SOS Weltmeer: Die Esperanza in den Gewässern der Azoren
- Hintergrund
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Als Teil der Expedition SOS Weltmeer wird die Crew des Greenpeace-Schiffes Esperanza gemeinsam mit der Universität der Azoren (UAC) und dem Internationalen Tierschutz-Fonds (IFAW) diese bislang weitgehend unerforschten Lebensräume aufsuchen und erkunden.
Dazu ist modernste Technik mit an Bord, einschließlich eines Unterwasserroboters (ROV) und einer Unterwasserkamera, die in Tiefen von bis zu 800 Metern reicht - das Reich der Riesenkalmare.
Die Esperanza wird sich dabei am laufenden Forschungsprogramm der UAC beteiligen, mit dem das Wissen um die hohe Bedeutung der Tiefseewelt und der dort lebenden Arten gefördert werden soll. Mit an Bord ist auch ein Pottwalexperte des IFAW. Er wird ein Beobachtungsprogramm fortführen, das Ende der 80er Jahre ins Leben gerufen wurde und die in dem Gebiet vorkommenden Wal-Populationen dokumentiert. Die Esperanza ist mit einem Hydrophon und einer speziellen Software ausgerüstet, mit der sich Pottwale akkustisch orten lassen. Die fotografische Dokumentation der Wale unterstützt außerdem den weiteren Aufbau des vom IFAW verwalteten regionalen Photo-ID-Katalogs.
Moby Dick bei den Azoren
Unter allen Geschöpfen der Tiefsee, ist es wohl der Pottwal, um den sich die größten Legenden ranken. Als Moby Dick erlangte er Unsterblichkeit, doch in Wirklichkeit sind Pottwale weit entfernt von dieser rachsüchtigen Kreatur, die Kapitän Ahab und seine Mannschaft plagt.
Im Gegenteil: Die Walfänger des 19. und 20. Jahrhunderts waren es, die Jagd auf Pottwale machten. Ihr wertvolles Öl machte die Tiere zum Objekt der Begierde. Im 20. Jahrhundert wurden allein in der südlichen Hemisphäre 400.000 Pottwale getötet. Seit Inkrafttreten des internationalen Walfangverbots der Internationalen Walfang Kommission (IWC) 1986, dürfen auch Pottwale nicht länger kommerziell gefangen werden.
Da sie sich nur langsam fortpflanzen, erholen sich Pottwale nur schwer von ihrer Ausbeutung. Es ist leider unmöglich, sich ein genaues Bild darüber zu verschaffen, wie viele Tiere heute weltweit überlebt haben: Pottwale lassen sich nämlich nur sehr schwer beobachten. Sie tauchen in Tiefen von 1000 und mehr Metern ab und auch wenn sie mitunter jedes Jahr die gleichen Gebiete aufsuchen, so haben sie trotzdem keinen festen Aufenthaltsort.
Seit 2000 hat die Japanische Fischereiagentur (FAJ) im Zuge ihres sogenannten wissenschaftlichen Walfangprogramms mit der Jagd auf Pottwale im Nordpazifik begonnen. Zudem sind Pottwale bedroht von Schiffskollisionen und von Fischnetzen, in denen die Tiere sich verfangen. Für 2006 plant die FAJ, die Aufhebung des IWC-Walfangverbots voranzutreiben. Greenpeace, IFAW und andere Organisationen setzen sich mit einer Kampagne ein für allemal für die Beendigung jeglichen kommerziellen Walfangs ein - ganz gleich, wie man ihn definiert.
Berge unter Wasser
Tief unter dem Meer erheben sich gewaltige Berge, Bergrücken und Plateaus, ohne je die Wasseroberfläche zu berühren. Die längste Bergkette der Welt liegt nicht an Land, sondern unter dem Meer. Der Mittelozeanische Rücken ist ein Gebirgssystem, das sich durch alle Weltmeere erstreckt. Er ist viermal so lang wie die Anden, die Rocky Mountains und der Himalaya zusammen. Die höchsten Unterwassergebirge werden "Seamounts" genannt -Unterwasserberge, die mehr als 1000 Meter vom Meeresboden aufragen. Zum Mittelozeanischen Rücken gehören auch die Azoren. Dieses Gebiet ist übersät mit Seamounts und die Azoren selbst sind aus Unterwasserbergen hervorgegangen, die sich aus den Wellen des Atlantiks erhoben.
Seamounts werden oft als die Oasen der Ozeane beschrieben. Die uralten Felshänge sind die Heimat Jahrhunderte alter Korallen und Seefächer. Diese fangen wertvolle Nahrung, herangetragen von der Strömung, die über die Hänge und Gipfel hinwegwirbelt. Die nahrungsreichen Gewässer versorgen auch Tiefseefische und Kalmare. Mit derselben Strömung steigt außerdem lebenswichtige Nahrung von den dunklen Tiefen des Meeresbodens zu den sonnenlichtdurchfluteten Gewässern an der Meeresoberfläche auf.
Das Planktonwachstum wird angeregt und zieht Fische, Vögel und Meeressäuger an, die sich vom Plankton ernähren. Thunfische nutzen Seamounts als Zwischenstation bei ihren transatlantischen Wanderungen. Wissenschaftler schätzen, dass zwischen 30.000 -100.000 Seamounts über die Weltmeere verstreut sind. Bislang aber sind weniger als ein Prozent von ihnen erforscht und dokumentiert.
Diese mannigfaltigen und außergewöhnlichen Ökosysteme werden durch die Grundschleppnetz-Fischerei vernichtet, noch bevor Wissenschaftler überhaupt eine Chance hatten, sie zu erforschen. Die Grundschleppnetz-Fischerei ist eine der zerstörerischsten Fangmethoden weltweit und vernichtet nicht nur Tiefseearten wie Granatbarsch, Rundnasen-Grenadier und Rotbarsch, sondern richtet auch gewaltige Kollateralschäden an den Tiefseehabitaten an.
Grundschleppnetze erreichen gigantische Ausmaße: Die größten Netze haben Öffnungen von mehr als 100 Metern Durchmesser und sind unten mit schweren Eisenrollen beschwert. Werden diese Netze über den Meeresboden geschleppt, kehren sie alle Fische zusammen, die ihnen in den Weg kommen. Dabei werden auch uralte Korallen zerschmettert, Schwämme herausgerissen und zahlreiche andere Meerestiere getötet.
Ein Moratorium für die Grundschleppnetz-Fischerei auf der Hohen See ist die einzige Chance die Tiefsee zu schützen. Ein solches Moratorium ist dringend notwendig, um eine "Auszeit" zu schaffen, in der Forscher herausfinden können, wie die Welt dort unten wirklich aussieht und welche Maßnahmen nötig sind, um die Ozeane zu erhalten. Nur dann können verbindliche internationale Regulierungen entworfen werden, die einen angemessenen Schutz der Tiefseeökosysteme garantieren.
Einzigartig für die Weltmeere konnte im Dezember 2005 die Regierung der Azoren ein europäisches Verbot der Grundschleppnetzfischerei in ihren Gewässern durchsetzen. Die gemeinsame Expedition von Greenpeace, IFAW und UAC wird weitere überzeugende Argumente für ein weltweites Moratorium der Grundschleppnetz-Fischerei auf der Hohen See liefern.