
Tiefseegasprojekt bedroht Wale
- Hintergrund
Update 15.12.2022
Rechtsgutachten: Bundesregierung muss künftigen Staats-Konzern Uniper auf Klimakurs bringen
Durch die Energiekrise ist der Konzern Uniper angeschlagen und soll verstaatlicht werden – noch vor Weihnachten werden die Aktionär:innen bei einer außerordentlichen Hauptversammlung den Weg dafür freimachen. Ein neues Rechtsgutachten von Greenpeace zeigt jetzt, welche rechtlichen Folgen das für die Bundesregierung mit sich bringt: Als künftige Eigentümerin ist sie verpflichtet, Klimaschäden durch ein geplantes Gasprojekt vor der australischen Westküste abzuwenden. Uniper will sich dort an einem umstrittenen Geschäft beteiligen, das frühesten ab dem Jahr 2026 klimaschädliches Gas liefern und zudem in einem für Wale wichtigen Meeresgebiet gebaut werden soll.
Das von der Klima-Anwältin Roda Verheyen und ihrem Kollegen John Peters erstellte Gutachten leitet die Verantwortung der Bundesregierung aus gesellschaftsrechtlichen Klimapflichten und dem Verfassungsrecht ab. „Mit Uniper übernimmt die Bundesregierung auch die Verantwortung für den Klimakurs des Unternehmens“, sagt Greenpeace Meeresexperte Till Seidensticker. „Als Wirtschafts- und Klimaminister muss Robert Habeck verhindern, dass der künftige Staatskonzern Uniper weiter in umwelt- und klimaschädliche Tiefseebohrungen investiert. Niemand darf glauben, dass dies eventuell einen Weg aus der aktuellen Versorgungskrise in Deutschland öffnen könnte. Das Gas wird erst ab 2026 ausgebeutet, aber bis 2039. Dieses Projekt zerstört den Lebensraum von Walen und heizt die Klimakrise weiter an. Uniper muss sich daraus zurückziehen.“

RechtsgutachtenUniperSE_Greenpeace.pdf
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Greenpeace-Aktivist:innen fordern, dass Uniper bei Verstaatlichung seiner Verantwortung für Klimaschutz und Meeresumwelt gerecht werden und aus Woodside aussteigen muss.
Artikel vom 11. November
RWE und Uniper wollen zusammen mit dem australischen Energiekonzern Woodside Gas fördern und so Natur zerstören.
Fasziniert beobachteten Manfred Santen und Timo Liebe von Greenpeace dieses Jahr auf einer Expedition eine trächtige Walkuh, als sich das Wasser plötzlich rot färbt. Wenig später wurden sie Zeugen eines bewegenden, unvergesslichen Moments: Ein Waljunges kommt zur Welt! Jedes Jahr ziehen Buckel- und Blauwale aus den eisigen Gewässern der Antarktis vor die Küste Westaustraliens, um dort ihre Kälber zu gebären. Aber auch Walhaie, Delfine, mächtige Schildkröten, riesige Rochen und urtümliche Seekühe bevölkern dort die Riffe und Seegraswiesen. Zahlreiche Meeresschutzgebiete und Weltnaturerbe-Stätten sollen die einzigartige marine Vielfalt schützen.
Doch genau hier plant der australische Woodside-Konzern das aktuell gefährlichste und klimaschädlichste Vorhaben Australiens: ein riesiges Gasprojekt am Meeresgrund – und das unter Beteiligung der deutschen Gasabnehmer RWE und Uniper. Da Uniper aufgrund von Rekordverlusten verstaatlicht und so durch die Bundesregierung vor der Pleite gerettet werden soll, sind es nun auch noch Steuergelder, die in das zerstörerische Projekt fließen sollen.
„Unipers Pläne sind skandalös. Sie haben keine Auswirkungen auf die aktuelle Versorgungskrise in Deutschland. Früheste Lieferungen werden auf 2026 angesetzt. Dafür soll dennoch ein wichtiges Meeresgebiet zerstört werden”, sagt Till Seidensticker, Meeresexperte von Greenpeace.

