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Porträt Prof. Dr. Edmund Maser
Matthias Burmeister / Universität Kiel

Toxikologe Prof. Dr. Edmund Maser zu Ethoxyquin in Speisefisch

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In den vergangenen Wochen untersuchte Greenpeace Speisefische wie Lachs, Dorade oder Wildbarsch auf das Pestizid Ethoxyquin: In 45 von 54 Produkten fand sich die Chemikalie, teils in Konzentrationen deutlich über den für Fleisch zulässigen Höchstwerten – für Fisch gibt es nämlich keine entsprechenden Regelungen.

In der EU ist Ethoxyquin als Pflanzenschutzmittel seit 2011 verboten, bei Fischzüchtern in aller Welt ist es aber nach wie vor als Futterzusatz beliebt. Wir fragten den Toxikologen Prof Dr. Edmund Maser von der Universität Kiel, was das Pestizid für Betreiber von Aquakulturen interessant macht, und welche gesundheitlichen Risiken es für den Menschen birgt.

Greenpeace: Ursprünglich wurde Ethoxyquin als Alterungsschutzmittel für Gummi eingesetzt. Wie kommt es zur Verwendung in Fischfutter?

Prof. Dr. Edmund Maser: In der Gummiindustrie wurde früher hauptsächlich Naturkautschuk eingesetzt, und da hatte man das Problem, dass beispielsweise Reifen durch Oxidation brüchig wurden. Ethoxyquin unterbindet das.

Oxidation spielt aber auch bei Vitaminen und Fetten eine Rolle. Fette können ranzig werden, und das wirkt sich dann auch auf die fettlöslichen Vitamine aus – vor allem auf Vitamin A und Vitamin E, die davon kaputtgehen. Offensichtlich ist Monsanto irgendwann auf den Trichter gekommen, das Ganze zum Oxidationsschutz in Futterbestandteile hineinzumischen, damit sie sich länger halten.

Was bewirkt Ethoxyquin, wenn es in den menschlichen Körper gelangt?

Beim menschlichen Körper fehlen belastbare Daten zur Toxikologie. Das meiste, was wir wissen, stammt aus Tierversuchen und aus Studien mit Zellkulturen. Da hat sich herausgestellt, dass Hunde am empfindlichsten auf Ethoxyquin reagieren, es kam zu Allergien, das Fell veränderte sich. Es kam zu Schilddrüsenfunktionsstörungen, zu Störungen von Leber und Niere, auch bei der Fortpflanzung der Tiere gab es Probleme.

Für Fleisch gibt es einen Ethoxyquin-Höchstwert, der nicht überschritten werden darf. Dieser liegt bei 50 Mikrogramm pro Kilogramm: Ist das angemessen, oder müsste er niedriger sein?

Das lässt sich nur schwer beurteilen, da uns überhaupt keine Studien am Menschen vorliegen. Letztendlich müssen wir uns darauf verlassen, was dieTierversuche gezeigt haben. Man führt dabei Toxizitätsstudien durch und stellt fest, ab wann welche Spezies mit welchen Problemen zu tun haben. Für Menschen rechnet man einen Sicherheitsfaktor von 100 ein und bestimmt so die nicht zu überschreitende Höchstdosis.

Ratten zeigten beispielsweise keine toxischen Effekte bei einer Dosis von 12,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Bei Hunden kam es aber schon bei 2,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag zu Leberproblemen. Bei dieser Dosis, wenn man sie durch hundert teilen würde, käme man auf 0,025 Milligramm, also 25 Mikrogramm. Dementsprechend sieht es schon so aus, als wären die Höchstwerte für den Menschen etwas willkürlich festgesetzt worden.

Wie sieht es in anderen Ländern aus, wie gehen die mit Ethoxyquin um?

Japan lässt einen Großteil seiner Shrimps in Indien produzieren, dort gibt es riesengroße Farmen. Vor einigen Jahren haben die Japaner gesagt, sie wollen Shrimps grundsätzlich auf Ethoxyquin getestet haben, und senkten die zulässige Höchstmenge von einem Milligramm pro Kilogramm auf zehn Mikrogramm. Das führte in Indien zu einem riesengroßen Problem: Die ganzen Shrimps-Produzenten blieben erst einmal auf ihren Waren sitzen und mussten ihre gesamte Produktion umstellen. Begründet wurde das mit dem Carry-Over-Effekt: Das Ethoxyquin gelangt über das Futter in die Meeresfrüchte – und schließlich in den Menschen. Aus Vorsorgegründen heraus sollte das vermieden werden.

Wie stehen Sie zu einem Verbot von Ethoxyquin als Tierfutter-Zusatz?

Es gibt schlicht zu wenige Daten, um das wahre Risiko für den Menschen abschätzen zu können. Darum müsste man allein schon aus Vorsorgegründen den Einsatz von Ethoxyquin kontrollieren und regulieren. Das Mittel wird ja benutzt, um das Fischmehl und Fischöl für lange Transportwege haltbar zu machen. Da müsste man sich um Alternativen bemühen und prüfen, ob man das Futter nicht trocknen, gefrieren oder einschweißen kann, damit man endlich davon wegkommt.

Warum wurden selbst in Bio-Produkten Spuren von Ethoxyquin gefunden? Wie bedenklich sind diese Produkte?

Es kann natürlich sein, dass man bei der Fütterung versuchte, nach bestem Wissen Ethoxyquin-freies Tierfutter zu benutzen, aber Teile des Fischmehls es vielleicht doch enthielten. Ganz sicher kann man nicht sein. Wenn es sich lediglich um Spuren handelt, ist das jedoch nicht bedenklich.

Das heißt aber auch, dass der ganze Prozess recht intransparent ist, wenn man selbst bei Bio-Produkten Ethoxyquin im Fischmehl nicht ausschließen kann.

Das kann man so sagen, ja. Zumal bei den Produkten, auch aus konventioneller Zucht, keine Deklarationspflicht besteht. Das heißt, der Verbraucher hat keine Chance zu wissen, ob da was drin ist oder nicht. Die Hersteller müssen es ja auch nicht testen lassen. Will man als Verbraucher sicher gehen, muss man auf Wildfang zurückgreifen, weil der nicht gefüttert wird.

Was raten Sie den Verbrauchern? Ist es nach wie vor okay, Fischprodukte zu kaufen?

Wenn man der Meinung ist, man müsste jeden Tag 200 oder 300 Gramm Lachs essen, dann sollte man sich vielleicht überlegen, welchen Lachs man isst. Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft Wildlachs und meidet Fisch aus konventioneller Aquakultur, denn wie gesagt: Es fehlen ausführliche Daten, um die Wirkung von Ethoxyquin genau einschätzen zu können.

>>> Welcher Wildfang ökologisch vertretbar ist, finden Sie im Greenpeace-Fischratgeber. 

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