmen einer geldpolitischen Straffung nicht nur für sinnvoll, sondern sogar für geboten, und zwar aus drei Gründen: 

Erstens sind fossile Energieträger historisch wie auch aktuell die maßgeblichen Preistreiber, während erneuerbare Energien schon heute preisdämpfend wirken. Ihr Ausbau sollte daher im Kontext der Straffung geschont werden. 

Zweitens schützt die EZB ihre Bilanz vor Verlusten, indem sie die Ausfallrisiken von klimaschädlichen Unternehmen meidet. Die Bundesbank hat diesbezüglich in ihrem jüngsten Monatsbericht offengelegt, wie groß diese Risiken für die Zentralbank sein können und beziffert den Anteil von existenzgefährdenden Unternehmen auf zehn Prozent. 

Drittens leistet die EZB mit diesen Maßnahmen einen Beitrag, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Was nicht nur für den globalen Klimaschutz ein großer Schritt wäre. Sondern auch eine Sog-Wirkung entfalten könnte: Eine Geldpolitik, die den Klimaschutz berücksichtigt, würde sicherlich eine erhebliche Ausstrahlwirkung auf die europäischen und weltweiten Finanzmärkte entfalten. Denn das ist natürlich das große Ziel: eine Finanzwirtschaft, die mit ihren Investitionsentscheidungen den Klimaschutz fördert.