
Die Weltnaturkonferenz CBD
Diesen Dezember treffen sich die UN-Vertragsstaaten zum 15. Mal auf der Weltnaturkonferenz, um das Artensterben zu stoppen. Was jetzt passieren muss.
- Ein Artikel von Miryam Nadkarni
- Hintergrund
Der Platz der Vereinten Nationen in Bonn ist vor allem eins: Grau. Graues UN-Gebäude, graue Pflastersteine, graue Steinbänke. Nur ein paar dünne Bäumchen bringen etwas Farbe und Leben auf den Platz. Aber nicht am 5. Dezember. Da haben sich hier zwei Giraffen, ein Nashorn, ein Rentier, ein Zebra, zwei Orang-Utans, zwei Luchse, ein Pinguin, ein Strauß, eine Landschildkröte, ein Faultier, eine Schneeeule und eine Biene versammelt. Auf Bannern fordert diese “Konferenz der Tiere”: “Rettet unsere Zukunft!” Es zwitschert, brüllt und summt auf dem sonst stillen Platz.
Die lebensgroßen, beleuchteten Figuren repräsentieren verschiedene Arten und Lebensräume, die durch industrielle Aktivitäten bedroht sind: Die Orang-Utans, deren Regenwälder abgeholzt werden, um Palmöl-Plantagen anzubauen. Der Pinguin, dessen Heimat aufgrund der Klimakrise unter seinen Füßen wegschmilzt. Die Biene, die durch Pestizide vergiftet wird. Greenpeace lässt die Tiere Sie demonstrieren heute, weil diese Woche die 15. Weltnaturkonferenz (CBD COP15) der Vereinten Nationen beginnt. Inzwischen sind es rund 150 Tier- und Pflanzenarten, die täglich aussterben, Millionen sind bedroht. Um dieses Massenaussterben in den Griff zu bekommen, beraten 196 UN-Vertragsstaaten diesen Dezember auf der Weltnaturkonferenz (CBD) in Montreal, Kanada darüber, wie wir die Natur besser schützen können. Doch was ist das eigentlich für eine Konferenz und was will die Politik damit erreichen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist die Weltnaturkonferenz (CBD COP15)?
Um den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, hat die Weltgemeinschaft bereits 1992 auf der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung das ‘UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD)’ beschlossen. Diese Weltnaturkonferenz ist ein internationales und völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Alle Mitgliedsstaaten des Übereinkommens haben sich damals verpflichtet:
- die biologische Vielfalt in ihren eigenen Ländern zu schützen,
- geeignete Maßnahmen zum Schutz und zur Nutzung der Biodiversität in Entwicklungsländern zu unterstützen,
- sowie den Zugang zu genetischen Ressourcen und deren Nutzung gerecht zu regeln.
197 Vertragsstaaten haben das Übereinkommen über die biologische Vielfalt unterzeichnet und ratifiziert. Sie treffen sich normalerweise alle zwei Jahre zur Weltnaturkonferenz. Diese Treffen heißen “COP”, das steht für “Conference of the Parties” und ist das höchste beschlussfassende Gremium des Übereinkommens. Hier tauschen sich die Vertragsstaaten aus und beschließen neue Ziele und Maßnahmen, um die Artenkrise zu stoppen.
Welche konkreten Ziele hatten die bisherigen Weltnaturkonferenzen?
Im Laufe der vergangenen 30 Jahre hat die Weltnaturkonferenz CBD bereits Dutzende Ziele beschlossen. Im Jahr 2002 verpflichteten sich etwa die Vertragsparteien, "bis zum Jahr 2010 eine erhebliche Verringerung der derzeitigen Verlustrate bei der biologischen Vielfalt zu erreichen". Dieses Ziel verfehlten sie. Im Jahr 2010 trafen sich die Vertragsstaaten in Japan und einigten sich auf einen neuen Plan, der die 20 so genannten Aichi-Ziele enthielt. Beispiele für diese Aichi-Ziele sind: Bis 2020 sollte der Schwund aller natürlichen Lebensräume, einschließlich der Wälder, mindestens halbiert und, wo möglich, auf nahezu Null gebracht werden. Land- und forstwirtschaftliche Flächen sowie Aquakulturen sollten nachhaltig bewirtschaftet werden, um die Artenvielfalt zu erhalten. Von den 20 Aichi-Zielen wurde kein einziges bis zum Jahr 2020 vollständig erreicht.
Wie setzt Deutschland die Beschlüsse der Weltnaturkonferenzen bisher um?
Deutschland ist seit dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens Mitglied. Dennoch hat die Bundesregierung erst 2007, also 15 Jahre später, die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. In dieser Strategie hat die Bundesregierung unter anderem festgelegt, bis 2020 fünf Prozent der Waldfläche einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Doch dieses – von vornherein sehr niedrig gesteckte Ziel – hat Deutschland weit verfehlt.
