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Klimaschützer und Ex-US-Vizepräsident Al Gore im Dokumentarfilm "Immer noch eine unbequeme Wahrheit"
2017 Paramount Pictures

Interview mit Ex-US-Vizepräsident und Klimaschützer Al Gore

Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Die Klimakrise lässt sich noch abwenden – wenn die Menschen weltweit gemeinsam daran arbeiten. Davon ist Al Gore, Ex-US-Vizepräsident und -Präsidentschaftskandidat sowie Friedensnobelpreisträger, überzeugt. Deshalb reist er unermüdlich um die Welt und wirbt für Klimaschutz – die Doku „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“, die jetzt in den Kinos läuft, begleitet den Umweltaktivsten Gore auf seiner Mission. Und sie zeigt, dass es durchaus Lösungen gibt, wenn wir nur handeln.

Wir sprachen mit Al Gore über Klimavertragsdeserteur Donald Trump, die Revolution der Nachhaltigkeit und Klimakrisenmanagement.

Interview: Birgit Heidsiek

Greenpeace: Herr Gore, warum ist es so schwierig, die Klimaschutz-Gegner davon zu überzeugen, dass erneuerbare Energien besser sind als fossile Brennstoffe?

Al Gore: Ich glaube, dass viele von ihnen begreifen, dass wir uns in einer Übergangssituation befinden. Doch Menschen, die ökonomisch unter Druck stehen, sind anfällig für die Versprechungen von Politikern – auch wenn diese sehr unrealistisch sind. Doch wir dürfen uns nicht mehr von den Skeptikern aufhalten lassen, sondern müssen ihnen neue Möglichkeiten in Form von Ausbildung und Arbeitsplätzen eröffnen.

Eine berühmter Ölminister aus Saudi-Arabien hat einmal gesagt, dass die Steinzeit nicht zu Ende gegangen sei, weil es keine Steine mehr gab, sondern weil etwas Besseres gefunden wurde. Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe wird nicht vorbei sein, weil diese zur Neige gehen, sondern weil es eine bessere Alternative dazu gibt. Im US-Bergbau-Bundesstaat Kentucky hat das Kohle-Museum gerade seine Energienutzung auf selbst erzeugten Solarstrom umgestellt, weil das günstiger ist.

Wie hoch ist die Ersparnis?

In den USA wird mit der Umstellung auf nachhaltige Energien inzwischen ein 17-mal höheres Wachstum erzielt als in anderen Wirtschaftsbereichen. Die Sanierung von Gebäuden, der Einsatz von LED-Lampen, Elektroautos, Batteriespeichern und vielen andere effizienten Lösungen führen zu einer globalen Revolution der Nachhaltigkeit. Die hat das Ausmaß der industriellen, aber das Tempo der digitalen Revolution.

Wird die Zeit nicht allmählich knapp?

Der Wirtschaftswissenschafter Rudi Dornbusch hat einst gesagt: Veränderungsprozesse dauern oft länger als wir denken, aber geschehen dann plötzlich schneller als wir angenommen haben. Das war bei Handys, Smart-TVs und Computerchips der Fall. Und das gilt auch für die Wind- und Sonnenenergie.

Das Phänomen solcher Trendwenden gibt es ebenso in gesellschaftlichen Revolutionen. Das Ende der Sklaverei, die Bürgerrechtsbewegung, die Frauen- und Schwulenbewegung haben sich gegen alle Widerstände durchgesetzt. Und zwar deshalb, weil die Menschen dies für richtig befunden haben. Auf diesen Wendepunkt steuern wir jetzt mit der Klimabewegung zu.

Ist Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen ein herber Rückschlag?

Ja, aber der Schaden, den er angerichtet hat, ist begrenzt. Als Trump verkündet hat, aus dem Klimaabkommen auszusteigen, hatte ich Angst, dass andere Länder folgen werden. Doch das Gegenteil ist passiert.

In seiner Rede am 1. Juni hat Trump erklärt, er sei gewählt worden, um Pittsburgh – und nicht Paris – zu präsentieren. Am nächsten Tag gab der Bürgermeister von Pittsburgh bekannt, die Stadt zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Regierungen in Kalifornien, New York und anderen US-Bundesstaaten haben höhere Umweltauflagen angekündigt, und zahlreiche Städte in den USA streben 100 Prozent Erneuerbare an.

Haben Sie eine Vision, wie unsere Welt aussehen würde, wenn Sie US-Präsident geworden wären?

Alternative Geschichte ist zwar schön, aber leider nicht zielführend. Als Vize-Präsident konnte ich damals Präsident Clinton davon überzeugen, im ersten Haushalt im Kongress eine CO2-Steuer einzuführen. Dies wurde im Repräsentantenhaus verabschiedet, aber vom US-Senat abgelehnt. Ich stelle mir gerne vor, dass ich als Präsident mehr Einfluss gehabt hätte, um den Herausforderungen der Klimakrise mit Maßnahmen wie einer CO2-Steuer zu begegnen.

Welche wirtschaftspolitischen Steuerungsinstrumente sind außerdem denkbar?

Die Regierungen könnten die Subventionen für fossile Brennstoffe stoppen. Auf der globalen Basis sind die Subventionen für fossile Energie viermal so hoch wie die für Erneuerbare. Einer beim G20-Gipfel präsentierten Erhebung zufolge fördern diese 20 Regierungen ebenfalls viermal mehr fossile Brennstoffe als erneuerbare Energien.

In Norwegen könnte die Regierung vor dem Obersten Gerichtshof verklagt werden, weil sie Ölbohrungen in der Arktis erlaubt. Brauchen wir einen Internationalen Umweltgerichtshof, um künftig derartige Umweltsünden zu verhindern?

Das ist eine interessante Idee. Es dürfte nicht erlaubt werden, Ölbohrungen in der arktischen Region mit ihrem sehr empfindlichen Ökosystem vorzunehmen; das ist unverantwortlich. In Gegenden wie der Arktis gibt es keine Möglichkeiten, ein Leck zu beheben oder Arbeiter zu retten, wenn sie in Lebensgefahr geraten. Ich bezweifle allerdings ernsthaft, dass das politische System weltweit eine Reife erreicht hat, welche die Einrichtung eines internationalen Umweltgerichtshofes ermöglichen würde.

>>> „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“ läuft ab 7. September 2017 in den deutschen Kinos.

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