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Bahn mit einem Fahrradsymbol an einem Wagon fährt in den Bahnhof

Anschluss nicht verpassen

Ein Klimaticket kann Haushalte entlasten, das Klima schonen und es lässt sich leichter finanzieren, als viele glauben. Alles spricht für ein dauerhaftes ÖPNV-Ticket für maximal 29 Euro im Monat.

Für das vermutlich größte Experiment im deutschen Verkehr seit Erfindung der Postkutsche lief die Sache mit dem 9-Euro-Ticket ziemlich gut. Von Anfang Mai bis Ende August waren deutlich mehr Menschen mit der Bahn unterwegs und gleichzeitig weniger Autos auf den Straßen, zeigt die Bilanz der Verkehrsverbünde (VDV). Verkehrsminister Volker Wissing nannte das Ticket einen „fulminanten Erfolg“, und selbst in einem Land, in dem das Meckern über die Bahn populärer ist als der Wetter-Plausch zeigten sich die allermeisten Nutzer:innen zufrieden mit dem Angebot. Längst wird nicht mehr über das Ob einer Nachfolge diskutiert, sondern nur noch über das Wie.  

Die Auswertung des 9-Euro-Experiments hat drei Dinge gezeigt:

  • Um mehr Menschen für den ÖPNV zu begeistern, ist der Preis ein entscheidender Faktor.
  • Wird der dichte Wald regionaler Tarifzonen und kommunaler Ticketvarianten gelichtet, steigen mehr Menschen in Bus und Bahn.
  • Damit mehr Menschen in den Genuss eines einfachen und günstigen Klimatickets kommen, muss das Angebot weiter ausgebaut werden.

Derzeit dreht sich die Debatte hauptsächlich um den Preis. Dabei wird oft unterstellt, ein günstiges Ticket sei unbezahlbar. Doch das stimmt nicht. Welche überraschenden Ergebnisse sich zeigen, wenn auch der andere zentrale Faktor -die Absatzzahl -berücksichtigt wird, zeigt eine Greenpeace-Kalkulation. Ein Ticket für maximal 29 Euro pro Monat, wie es Greenpeace und andere fordern, ist demnach für den Staat maximal so teuer wie das diskutierte 49-Euro-Ticket, vermutlich kostet das günstigere Ticket den Staat sogar weniger. Das liegt daran, dass ein bezahlbares 29-Euro-Ticket laut Umfragen von doppelt so vielen Menschen gekauft werden würde, wie ein 49-Euro-Ticket. Die möglichen Einnahmen eines 29-Euro-Tickets addieren sich somit auf 8,6 Milliarden Euro –1,4 Milliarden Euro mehr als bei einem 49-Euro-Ticket.

Kalkulation Klimaticket: Billig ist besser

Kalkulation Klimaticket: Billig ist besser

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Nun werden manche einwenden, dass sei ja nicht die ganze Rechnung. Viele neue Besitzer:innen eines solchen ÖPNV-Abos kaufen schließlich keine Einzel-oder Tagestickets mehr. Diesen Effekt berücksichtigt die Greenpeace-Kalkulation. Denn selbst wenn die Einzelticketverkäufe bei einem 29-Euro-Ticket um zwei Drittel einbrechen sollten, was pessimistisch gerechnet ist, lässt sich das Ticket mit dem diskutierten Bund-Länder-Beitrag von jeweils 1,5 Milliarden Euro finanzieren.

Weniger offensichtlich, aber gleichfalls entscheidend für die Zukunft des Klimatickets ist aus Sicht von Greenpeace: In welcher Form kann ein ÖPNV-Ticket Haushalte entlasten, die derzeit unter hohen Teuerungsraten ächzen? Während eine Familie mit zwei Kindern im Vergleich zur Autonutzung durch ein Klimaticket um bis zu 220 Euro monatlich entlastet wird, sind es beim 49-Euro-und 69-Euro-Tickets nur maximal 150 bzw. 70 Euro Entlastungswirkung. Selbst wenn jede zweite längere Strecke mit dem Fernverkehr und einer Bahncard 50 zurückgelegt wird, sparen die untersuchten Haushalte mit einem Klimaticket jeden Monat Geld, verglichen damit, alle Wege mit dem eigenen Auto zurückzulegen.

Die Bilanz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zum 9-Euro-Ticket hat nicht nur das große Kundenpotenzial eines günstigen ÖPNV-Tickets offenbart, sondern auch einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz errechnet - bis zu 7,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. „Ein dauerhaftes Klimaticket bietet Antworten auf gleich zwei drängende Probleme: Es entlastet die von der Energiekrise getroffenen Haushalte spürbar und es bringt den Klimaschutz im Verkehr endlich voran“, sagt Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer.

