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Deutsches Patentgesetz erlaubt Patente auf Leben

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Die EU-Richtlinie Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen wurde 1998 vom Europäischen Parlament verabschiedet. Um die Abgeordneten von dem Regelwerk zu überzeugen, hat die Pharmaindustrie sogar Rollstuhlfahrer ins Europäische Parlament gebeten. Motto der Kampagne: No Patents, No Cure (Keine Patente, keine Heilung).

Das Europäische Parlament stimmte zu, übersah aber zunächst die Reichweite der Entscheidung. Im Jahr 2001 forderte es in einer Resolution, dass Patente auf Gene in ihrer Reichweite beschränkt werden sollten.[1] Damit stellte sich das Parlament an die Seite derer, die negative Auswirkungen der Richtlinie besonders für Patientenbefürchten. Dazu zählen die Weltärztekammer, europäische Humangenetiker, Krankenkassen und Patientenorganisationen.

Die Gen-Patentrichtlinie der EU

Die Mängelliste der EU-Richtlinie ist lang:

Patente auf den menschlichen Körper werden zwar verboten, gleichzeitig werden aber Patente auf isolierte und kommerziellverwertbare Teile des menschlichen Körpers wie Organe, Zellen und Gene erlaubt.

Patente auf menschliche Embryonen zu kommerziellen Zwecken werden verboten, zu therapeutischer Verwendung aber erlaubt.

Patente auf das Klonen menschlicher Lebewesen werden verboten, es ist aber unklar, ob das auch für das Klonen von Embryonen zu Forschungszwecken gelten soll.

Patente auf Pflanzensorten und Tierarten werden verboten, gleichzeitig werden aber Patente auf Tiere und Pflanzen erlaubt, auch wenn Pflanzensorten und Tierarten von den Patenten betroffen sind.

Ein Regelwerk mit schön klingenden, aber rechtlich nicht wirksamen Verboten. Die befürchteten negativen Auswirkungen sind die Monopolisierung von Saatgut durch Agrochemie-Konzerne, Behinderung der Forschung zum Schaden von Patienten, Entstehen einer Embryonenindustrie und die nachhaltige Verschiebung der ethischen Grenzen. Erstmals werden höhere Lebewesen, einschließlich Säugetiere, zur technischen Erfindung erklärt. Auch der bislang generell verbotenen Kommerzialisierung wird Tür und Tor geöffnet.

Greenpeace hat anhand von verschiedenen Patenterteilungen in Europa die praktische Umsetzung der Richtlinie aufgezeigt. Das Europäische Patentamt in München wendet das Regelwerk seit 1999 offiziell an. Unter den erteilten Patenten finden sich

  • tiefgekühlte menschliche Embryonen,
  • Sperma und Eizellen des Menschen,
  • menschliche Organe,
  • über 1000 Patente auf Gene von Mensch und Tier,
  • einige hundert Patente auf Saatgut und
  • fast hundert Patente auf Tiere.

Greenpeace fordert einen Stopp der Patentierung, eine Neuverhandlung der europäischen Patentgesetze und strengere Kontrollen des Europäischen Patentamtes.

Das deutsche Patentgesetz

Der Deutsche Bundestag hat Ende 2004 die umstrittene EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Nach Ansicht von Greenpeace hat das Gesetz folgende Stärken und Schwächen:

Positive Aspekte

  1. Die Stärkung des Embryonenschutzes – Patente auf menschliche

    Embryonen sollen unter Verweis auf das Embryonenschutzgesetz generell

    verboten werden.

  2. Das Verbot der Patentierung von Keimzellen des menschlichen Körpers (Samen und Eizellen).
  3. Die Erleichterung des Zugangs zu Saatgut für Züchter bei patentgeschützten Pflanzen.
  4. Der Schutz von Landwirten vor Forderungen, wenn sich patentgeschützte Pflanzen ungewollt auf ihrem Acker ausbreiten.
  5. Patente auf Gene sollen in ihrer Reichweite auf das reduziert werden, was technisch konkret beschrieben wird.

Negative Aspekte

  1. Patente auf Pflanzen und Tiere werden nicht beschränkt. Normale

    Züchter und Landwirte geraten in weitreichende Abhängigkeiten der

    Agrochemie, die bereits weite Teile des Saatgutmarktes durch Patente

    kontrolliert. Die geplanten Einschränkungen sind hier absolut

    unzureichend.

  2. Keine wirksame Begrenzung des Patentschutzes bei Genen: Die

    Regelung greift zu kurz. Im Gegensatz zu Regelungen in Frankreich, bei

    denen ausdrücklich festgestellt wird, dass Gene nur im Rahmen von

    konkreten technischen Anwendungen genutzt werden können und alle

    anderen Verwendungen der Gene frei sind, scheint die deutsche Regelung

    nur in wenigen Fällen anwendbar und relativ leicht umgehbar zu sein.

    Sie regelt, wie die (relativ wenigen) Patente abgefasst werden sollen,

    die von deutschen Patentämtern erteilt werden, lässt aber offen, ob

    auch die (äußerst zahlreichen) Patente betroffen sind, die zunächst vom

    Europäischen Patentamt erteilt werden und erst dann in Deutschland

    Gültigkeit erlangen.

  3. Keine Angabe über Herkunft der patentierten Ressourcen: Weder ist

    ein ausdrückliches Einverständnis von Patienten nötig, wenn zum Beispiel ihre

    Gene patentiert werden, noch muss klar dargelegt werden, ob Patente auf

    Saatgut und Arzneimittel auf Biopiraterie (Ausbeutung der

    Entwicklungsländer) beruhen.

Fazit

Die Regelungen gehen bei Genen, Pflanzen und Tieren nicht weitgenug, bedeuten aber in ethischen Fragen in Bezug auf den Menschengewisse Verbesserungen. Generell leidet das Gesetzeswerk darunter, dass die meisten Patente auf europäischer Ebene erteilt werden und deswegen neue europaweite Regelungen gefunden werden müssen. Greenpeace fordertvor diesem Hintergrund eine zügige Neuverhandlung in Brüssel, ähnlich wie das auch Ärztekammer, Krankenkassen, Bauernverband und kirchliche Einrichtungen gefordert haben. Dazu muss eine konkrete Initiative gestartet werden, um in Brüssel zu klaren Ergebnissen zu kommen. Aus der Debatte in Deutschland und anderen Mitgliedsländern der EU geht klar hervor, dass die derzeitige Situation absolut unbefriedigend ist.

Fußnote:

[1] European Parliament, Resolution on the patenting of BRCA1 and BRCA2, 4.10.2001

Datum

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