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Bauer Ellenberg
Petra Ellenberg

Linda statt Amflora - Ein Interview

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Mit der Amflora ist die erste gentechnisch veränderte Kartoffel zum europaweiten Anbau zugelassen worden. Nach dem Willen der Industrie ist das erst der Anfang: Inzwischen hat die BASF auch eine gentechnisch veränderte Speisekartoffel angekündigt. Über Konsequenzen für den ökologischen Kartoffelanbau haben wir uns mit Karsten Ellenberg unterhalten. Ellenberg ist Kartoffelbauer aus Leidenschaft und hat mit dem Freundeskreis „Rettet Linda!“ dafür gesorgt, dass die beliebte Speisekartoffel Linda wieder angebaut und verkauft werden darf, nachdem sie der Züchtungskonzern Europlant Ende 2004 von der Saatgutliste gestrichen hatte. Ellenbergs 60 Hektar großer Biolandhof liegt in der Nähe von Bad Bevensen.

Online-Redaktion: Wie lange züchten Sie schon Kartoffeln?

Ellenberg: Mit Kartoffeln beschäftige ich mich schon mein ganzes Leben. Ich bin mit der Kartoffelzucht groß geworden und habe schon als junger Mann Kartoffeln angebaut und vermehrt. 1996 haben wir dann angefangen, speziell alte Sorten anzubauen, zu testen und zu vermehren. Diese Sorten sind schon vor einhundert Jahren, lange vor der Öko-Welle, ökologisch gezüchtet worden. Damit hatten wir ganz guten Erfolg, weil sie etwas besonderes sind und eine viel größere Vielfalt bieten als die Sorten heute.

Online-Redaktion: Wie viele Kartoffelsorten züchten Sie insgesamt?

Ellenberg: Wir haben rund 170 Sorten in Erhaltungszucht. In der Neuzucht kreuzen wir außerdem jedes Jahr eigene Sorten neu. Da sind so drei bis vier Sorten dabei, die wir anschließend als Speisekartoffeln auf den Markt bringen. Pro Jahr bieten wir 33 Sorten zum Verkauf an.

Viele alte Sorten behalten wir zum Züchten und Entwickeln auf dem Feld oder in unserem Kartoffellabor. Das Züchten macht besonders viel Spaß. Wir konnten uns eine gewisse Unabhängigkeit schaffen, was sehr gut ist. Mit der Linda können wir jetzt richtig auf dem Kartoffelmarkt mitmischen. Unser großes Ziel ist es, in Sachen Form, Farbe und Geschmack eine neue Vielfalt auf dem Markt herzustellen. Wir bauen zum Beispiel auch rotfleischige Kartoffeln an, die fast keiner mehr kennt.

Online-Redaktion: Die Amflora ist nun zugelassen: Mit welchen Folgen für sie als Kartoffelzüchter rechnen sie?

Ellenberg: Es darf hier im Umkreis von vielen Kilometern keine Amflora angebaut werden. Sonst würde ich mir über den Pollenflug Sorgen machen. Schließlich baue ich auch unter freiem Himmel auf dem Feld an. Der Pollen, den ich zur Zucht benutze, darf nicht mit gentechnisch veränderten Pollen gemischt sein. Das kann aber passieren, wenn fremder Pollen auf meinen Feldern landet.

Auch wenn die Amflora keine Speisekartoffel ist, bereitet mir die Zulassung Sorgen: Ich habe den Verdacht, die Zulassung könnte so eine Art Einstiegsfenster für andere Sorten sein, auch Speisekartoffeln. Auch wenn Gentechniker gerne behaupten, dass Gen-Kartoffeln ungefährlich sind, bin ich skeptisch. Man weiß zu wenig über die Folgen der Genveränderung und sollte die Menschen nicht als Versuchskaninchen benutzen. Deswegen versuchen wir mit unserer Zucht einen Gegenpol zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass wir die Kartoffelzucht auf unsere Weise langfristig viel besser hinkriegen.