Nicht einmal die Haushalte von Bund und Ländern müsste das CO2-sparende Entlastungspaket namens Klimaticket belasten. Allein die Steuervorteile für Dienstwagen zu streichen, - einem Privileg, von dem ganz überwiegend besser gestellte Haushalte profitieren - würde die Kosten eines solchen Tickets wettmachen. Die Möglichkeiten der Finanzierung eines Klimatickets hatte Greenpeace in einer weiteren Publikation zum Klimaticket aufgezeigt. „Das Geld für ein Klimaticket ist da, aber die Bundesregierung gibt es bislang für klimaschädliche Subventionen aus“, so Reiserer. „Das Dienstwagenprivileg gehört abgeschafft, die Entfernungspauschale reformiert – dann ist ein nachhaltiges und sozial gerechtes Klimaticket schnell finanziert.“

Kostenvergleich Klimaticket

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Ein dauerhaft günstiges ÖPNV-Angebot im Anschluss an das 9-Euro-Ticket entlastet Haushalte und spart CO2

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Das Ergebnis: Ein Klimaticket für maximal einen Euro pro Tag kann Haushalte um mehrere Hundert Euro pro Monat entlasten. Gleichzeitig ließen sich damit bis zu 6 Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen. „Ein dauerhaftes Klimaticket bietet Antworten auf gleich zwei drängende Probleme: Es entlastet die von der Energiekrise getroffenen Haushalte spürbar und es bringt den Klimaschutz im Verkehr endlich voran“, sagt Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer.

Greenpeace hat die Gesamtkosten sieben unterschiedlicher Arten von Mobilität verglichen. Werden alle Wege mit einem Klimaticket zurückgelegt, ist dies für alle vier untersuchten Haushaltstypen die günstigste Form, mobil zu sein. Pro Monat können Haushalte so zwischen 224 und 474 Euro sparen. Selbst wenn jede zweite längere Strecke mit dem Fernverkehr und einer Bahncard 50 zurückgelegt wird, sparen die Haushalte jeden Monat Geld, verglichen damit, alle Wege mit dem eigenen Auto zurückzulegen.

Haushalte mit einem Klimaticket zu entlasten, kann zudem die seit Jahrzehnten stagnierenden Verkehrsemissionen mindern. Die Verkehrsverlagerung durch ein solches Ticket würde den CO2-Ausstoß um jährlich 2 bis 6 Millionen Tonnen senken.

Nicht einmal den Bundeshaushalt müsste das CO2-sparende Entlastungspaket namens Klimaticket belasten. Die geschätzten Kosten eines 365-Euro-Tickets von etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr entsprechen einem Bruchteil der von der Bundesregierung gewährten klimaschädlichen Subventionen. Allein die Steuervorteile für Dienstwagen zu streichen, - einem Privileg, von dem ganz überwiegend besser gestellte Haushalte profitieren - würde die Kosten eines solchen Tickets wettmachen. Zusätzlich die Entfernungspauschale zu reformieren, könnte den Staatshaushalt insgesamt um gut 10 Milliarden Euro entlasten – etwa so viel, wie ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket kosten würde. „Das Geld für ein Klimaticket ist da, aber die Bundesregierung gibt es bislang für klimaschädliche Subventionen aus“, so Reiserer. „Das Dienstwagenprivileg gehört abgeschafft, die Entfernungspauschale reformiert – dann ist ein nachhaltiges und sozial gerechtes Klimaticket schnell finanziert.“

Symbolfoto: Neue Pkw in einem Parkhaus-Turm

Die klimaschädliche Dienstwagenbesteuerung abzubauen, kann eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets mitfinanzieren

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Damit die jüngste ÖPNV-Dynamik nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets Ende August nicht schnell versandet, braucht es möglichst schnell einen Anschluss. Angesichts vermutlich dauerhaft hoher Energiekosten denken genau jetzt viele Menschen darüber nach, das eigene Auto abzuschaffen und ihre Mobilität auf Dauer günstiger und klimafreundlicher zu gestalten. Verkehrsminister Wissing sollte diese Menschen nicht verunsichern und sich dafür einsetzen, dass mit dem 1. Januar 2023 ein Klimaticket für maximal 1 Euro pro Tag erhältlich ist.

435.000 Unterschriften für dauerhaftes Klimaticket

Update vom 29. August: In einem Sonderzug bringen Greenpeace und Campact am Montagvormittag die Unterschriften von über 435.000 (Stand 28.8.) Menschen für eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets zu Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Auf der im Bau befindlichen Berliner Stadtautobahn A 100 legen Aktive ein 8 x 5 m großes Deutschlandticket neben ein ebenso großes Autobahn-Logo auf der Gegenfahrbahn

Mehr als elf Millionen verkaufte Deutschlandtickets. Auch Städte und Unternehmen nutzen das Angebot für Mitarbeitende. Doch hinter der dauerhaften Finanzierung steht nach wie vor ein Fragezeichen.

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