Brasiliens Savanne: Naturzerstörung für Soja-Anbau, Mais und Rinderfarmen
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Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt. Noch. Denn riesige Agrarbetriebe zerstören das brasilianische Ökosystem für ihre Profite, zeigt ein neuer Greenpeace-Report.
Jeden Morgen, wenn Jossone Lopes Leite das Haus verlässt, begleitet ihn die Angst. Werden sie wiederkommen? Seine Familie bedrohen? Sein Vieh töten? Sie: Das sind die Sicherheitsleute von Agronegócio Estrondo – einem gigantischen Agrarbetrieb im Herzen Brasiliens, der mit einer Fläche von 305.000 Hektar größer ist als Luxemburg.
Mit seinen Feldern dringt Estrondo immer tiefer in die brasilianische Savanne – den Cerrado – vor. Und raubt damit Kleinbauern wie Jossone Lopes Leite, die das Land seit Generationen bewirtschaften, die Lebensgrundlage. Das zeigt der Report "Under Fire", den Greenpeace International heute veröffentlicht.. Wer der Mega-Farm im Weg ist, lebt gefährlich: Im Januar schossen Estrondos Wachposten dem 38-jährigen Lopes Leite ins Bein, weil er ihrem Land zu nahe kam. Eine tiefe Narbe erinnert den Familienvater an die Attacke.
Landraub, Zwangsarbeit und illegale Abholzung
Estrondo macht häufig mit illegalen Machenschaften von sich reden: Betrug, Landraub, Zwangsarbeit und immer wieder Gewalt gegen die einheimische Bevölkerung – die Liste der Vergehen ist lang. Greenpeace-Recherchen belegen zudem, dass Estrondo im großen Stil Wald und Savanne vernichtet. Mehr als 100.000 Hektar Natur wurden seit dem Jahr 2000 abgeholzt, um Platz für Rinderfarmen, Mais- und vor allem Soja-Plantagen zu schaffen.
Dass sie damit den Cerrado unwiederbringlich zerstören, nehmen die Großgrundbesitzer in Kauf. Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt und nach dem Amazonas-Regenwald das wichtigste Ökosystem Brasiliens. Hier leben mehr als 11.000 Tier- und Pflanzenarten, darunter so seltene Exemplare wie Riesengürteltiere, Ameisenbären und Jaguare. Der Cerrado hat bereits 88 Millionen Hektar – fast die Hälfte seiner ursprünglichen Fläche – an die Agrarindustrie verloren. Wenn der Kahlschlag in diesem Tempo voranschreitet, könnte er in wenigen Jahrzehnten ganz verschwunden sein.
Waldzerstörung für Tierfutter
Mit Konsequenzen müssen die Umweltzerstörer kaum rechnen. Denn die brasilianische Regierung hält ihre schützende Hand über die Landwirtschafts-Lobby. Und auch internationale Konzerne machen gern Geschäfte mit Betrieben wie Estrondo: Nach Greenpeace-Recherchen beziehen die Agrar-Handelsriesen Cargill und Bunge in großem Maße Soja von der Skandal-Farm – allen Umweltverbrechen und Menschenrechtsverstößen zum Trotz.
Doch was passiert eigentlich mit dem Soja, für das in Brasilien, aber auch in Argentinien und Paraguay mit staatlicher Billigung Wälder und Savannen abgeholzt werden? Ein Blick auf die Lieferkette verrät: Nahezu 90 Prozent werden als Tierfutter verwendet. Beispiel Cargill: Der Milliardenkonzern ist der weltweit größte Hersteller von Rinderhackfleisch und beliefert die Fast-Food-Ketten McDonald’s und Burger King genauso wie die Lebensmittelkonzerne Danone, Nestlé und Unilever.
Konzerne: Freiwillige Selbstverpflichtung nicht eingehalten
Besonders schlimm: Bereits 2010 hatten sich diese Firmen gemeinsam mit Hunderten weiteren Konzernen dazu verpflichtet, Produkte aus Waldvernichtung bis 2020 aus ihren Lieferketten zu verbannen. Doch bis jetzt, kurz vor Ablauf der Frist, haben die Unternehmen so gut wie keine Maßnahmen umgesetzt, um den Kahlschlag zu stoppen. Zu diesem Ergebnis kommt der Greenpeace-Bericht „Countdown to Extinction“, für den wir mehr als 50 Händler, Produzenten und Konsumgüterhersteller befragt haben.
Darum nimmt Greenpeace jetzt die Bundesregierung in die Pflicht. Sie muss endlich ein Gesetz auf den Weg bringen, das die Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umweltstandards zu achten – über die gesamte Lieferkette vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Frankreich hat bereits 2017 ein solches Lieferkettengesetz beschlossen.
Gemeinsam gegen die Abholzung
Damit Deutschland schnellstmöglich nachzieht, hat sich Greenpeace mit 30 Organisationen zusammengeschlossen, um gemeinsam Druck auf die Bundesregierung zu machen. Zugleich ist Greenpeace auch in Brasilien aktiv, wo Kolleginnen und Kollegen per Hubschrauber, mit GPS-Geräten und Drohnen die fortschreitenden Abholzungen dokumentieren. Die gesammelten Daten sind Gold wert – können sie doch in Gerichtsprozessen gegen Farmen wie Estrondo als Beweismaterial verwendet werden. Denn im Kampf gegen die mächtigen Konzerne können die kleinen Bauern wie Jossone Lopes Leite jede Hilfe brauchen.
Erstveröffentlichung des Artikels ohne Report "under Fire": 30. August 2019