Online-Redaktion: Die BASF behauptet, dass Auskreuzungen mit anderen Sorten ausgeschlossen werden können, da Kartoffeln sich ja normalerweise vegetativ über Tochterknollen vermehren. Sehen Sie dennoch die Gefahr, dass es zu Auskreuzungen auf dem Feld kommt?

Ellenberg: Es gibt neben der vegetativen auch die generative Zucht mit dem Pollen der Pflanze. Wenn ich auf diese Weise züchte, dürfen in meiner Gegend keine Gen-Kartoffeln angebaut werden, weil Pollen dieser Pflanzen auf meinem Feld eingetrieben werden könnten. In der herkömmlichen Zucht wird zwar vornehmlich in Gewächshäusern gezüchtet, da kommen die Pollen nicht so schnell ran, aber im Bio-Bereich ist das anders. Ich arbeite zum Beispiel auch mit Kartoffeln, die auf dem Feld unter freiem Himmel wachsen, weil die Kartoffeln so natürliche Abwehrmechanismen ausprägen und nicht auf chemische Hilfsmittel angewiesen sind.

Man muss bedenken, dass die Flächen, auf der einmal Gen-Kartoffeln angebaut worden sind, anschließend belastet sind. Es kann immer Durchwuchs geben, wenn ein paar Kartoffeln, die tiefer im Erdreich stecken, nicht gerodet werden, oder daneben fallen und in dem Feld „überwintern“. Ein Teil der Ernte – etwa 0,1 bis 1 Prozent – bleibt immer auf dem Feld liegen. Wenn man im nächsten Jahr auf demselben Acker eine andere Frucht – Weizen zum Beispiel - anbaut, könnten auch die genmanipulierten Kartoffeln wieder mit hochkommen, sich vermehren und nach vier Jahren beim nächsten Kartoffelanbau mitwachsen. Das zeigt die Praxis bei der Vermehrung konventioneller Kartoffeln. Um null Prozent Gentechnik bei der Ernte zu erzielen, muss man garantieren können, dass auf den betreffenden Erntefeldern vorher keine Gen-Pflanzen angebaut worden sind.

Online-Redaktion: Gibt es noch mehr Risiken?

Ellenberg: Nie auszuschließen ist auch das sogenannte Aussamen über die Sämlingskörner aus der Beere. Das ist die natürliche vegetative Vermehrung einer Art, mit der sie sich an neue klimatische Bedingungen anpassen kann. Es wird fast unmöglich, zu verhindern, dass sich gentechnisch veränderte Sorten irgendwie doch einkreuzen. In Amerika wären so auch wilde Kartoffelarten bedroht, die für Züchter von großer Bedeutung sind.

Online-redaktion: Gemäß dem deutschen Gesetz zur Regelung der Gentechnik hat der anbauende Landwirt im Rahmen der „guten fachlichen Praxis“ Vorsorge dafür zu treffen, dass gentechnisch veränderte Kartoffeln bei Aussaat und Ernte nicht in andere Grundstücke gelangen sowie Auskreuzungen in benachbarte Bestände vermieden werden. Darüber hinaus muss der Landwirt dafür sorgen, dass bei der Lagerung und dem Transport eine ungewollte Vermischung und Vermengungen mit anderen Produkten verhindert werden. Wie sollte Ihrer Meinung nach die gute fachliche Praxis beim Anbau von Genkartoffeln aussehen?

Ellenberg: Vielleicht so, dass Flächen, auf denen einmal Gen-Kartoffeln angebaut worden sind, über einen längeren Zeitraum – vielleicht zehn Jahre oder länger – nicht mehr mit Speisekartoffeln bepflanzt werden dürfen. Ich würde aber nicht einmal nach zehn Jahren garantieren können, dass es zu keinem Durchwuchs von Gen-Kartoffeln kommen kann.

Online-Redaktion: Wo sonst kann es noch zu Verunreinigungen von konventionellen Kartoffeln durch Gen-Kartoffeln kommen?

