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Tobias Austrup, Mobilitätsexperte bei Greenpeace
© Greenpeace

Eine Steuer für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit

Eine Zulassungssteuer für klimaschädliche Neuwagen kann den Verkehr auf Klimakurs bringen und soziale Schieflagen korrigieren, zeigen zwei neue Greenpeace-Studien: "Vorbild Niederlande" sowie "Elektromobilität fair finanzieren". Ein Interview mit Tobias Austrup, Experte für Mobilität bei Greenpeace.

Greenpeace: Eine Neuzulassungssteuer ist hierzulande gänzlich unbekannt. Was ist das und wozu braucht es diese Steuer?

Tobias Austrup: Tatsächlich ist Deutschland eines der ganz wenigen Länder, das bislang keine Neuzulassungssteuer nutzt, um seine Neuwagenflotte klimafreundlicher zu gestalten. Das Prinzip ist ganz einfach: Je mehr CO2 ein Neuwagen ausstößt, umso höher fällt die einmal zu zahlende Steuer aus, die bei der Erstzulassung eines Neuwagens fällig wird. Für E-Autos wird gar keine Steuer fällig, für sparsame Verbrenner nur eine sehr geringe, für besonders klimaschädliche Neuwagen aber kann diese Steuer richtig hoch werden.

Greenpeace: Die Energiepreise gehen durch die Decke und Greenpeace schlägt eine neue Steuer für Autofahrende vor. Ist gerade der richtige Moment für so etwas? 

Tobias Austrup: Ziel dieser Steuer ist keine Mehrbelastung, sondern Kaufentscheidungen zu lenken. Die Steuer sagt den Käufer:innen schon bei der Kaufentscheidung: Entscheidet euch für einen sparsamen Wagen, oder am besten für ein E-Auto. Steuervermeidung ist hier sozusagen die gewünschte Reaktion. Im besten Fall gibt es also gar keine Belastung. Nur wer unbedingt noch einen Verbrenner mit hohem Spritverbrauch kaufen will, für die wird es teurer.

Greenpeace: Wen würde eine solche Steuer treffen? 

Tobias Austrup: Das ist ganz wichtig: Die Steuer fällt nur bei der Erstzulassung von neuen Verbrennern an. Also nicht für das Ummelden eines Gebrauchten. Aber um Neuwagenkäufer:innen müssen wir uns gerade auch im Lichte der Energiepreise am wenigsten Sorgen machen. Zwei Drittel der Neuwagen werden von Unternehmen als Dienstwagen angemeldet, das letzte Drittel überwiegend von Haushalten mit hohem Einkommen. Einkommensschwache Menschen werden in der Regel in ihrem ganzen Leben keinen einzigen Neuwagen anmelden.

Greenpeace: Was bringt eine Zulassungssteuer für den Klimaschutz? 

Tobias Austrup: Jedes Jahr etwas mehr. Denn diese Steuer wirkt auf die Neuzulassungen. Je mehr Jahrgänge an Neuwagen durch die Steuer klimafreundlicher werden, desto größer der Effekt. Wenn man sich die niederländische Steuer anschaut, stellt man fest, dass unser Nachbarland mit der Steuer innerhalb weniger Jahre ihre bis dato genauso schmutzige Neuwagenflotte rasch zu einer der saubersten in Europa gemacht hat. Hätte Deutschland  zeitgleich eine identische Zulassungssteuer wie die Niederlande eingeführt, der CO2-Ausstoß im Verkehr wäre im Jahr 2020 etwa 7 Millionen Tonnen niedriger gewesen. Bis zum Jahr 2030 summiert sich die Wirkung auf rund 30 Millionen Tonnen weniger. Auch das Klimaziel wäre im letzten Jahr nicht verfehlt worden. Der durchschnittliche CO2-Wert der Neuwagen würde nur noch  91 gCO2/km betragen - statt derzeit 114 gCO2/km. 

Greenpeace: Auch Großbritannien hat eine Zulassungssteuer, aber die dort zugelassenen Neuwagen sind im Schnitt fast genauso klimaschädlich wie in Deutschland. Warum? 

Tobias Austrup: Die britische Steuer macht im Grunde alles falsch, was es bei so einer Steuer zu beachten gibt: Die Steuersätze sind zu niedrig, sie steigen auch kaum an und sie wurden im Laufe der Zeit kaum angepasst. So erreicht man keine Lenkungswirkung. 

Greenpeace: Was macht das niederländische Modell so erfolgreich? 

Tobias Austrup: Weil die Niederlande all dies besser als Großbritannien machen. Die Steuer setzt früh ein, bereits ab dem ersten Gramm wird eine geringe Steuer fällig, nur E-Autos sind frei. Und die Steuer steigt rasch an, wenn es um höhere Emissionen geht. Und die Niederlande haben ihre Steuer im Laufe der Zeit immer wieder angepasst, um die Lenkungswirkung zu erhalten. Das Ergebnis zeigt sich in einer strukturell anderen Neuwagenflotte: Der Anteil großer Spritschlucker ist in den Niederlanden um ein Vielfaches niedriger als in Deutschland. Stattdessen fahren in den Niederlanden viel mehr kleinere, sparsame Verbrenner - und vor allem viel mehr E-Autos. 

Greenpeace: Müsste eine Zulassungssteuer mit ökologischer Lenkungswirkung neben dem CO2-Ausstoß nicht auch das Gewicht der Autos berücksichtigen? 

Tobias Austrup: Die meisten europäischen Länder setzen ausschließlich auf den CO2-Ausstoß als Kriterium. Und diese Länder haben auch die saubersten Neuwagen - und das ist auch das Ziel. Das Gewicht sollte aber in der jährlichen Kfz-Steuer berücksichtigt werden. Denn dass die Autos immer schwerer werden, ist auch nicht gut fürs Klima. 

Greenpeace: Die Ampel hat im Koalitionsvertrag neue Steuern ausgeschlossen. Wie stehen die Chancen für eine Zulassungssteuer? 

Tobias Austrup: Das hat die FDP durchgesetzt, deren Verkehrsminister jetzt beim Klimaschutz am meisten unter Druck steht. Die Partei kann sich also aussuchen: aus ideologischem Starrsinn die Klimaziele verpassen - oder eben eine Steuer einführen, die im besten Fall zum E-Auto lenkt und somit gar nicht fällig wird. Aber es ist offensichtlich, dass der Verkehr nicht auf Klimapfad ist und dringend wirksame Instrumente her müssen. Die Neuzulassungssteuer sollte daher - auch wenn es dem ein oder anderen nicht gefällt - ins anstehende Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Sie ist einfach zu wirksam und hilfreich, um sie nicht zu nutzen.