„Die Bundesregierung trägt nun Verantwortung bei Uniper und muss ihren Einfluss nutzen, um dieses gefährliche Projekt zu stoppen. Unsere Meere dürfen nicht weiter ausgebeutet und zerstört werden, sie brauchen dringend stärkeren Schutz.“
Bereits am 17. August, als Uniper mit seiner Halbjahresbilanz große Verluste verkündete, demonstrierten Aktivist:innen von Greenpeace Deutschland am Uniper-Hauptsitz in Düsseldorf. Vor dem Eingang der Konzernzentrale: eine drei Meter große Walfigur; Walgesänge hallten über den Platz und Umweltschützer:innen verteilten Flugblätter. Auf ihrem Banner stand “Uniper: Gasbohrungen gefährden Wale. Jetzt auch mit Steuergeldern”.
Vier Wochen zuvor demonstrierten Aktivist:innen von Greenpeace Deutschland am RWE-Hauptsitz in Essen, denn RWE ist ebenfalls in das Projekt involviert. Ein zweieinhalb Meter hohes, Walgesänge tönendes Mahnmal aus Stahl und Holz fand sich am RWE-Hauptsitz in Essen wieder. Die Aktiven hatten die Skulptur in Form einer Walfluke, mit der Aufschrift “RWE - Raus aus dem Riff!” versehen. Außerdem zeigten sie ein Banner mit der Aufschrift: “Gasbohrungen bedrohen Wale”. RWE verzeichnet momentan aufgrund der Energiekrise im Gegensatz zu Uniper Rekordgewinne in Milliardenhöhe – in ihrem 3. Quartalsbericht vom 10.11.2022 waren ihre Gewinne im Vergleich zum Vorjahr um rund 70 Prozent höher. Diese sind auch auf ihre Gasgeschäfte zurückzuführen.
Früheste Gaslieferungen erst 2026
Viele Menschen machen sich dieser Tage verständlicherweise Sorgen um die Energieversorgung. Doch die Klima- und die Biodiversitätskrise gehen weiter, weshalb die Krisen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die deutschen Konzerne RWE und Uniper wollen Erdgasbohrungen im Meer vor der westaustralischen Küste, das bislang größte Erdgasprojekt des Landes, mitfinanzieren. Das Projekt des australischen Unternehmens Woodside wird für die Unterwasserwelt vor der Küste schwerwiegende Auswirkungen haben werden – obwohl das Gas frühestens ab 2026 zur Verfügung steht. Man darf also nicht glauben, dass dieses Projekt ein möglicher Weg aus der aktuellen Versorgungskrise in Deutschland sein könnte.
Besonders gefährdet bei diesem Vorhaben sind Wale. In der kürzlich veröffentlichten Studie “Moby Sick: The Costs of Woodside’s Burrup Hub for Threatened Whales” (deutsche Zusammenfassung hier) hat Greenpeace Australia Pacific fünf Hauptrisiken ermittelt, denen die Tiere infolge der Offshore-Gasförderung ausgesetzt sind. Wale reagieren sehr empfindlich auf Unterwasserlärm, da sie Schall und Sonar meisterhaft zur Kommunikation, Navigation und Nahrungssuche nutzen. Neben dem Lärm von Bohr- und Baggerarbeiten sind sie laut der Studie von seismischen Untersuchungen, ökotoxikologische Auswirkungen, Kollisionen mit Schiffen und der Klimakrise betroffen.
Worum geht es bei dem Woodside-Gasprojekt vor Australien?
Der größte australische Öl- und Gaskonzern Woodside will in einer ersten Phase 300 Kilometer vor der Küste von Westaustralien ein Erdgasfeld im Meer erschließen. Das bedeutet: acht bis zu 84 Gasbohrungen in mehr als 900 Metern Tiefe und eine schwimmende Offshore-Plattform. Das Projekt Scarborough, dem sich in einer zweiten Phase Browse mit zwei weiteren Bohrplattformen anschließen soll, ist in mehrerlei Hinsicht verantwortungslos: Die Erdgasförderung an diesem Ort zerstört den Lebensraum und die Migrationspfade von Walen und etlichen anderen Arten – und ist extrem klimaschädlich.
Bei der Erschließung von Scarborough müssen über Hunderte Kilometer Meeresböden gesprengt und ausgebaggert werden, riesige Betonpfähle würden in den Meeresboden gerammt und Millionen Tonnen zerkleinerter Korallen und Felsen im Dampier-Archipel verklappt – dem Gebiet mit der größten Artenvielfalt im Meer vor Westaustralien. Das Gebiet beherbergt Tausende von Wal-, Hai-, Fisch-, Schildkröten- und Korallenarten. Es liegt auf den Wanderwegen der Wale und ist Heimat vieler bedrohter Arten. Zudem müssen zum Transport des Rohstoffs hunderte Kilometer Pipeline unter Wasser verlegt werden; die Scarborough-Pipeline würde den Montebello Marine Park durchqueren, eine der bedeutendsten Brut- und Niststätten von Meeresschildkröten.

