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Walfangschiff Icelandic erreicht den Hafen von Hvalfjordur mit den ersten zwei gefangenen Finnwalen, 2014
Greenpeace

Deutsche See und die Walfänger

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Muss ein Unternehmen seine Geschäftsbeziehungen überdenken, wenn der Geschäftspartner zweifelhafte Verbindungen pflegt? Im Fall der Fischmanufaktur Deutsche See meint Greenpeace: Eindeutig, ja!

Die Situation in Island ist speziell: Es ist das einzige Land neben Norwegen und Japan, das noch Wale fängt. Ein Schlupfloch im Moratorium der Internationalen Walfangkommission, welches den Walfang verbietet, macht es möglich. Nur knapp über 300.000 Einwohner leben auf der Insel südlich des nördlichen Polarkreises. Walfang gehöre zur Tradition, so das Totschlagargument der Walfänger, allen voran Kristján Loftsson, dem Gesicht des isländischen Walfangs.

Die Proteste der Walfanggegner halten an - auch in der isländischen Bevölkerung selbst ist das Schlachten von Walen umstritten. Konfrontative Protestaktionen vor Ort führen allerdings zu einer Verweigerungshaltung der Isländer, die sich dadurch in ihrer Kultur und Tradition angegriffen fühlen. Doch es gibt auch andere Wege: Unternehmen wie Deutsche See können ein Zeichen für den Artenschutz setzen, indem sie ihre Handelsbeziehungen unter die Lupe nehmen und Lieferanten mit Verbindungen zum Walfang ausschließen.

Produkte des größten deutschen Seefischimporteurs finden sich hierzulande in zahlreichen Kühl- und Frischetheken der gängigen Supermarktketten, das Unternehmen beliefert zudem Großkantinen- und Küchen. Einen Teil des Fisches, wie zum Beispiel Rotbarsch, bezieht Deutsche See direkt von der größten isländischen Fischereifirma, HB Grandi hf. Diese Firma hat eine feste Verbindung zur isländischen Walfangfirma Hvalur hf, unter der Leitung von Geschäftsführer Kristján Loftsson, der die Anteilsmehrheit an HB Grandi hf hält. Zusätzlich unterstützt HB Grandi hf den Walfang, indem es seine Werkshallen an die Walfänger vermietet, die dort die Tiere zerlegen und für den Export nach Japan vorbereiten. Greenpeace hat Deutsche See als einen der Hauptkunden von HB Grandi hf bereits mehrmals schriftlich und im direkten Gespräch aufgefordert, die Handelsbeziehungen auf Eis zu legen, solange derart enge Beziehungen zur Walfangindustrie bestehen.

In einem Brief an Greenpeace bestätigt Deutsche See diese Beziehungen zwar, sieht aber keine Notwendigkeit, zu handeln:

„ [...] Die Verbindungen zwischen beiden Unternehmen, HB Grandi hf und Hvalur hf, haben wir [...] nie bestritten. Kristján Loftsson ist Anteilseigner an HB Grandi hf, das ist allgemein bekannt und nichts Neues. Allerdings begründen weder die Anteilsverhältnisse [...] an HB Grandi hf noch die Position des Aufsichtsrates von Herrn Loftsson eine Beteiligung HB Grandis am Walfang. ...... Vor diesem Hintergrund sehen wir keine Veranlassung, unsere Geschäftsbeziehungen zu HB Grandi hf in Frage zu stellen... [...]“

Und weiter:

„[...] Eine Verknüpfung des Walfangaspektes mit Konsequenzen für den Handel von isländischen Fischprodukten halten wir[...]der Sache nicht dienlich“.   [Quelle: Briefwechsel zwischen Greenpeace und Deutsche See, Juli 2014]

Meeresbiologe Thilo Maack setzt sich seit 15 Jahren bei Greenpeace für den Schutz der Meere ein und sieht das anders: „Diese Sichtweise hat sich in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen als falsch erwiesen. Es ist oft der ökonomische Druck, der das Verhalten ändert. Deutsche See hat durchaus mehr Einfluss im Kampf gegen den Walfang, als die Geschäftsführung denkt!“ Einige Beispiele aus früheren Greenpeace-Kampagnen verdeutlichen, wie Unternehmen über ihre Lieferkette oder Geschäftsbeziehungen Druck auf Umweltsünder ausüben und eine Vorbildfunktion für ihre Branche einnehmen können. 

Soja, Fleisch und Papier – Erfolge durch Druck der Handelspartner

  1. So kontaktierte Greenpeace im Jahre 2006 zahlreiche Sojaimporteure, Supermärkte und Fast-food Restaurants. Der Vorwurf: Das von ihnen gekaufte Soja stand direkt mit der Zerstörung von wertvollem Amazonas-Regenwald in Zusammenhang. Nach ersten Greenpeace-Protesten für den Schutz des Regenwaldes wandten diese sich direkt an ihre Zuliefererfirmen und Händler, darunter der größte Sojahändler, die Firma Cargill. Cargill stimmte schließlich einer zentralen Greenpeace-Forderung zu: Kein Handel mit Soja aus Regenwaldzerstörung.
  2. Im Jahr 2009 wies Greenpeace darauf hin, dass Rinderfarmer im Amazonas für ihre Herden  riesige Flächen Regenwald rodeten. Für Greenpeace trugen die Abnehmer des Fleisches bzw.  des Leders eine Mitverantwortung. Nach Kontaktaufnahme mit entsprechenden Firmen, zum Beispiel dem weltgrößten Fleischerzeuger JBS, setzten einige ihre Hebel in Bewegung und beendeten ihre Zusammenarbeit mit zweifelhaften Rinderfarmen.
  3. Mit der Forderung, sich für die letzten schützenswerten Wälder in Finnland einzusetzen, wandte sich Greenpeace vor einigen Jahren an die deutsche Verlagslandschaft. Verlage, die Zeitungspapier von finnischen Papierherstellern bezogen, drohten diesen als Reaktion auf die Greenpeace-Kampagne, ihre Verträge einzufrieren. Eine Maßnahme, die 2008 die finnischen Papierhersteller dazu bewog, sich für eine Lösung einzusetzen. Mit Erfolg, denn die Wälder wurden 2009 und 2010 konsequent unter Schutz gestellt.

Mit Blick auf Deutsche See fordert Greenpeace, die Verantwortung gegenüber dem Natur- und Artenschutz ernst zu nehmen. „Deutsche See hat 2010 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten – darauf darf sich das Unternehmen nicht ausruhen. Wir fordern Deutsche See auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den Schutz der bedrohten Finnwale im Nordost-Atlantik einzusetzen. Die Verträge mit HB Grandi hf müssen solange ausgesetzt werden bis der Walfang in Island beendet ist“, so Meeresexperte Maack. 

  • Ein Finnwal wird in Hvalfjordur/Island zerlegt, Juni 2014

    Finnwale werden zerlegt

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  • Finnwal fotografiert von der Rainbow Warrior, August 2009

    Finnwal im Mittelmeer

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