
Pödelwitz: Wegen Braunkohletagebau will die Mibrag das sächsische Dorf zur Umsiedlung zwingen
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Update vom 27. März 2017
Die denkmalgeschützten Häuser von Pödelwitz dürfen nicht verfallen, deshalb wird Greenpeace jetzt aktiv. Seit heute Morgen reparieren Aktivisten der Umweltschutzorganisation drei der vom Verfall am schlimmsten bedrohten Dreiseitenhöfe und Fachwerkhäuser; dabei berät sie ein Fachwerkspezialist.
„Wir werden die Löcher im Putz verschließen, damit die Gebäude vor Feuchtigkeit und Schädlingen sicher sind“, erklärt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Klimaschutz. Eigentlich war das 700 Jahre alte Bauerndorf Pödelwitz 2004 von der sächsischen Landesregierung im sogenannten Heuersdorfgesetz zum Schutzgut erklärt worden. Trotzdem droht dem Dorf der baldige Abriss, weil der Kohlekonzern Mibrag an die darunter liegende Braunkohle will. Um Tatsachen zu schaffen, lässt die Mibrag das Dorf heute schon absichtlich verfallen. Greenpeace fordert vom sächsischen Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), sich an seine Beschlüsse zu halten und Pödelwitz zu schützen.
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Etwa 20 Kilometer südlich von Leipzig liegt das kleine Bauerndorf Pödelwitz. Es ist 700 Jahre alt und ein Rundlingsdorf. Denkmalgeschützte Fachwerkhäuser und eine Kirche mit Zwiebelturm vermitteln eine trügerische Idylle. Denn dem Dorf droht der Abriss. Nach dem Willen des tschechischen Energiekonzerns EPH und seiner Tochtergesellschaft Mibrag (Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft) soll das Dorf abgebaggert werden, um an die darunter liegende Braunkohle heranzukommen.
„Klimapolitisch ist das Wahnsinn“, kommentiert Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Klimaschutz. Aktivisten der Umweltschutzorganisation pflanzten deshalb am Sonntag ein gelbes X aus 1000 Osterglocken vor der Dorfkirche, um ein gut sichtbares Zeichen des Widerstands zu setzen. „Greenpeace solidarisiert sich heute mit all den Menschen in Pödelwitz, die ihr Dorf und ihre Heimat vor dieser irrwitzigen Abbaggerung schützen wollen“, so Smid.
Trotz Klimawandel: Sachsen hält an Braunkohle fest
Denn die Energiegewinnung aus Braunkohle ist ein Auslaufmodell – mit dem Klimaschutzplan vom Herbst 2016 hat Deutschland den Ausstieg aus der Kohle beschlossen. Der Klimawandel ist längst da – das Eis der Pole schmilzt, Stürme und Flutkatastrophen werden häufiger und heftiger. Jeder vernünftige Mensch weiß: Die Braunkohle muss im Boden bleiben. Denn das Kohlendioxid aus der Kohleverstromung heizt die Erderwärmung an. Trotzdem wollen die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen unter dem Einfluss der Kohlelobby an der veralteten, klimaschädlichen Kohlekraft festhalten.
Pödelwitz liegt schon heute wie eine Insel zwischen zwei Tagebauhalden: Zwischen den Abbaufeldern Peres und Schleenhain. Für die Pläne der Mibrag, diese Teilfelder zum großen Abbaugebiet „Vereinigtes Schleenhain“ zusammenzufügen, muss das Dorf weg. Dabei geht es um zusätzliche 20 Millionen Tonnen Braunkohle. Damit könnte das nahegelegene Kraftwerk Lippendorf gerade mal eineinhalb Jahre befeuert werden. Obwohl bislang keinerlei Genehmigungen für eine Abbaggerung vorliegen, schafft der Konzern längst Tatsachen. Seit 2010 läuft die Umsiedelung der Dorfbewohner; jedem, der bereit ist, wegzuziehen, wurde Geld geboten. 75.000 Euro plus Umzugskosten plus ein neues Haus im Neubaugebiet am Stadtrand des Nachbarortes Groitzsch.
Bürgerinitiative Pödelwitz wehrt sich
Denn, so die einfache Rechnung der Mibrag: Je weniger Menschen noch in Pödelwitz leben, desto weniger Widerstand gegen Umsiedlung und Abbaggerung wird es geben. Die leerstehenden Häuser hat die Braunkohlegesellschaft gleich aufgekauft. Und die lässt sie nun bewusst verfallen. Im Dezember 2016 wurden die Strom- und Wasseranschlüsse gekappt. An den denkmalgeschützten Häusern wurden zur Altersbestimmung Proben aus den tragenden Holzbalken entnommen. Die dafür in die Häuserwände gerissenen Löcher hat keiner je wieder verschlossen. Jetzt gammeln die denkmalgeschützen Fachwerkhäuser und Dreiseitenhöfe vor sich hin.
Doch haben Politiker und Kohlelobby die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Es ist ein bisschen so wie bei Asterix: Eben nicht ganz Pödelwitz ist leer – wer bleibt, leistet Widerstand. Zwar sind die meisten der einst 130 Einwohner mittlerweile umgesiedelt. Aber die 33, die noch da wohnen, sind wild entschlossen, nicht zu weichen. Sie haben sich zur „Bürgerinitiative Pödelwitz“ zusammengeschlossen. Seit Jahren kämpfen sie gegen die Umsiedlung: juristisch und mit Aktionen, mit Ausdauer, Mut und Humor. Oft alleine, aber manchmal, so wie heute, mit verbündeten Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und BUND an ihrer Seite. Damit ihr Dorf erhalten wird und die Kohle in der Erde bleibt. Denn alles andere wäre der reine Wahnsinn.