Die "Konferenz der Tiere"
Was ist das übergeordnete Ziel der 15. Weltnaturkonferenz?
Auf der kommenden 15. Weltnaturkonferenz (CBD COP 15) in Montreal, Kanada, soll ein Rahmen (Global Framework) dafür geschaffen werden, dass bis 2050 alle Ökosysteme der Welt wiederhergestellt und angemessen geschützt sind: Dieser Rahmen legt unter anderem neue Ziele bis 2030 und 2050 fest.
Was ist das 30x30 Ziel?
Der erste Entwurf für den neuen globalen Rahmen, über den Delegierte in Montreal verhandeln, sieht vor, 30 Prozent der Land- und Meeresfläche bis 2030 zu schützen. Doch das alleine reicht nicht. Schutzgebiete gibt es heute schon recht viele: In vielen davon geht die industrielle Ausbeutung einfach weiter - auch in Deutschland. Auch hier wird in Waldschutzgebieten weiter abgeholzt, in Schutzzonen der Meere weiter industriell gefischt. Die Natur braucht aber Gebiete, in denen sie sich von der industriellen Ausbeutung erholen kann. Deshalb fordert Greenpeace, 30 Prozent der Meeres- und Landfläche wirklich zu schützen und zerstörerische Aktivitäten auszuschließen. Da indigene und lokale Bevölkerungsgruppen oft die besten Hüter natürlicher Ökosysteme sind, müssen ihre Rechte zudem unbedingt berücksichtigt werden.
Die EU hat sich bisher lediglich darauf geeinigt, mindestens ein Drittel dieser Schutzgebiete – also zehn Prozent der Landflächen und Meeresgebiete – strikt zu schützen. Das muss bedeuten, dass industrielle und zerstörerische Aktivitäten wie Fischerei, Holzeinschlag, Öl- und Gasförderung, oder Sand- und Kiesabbau in solchen Kernzonen nicht erlaubt sind.
Die Bundesregierung hat bisher keinen Plan, wie sie das Ziel, 10 Prozent der Landfläche streng zu schützen, in Deutschland umsetzen will. Deswegen hat Greenpeace Ende 2021 berechnet, was das für die Wälder in Deutschland bedeuten könnte. Hierzu wurden die besonders bedrohten und daher besonders schützenswerten Wälder in Deutschland analysiert. Die Wälder, die demnach besonders schutzbedürftig sind, bilden ca. 15% der deutschen Waldfläche ab.
Für die Meeresflächen in Deutschland fordern wir, dass mindestens die Hälfte der bereits bestehenden Natura-2000-Schutzgebiete (die etwa 30 Prozent der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone umfassen) unter strengen Schutz gestellt und damit vor jeglicher industrieller Nutzung geschützt werden sollten, also auch etwa 15 Prozent.
Warum brauchen wir Artenvielfalt überhaupt?
Mit jeder Art, die ausstirbt, schädigen wir auch uns selbst. Wir brauchen sie alle, nicht nur die besonders niedlichen. Wir brauchen Pflanzen als Lebensgrundlage und Nahrung und Insekten, um Pflanzen zu bestäuben. Stirbt eine Art aus, kann das dramatische und unvorhersehbare Konsequenzen auf das gesamte Nahrungsnetz haben. Die Vielfalt von Lebensräumen und Arten ist auch wichtig für die menschliche Entwicklung: So sind Tiere und Pflanzen seit jeher eine Inspiration für Technik und Kunst und eine Fundgrube für die Entwicklung von Medikamenten.
Eine intakte Natur ist unsere Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise: Gesunde Wälder und Meere nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf und produzieren Sauerstoff. Diese Ökosysteme können diese Aufgaben nur erfüllen, wenn sie gesund sind: Kahlgeschlagene Wälder, trockengelegte Moore und sich durch die Klimakrise erwärmende und versauernde Meere können weniger oder gar kein klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern.
Greenpeace-Forderungen zur Weltnaturkonferenz
Damit Artenvielfalt und Natur sich erholen können, müssen weltweit bis 2030 mindestens 30% der Landesoberfläche und Meere unter Wahrung der Rechte von Indigenen und lokalen Gemeinschaften geschützt werden.
Dazu muss die Bundesregierung:
- jährlich zwei Milliarden Euro für den Erhalt von Natur weltweit zur Verfügung stellen
- in Deutschland mindestens 15 % Wald- und Meeresflächen strikt vor industrieller Nutzung schützen
- Maßnahmen gegen die Ressourcenverschwendung ergreifen - denn Ressourcenschutz ist Naturschutz.