Ellenberg: Es muss höllisch aufgepasst werden, dass nichts vermischt wird: Ein Kartoffelsack kann reißen, Kartoffeln können beim Transport aus dem LKW kullern, Tiere können Kartoffeln essen oder verbuddeln. Es kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass es irgendwo eine undichte Stelle gibt. Falls eines Tages auch gentechnisch veränderte Speisekartoffeln angebaut werden, kann bei der Abpackung und Lagerung nie hundertprozentig garantiert werden, dass sich die Sorte nicht mit konventionellen Sorten vermischt. Es bleiben immer mal Kartoffeln auf Förderbändern liegen, die dann im falschen Sack landen. Technisches oder menschliches Versagen wird immer wieder zu Verunreinigungen führen. Im Falle der Gentechnik hätten solche Fehler schwerwiegende Folgen.

Online-Redaktion: Welche Maßnahmen wären denn notwendig, um auf dem Acker das Kontaminationsrisiko so gering wie möglich zu halten?

Ellenberg: Kontrollen, Kontrollen, Kontrollen. Gefahrengut auf dem Markt erfordert unzählige, nervtötende Kontrollen. Der bürokratische Aufwand würde eine Menge Kosten verursachen, für die Landwirt und Verbraucher aufkommen müssten. Und all das ohne erkennbaren Nutzen für den Verbraucher, nur mit Vorteilen für die Industrie.

Online-Redaktion: Die BASF plant weitere Gen-Kartoffeln, auch für den Lebensmittelmarkt, in der EU anzubauen und zu vermarkten. Ist eine gentechfreie Kartoffelzucht dann überhaupt noch möglich?

Ellenberg: Jein. Gerade wenn man besonders ökologisch züchten möchte, und Pollen von draußen verwendet, sind Fremdbefruchtungen niemals auszuschließen. Ich als ökologischer Kartoffelzüchter bin in der Beweispflicht, dass meine Produkte keine Gentechnik enthalten. Die Kosten für aufwendige Gentechnik-Laboruntersuchungen würden bei zunehmendem Anbau von Gen-Kartoffeln unbezahlbar werden.

Online-Redaktion: Die alte Kartoffelsorte Linda wurde ja vor allem durch den Druck der Verbraucher wieder zugelassen. Ein tolles Beispiel für die Macht der Konsumenten. Wie läuft denn der Verkauf?

Ellenberg: Wunderbar! Jeden Tag bekommen wir neue Bestellungen. Was wir in Deutschland und Großbritannien produziert haben, ist längst ausverkauft. Wir nehmen schon Bestellungen für das Jahr 2011 entgegen, da sind wir jetzt auch schon fast ausverkauft. Es scheint, die Beliebtheit der Linda sei in der Zeit, in der die Kartoffel nicht verkauft worden ist, noch gestiegen, bei uns haben auch schon Discounter nach der Linda gefragt.

Online-Redaktion: Kann die Linda jetzt wieder ohne Probleme von jedem Bauer angebaut werden?

Ellenberg: Wir haben die Linda letztes Jahr im Herbst ohne Sortenschutz in der Europäischen Sortenliste für Kartoffeln eintragen lassen. Das heißt: Die Linda ist frei und kann von jedem Bauern vermehrt und verkauft werden – natürlich nur unter Wahrung der Kriterien für Pflanzgutqualität. Jetzt haben wir auch noch die Zulassung aus Deutschland bekommen, dank der positiven Wertprüfungen aus Großbritannien. Somit ist die Sorte jetzt auch in Deutschland und nicht bloß als EU-Sorte gelistet.

 

Mit der grossflächigen Projektion "Nein zur Gen-Kartoffel!" und einer Kartoffelfratze auf das Bundeskanzleramt in Berlin haben Greenpeace-Aktivisten gegen den Anbau der umstrittenen Gen-Kartoffel "Amflora" protestiert, März 2010.

Der schwarz-gelben Bundesregierung kommt die Entscheidung der Europäischen Kommission, die Gen-Kartoffel Amflora zuzulassen, gelegen. Greenpeace nicht.

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