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Maize Field in France
© Emile Loreaux / Greenpeace

Der Mais mit dem zweiten Gesicht

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Als besondere Eigenschaft des Gen-Maises gilt vor allem seine Resistenz gegenüber Schädlingen. Für die Raupen des Maiszünslers beispielsweise ist Mais ein gefundenes Fressen: Sie bohren Tunnel durch die Blätter und Stengel der Pflanze, so dass der Mais häufig abbricht. Um das zu vermeiden, nutzten die Bauern bislang das so genannte Bt-Gift, Bacillus thurengiensis, welches ursprünglich von Bodenbakterien stammt. Niedrig konzentriert und beim Sprühen nur kurzzeitig auf bestimmte Insekten wirkend, galt Bt als ungefährlich und wurde so auch in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt.

Um Schädlinge zu bekämpfen und letztlich höhere Erträge zu erzielen, begannen Wissenschaftler vor einigen Jahren die Nutzpflanze Mais genetisch zu manipulieren. Ein zusätzliches Gen-Konstrukt muss dazu in die Zelle eingeschleust werden, deshalb bombardiert eine Gen-Kanone die Zelle mit Metallpartikeln. Schließlich landet das Konstrukt im Inneren der Zelle - wohin genau, können die Wissenschaftler allerdings nicht bestimmen. Wenn der Mais später wächst, setzt er in hohen Konzentrationen Bt frei. Über Wurzeln, Pollen und Pflanzenteile kommt das Gift dann in die Umwelt.

Die genmanipulierte Pflanze wehrt sich am Ende nicht nur gegen Schädlinge, sondern greift ihr gesamtes Umfeld an. Christoph Then, Gentechnik-Experte bei Greenpeace sagt dazu: Die ökologischen Probleme von Gen-Pflanzen resultieren aus einer Risiko-Technologie, an der nur einige Agrarkonzerne verdienen. Es ist ausgeschlossen, dass auch durch umfassende Untersuchungen die komplexen Umweltfolgen des Gen-Mais-Anbaus ausreichend abgeschätzt oder gar kontrolliert werden können.

Bislang können nur wenige Untersuchungen Aufschluss über die Auswirkungen des Insektengiftes im Gen-Mais geben. So starben durchschnittlich mehr Schmetterlingsraupen, als sie im Labor mit Pflanzen gefüttert wurden, auf denen Gen-Mais-Pollen lagen. Auch Bienenvölker, die im Freilandversuch mit Bt-Pollen gefüttert wurden, zeigten zum Teil eine verringerte Brutaufzucht.

Aktuelle Untersuchungen, die unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurden, belegen zudem Effekte auf das ganze Ökosystem: Bakterien und Pilze, Faden- und Regenwürmer sowie Bodeninsekten, die für Kompostierung und Bodenfruchtbarkeit wichtig sind, werden durch den Gen-Mais in ihrer Entwicklung gehemmt.

Der Einfluss des Gen-Maises auf die biologische Vielfalt in Europa ist bislang von den Zulassungsbehörden nicht ausreichend geprüft worden. Angesichts der wissenschaftlichen Grundlagen fehlen also die Voraussetzungen für eine neuerliche Genehmigung des Gen-Maises. Then: Aus den vorliegenden Erkenntnissen wird deutlich, dass die Freigabe des Gen-Maises für den kommerziellen Anbau verfrüht erfolgt ist und mit dem in der EU gesetzlich verankerten Vorsorgeprinzip nicht vereinbar ist.

Nach EU-Recht können die Mitgliedsländer nationale Maßnahmen gegen die Einfuhr und den Anbau von Gen-Saaten verhängen, wenn neue Erkenntnisse über eine mögliche Gefährdung von Mensch und Umwelt vorliegen. Einige Länder haben von der Schutzklausel bereits Gebrauch gemacht - etwa Ungarn.

Béla Darvas, Professor der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, ist bei der Vorstellung der Greenpeace-Studie dabei. Er erklärt: Weil niemand die langfristigen Folgen des Gen-Mais-Giftes für die Artenvielfalt in Ungarn abschätzen kann, ist der kommerzielle Anbau seit 2005 verboten.

Ob der Gen-Mais MON810 auch in Deutschland künftig nicht mehr angebaut werden darf, entscheidet sich für Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach im Oktober. Dann werden die EU-Behörden über die Zulassung richten.

(Autorin: Cindy Roitsch)

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