MOBY SICK: THE COSTS OF WOODSIDE’S BURRUP HUB FOR WHALES
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17.97 MB
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DIE RISIKEN VON WOODSIDES GASBOHRUNGEN FÜR WALE - DEUTSCHE ZUSAMMENFASSUNG
4 | DIN A4
1.2 MB
HerunterladenWarum ist Erdgas schädlich?
Erdgas als Energieträger gilt vielen als Brückentechnologie, weil bei seiner Verbrennung weniger CO2 entsteht als bei der von Kohle. Doch beim genaueren Hinsehen ist auch Erdgas äußerst klimaschädlich. Zum einen sind die CO2-Emissionen immer noch viel zu hoch – um das Klima zu schützen, brauchen wir Nullemissionen. Zum anderen besteht Erdgas fast vollständig aus Methan, ein sehr viel stärkeres Treibhausgas als CO2. Bei der Produktion, beim Transport und Verbrauch entweichende Methan-Emissionen sind extrem klimaschädlich.
Der Plan von Woodside ist, das Erdgas als Flüssiggas in alle Welt zu exportieren, kurz LNG (Liquified Natural Gas). In einem sehr energieintensiven Prozess wird dazu das Erdgas auf -160 Grad Celsius heruntergekühlt und so verflüssigt, das Volumen verringert sich dadurch um ein Vielfaches. Das macht den internationalen Handel einfacher: Transportschiffe können so große Mengen Erdgas transportieren, die im Ankunftsland in eigenen LNG-Terminals wieder aufgedampft werden. Die Klimabilanz dieser energiefressenden Infrastruktur ist allerdings verheerend.
Nach Schätzungen von Expert:innen ist Scarborough darum eine regelrechte CO2-Bombe: In einem Zeitraum von 2021 bis 2055 ist mit Emissionen von 1.370 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten zu rechnen, die mit dem Projekt im Zusammenhang stehen. Zum Vergleich: Das ist rund die doppelte Menge, wie wenn der Tagebau Garzweiler 2 wie geplant bis zum Jahr 2038 ausgebaggert würde.
Was haben deutsche Unternehmen damit zu tun?

© Greenpeace
Die geplanten Bohrungen fänden im Migrationsgebiet von Walen und anderen Meerestieren statt.
Die Energieversorger RWE und die E.On-Abspaltung Uniper sind immens wichtige Partner für Woodside. Ohne ihre Beteiligung hat das australische Unternehmen keine Kunden für sein Erdgas. Bereits jetzt hat Woodside nur für die Hälfte seiner Kapazitäten Abnehmer gefunden. Springen die deutschen Vertragspartner ab, ist das Projekt nicht länger rentabel und zum Scheitern verurteilt.
Bislang hat RWE lediglich einen Abnahmevertrag bis 2031 unterzeichnet, Uniper bis 2033. Längerfristig können die Konzerne gar nicht in das australische Erdgasgeschäft einsteigen, wenn sie ihre eigenen Klimaziele ernst nehmen: Bis 2040 möchte RWE klimaneutral sein, Uniper bereits 2035. Solange die Konzerne allerdings umweltschädliche Gasbohrungen am anderen Ende der Welt ermöglichen (und RWE Klimaverbrechen vor der eigenen Haustür begeht), sind solche Ankündigungen nichts wert.
Die Zukunft gehört den Erneuerbaren Energien. Doch dazu braucht es eine mutige Transformation des Energiesektors - und kein “Weiter so”, das RWE und Uniper allen Beteuerungen des Gegenteils nachweisbar betreiben.
Bohrungen in Australien, Protest in Deutschland
Raubbau stoppen, Wale schützen
Selbst im besten Fall ist das, was Woodside vor der Küste plant, eine unzumutbare Belastung für die australische Unterwasserwelt und das Klima weltweit. In einem weiterem Report „Deep-sea Disaster Why Woodside’s Burrup Hub project is too risky to proceed“ verdeutlicht Greenpeace Australia Pacific wie groß die Gefahr vor Unfällen bei diesem Vorhaben ist. Scarborough und Burrup Hub drohen Lebensräume unwiederbringlich zu zerstören, und zwar für fossile Brennstoffe, deren Nutzung wir uns angesichts der Erderhitzung nicht länger leisten können. RWE und Uniper müssen aus dem Projekt aussteigen, auch zum Schutz der Meeressäuger.

Deep-Sea Disaster: Why Woodside’s Burrup Hub project is too risky to proceed - Study.pdf
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Bedrohte Meere durch Gasförderung_deutsche Zusammenfassung.pdf
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