Clothes Swapping Party in Hamburg
© Kevin McElvaney / Greenpeace

Interview mit Greenpeace Konsum-Expertin Viola Wohlgemuth

Warum ist unser Überkonsum ein Klimakiller? Wieso bedrohen wir damit die Artenvielfalt?

Greenpeace FÖJ-lerin Alin wollte es mal genauer wissen.

 

 

Fast Fashion Research in Kenya

Greenpeace besucht Orte der Textilproduktion, des Vertriebs, der Märkte und der Abfallentsorgung (Kibera Slum in Nairobi).

Frage von Alin :

Viola, du warst im letzten Jahr in Kenia und Tansania, was hast du dort zu sehen gekriegt?

Antwort von Viola:

Ich muss sagen, dass ich als Europäerin tief beschämt bin, weil das, was ich gesehen habe, Natur, Umwelt und Menschen zerstört: Ich war in Kenias Hauptstadt Nairobi am großen Nairobi-River. Dort gibt es den größten Second Hand Markt in Ostafrika. Die Menschen leben und arbeiten auf diesem Markt. Jeden Tag werden riesige Ballen an “Second Hand" Kleidung aus Europa geliefert. Die Hälfte davon ist unbrauchbar. Da es keine Entsorgungsmöglichkeiten gibt werden die Menschen von dem Textilmüll regelrecht überflutet. Die einzige Möglichkeit, die Textilien loszuwerden, sind der Fluss oder die Straßen des Markts. Mittlerweile besteht der ganze Markt, von den Dächern bis zum Boden, nur noch aus Textilmüll. Auch der Nairobi-River fließt durch ein Flussbett aus alter Kleidung. Die Menschen sind gezwungen, in diesem Müll zu leben. Teilweise verbrennen die ärmeren Menschen den Textilmüll, damit sie ein Feuer zum Kochen haben und so ist die ganze Luft auf und um den Markt verseucht.

Alin:

Was hat das mit unserem Konsum zu tun? Was ist Überkonsum?

Viola:

Das Problem ist, dass wir die endlichen Ressourcen der Welt benutzen, um Produkte herzustellen, die nicht wiederverwendet werden können. Das können wir uns nicht leisten, weil so die “Zutaten” für unsere Produkte irgendwann aufgebraucht sein werden. Der Überkonsum beschleunigt die Ausbeutung der Erde, weil wir viel mehr produzieren, als wir eigentlich brauchen: Zuerst werden 40% mehr Textilien produziert, als überhaupt in den Verkauf gehen, weil das wegen der Mengenrabatte billiger ist. Im Laden wiederum  werden 40% der Textilien gar nicht erst verkauft. So werden riesige Mengen an Neuwaren vernichtet und Ressourcen verschwendet. Trotzdem verkaufen wir noch so viel, dass eine Person in Deutschland im Jahr etwa 60 neue Teile erhält. Das neue Top wird aber im Durchschnitt nur 1,7 mal getragen und dann weggeschmissen. Wir benutzen das Top somit genauso lange wie eine Plastiktüte. Das ist Überkonsum.

 

Clothes Swapping Party in Hamburg

Hilft gegen den Überkonsum: Kleidertauschpartys - tauschen statt kaufen

Alin:

Inwiefern bedrohen wir damit die Artenvielfalt und das Klima? 

Viola:

Die Textilien bestehen aus synthetischen Fasern. Das heißt, sowohl für die Herstellung des Garns, als auch für die Farbe wird extrem viel Chemie und Erdöl verwendet. Dadurch wird sehr viel CO2 freigesetzt. Auch Baumwolle, ein natürlicher Stoff, kann eine Bedrohung werden: für die Massen an Kleidung, die produziert wird, verwenden wir sehr viel Baumwolle und die braucht Unmengen an Wasser zum Wachsen. Das führt dazu, dass mittlerweile riesige Seen, wie der Aralsee, ausgetrocknet sind, weil das Wasser für die Baumwollplantagen verwendet wurde. Die Industrie hat so ganze Ökosysteme und Arten zerstört. In China haben die Menschen deswegen teilweise kein sauberes Trinkwasser mehr und ganze Regionen sind verseucht mit Chemikalien aus der Textilindustrie.

Wenn wir schließlich den Textilmüll in afrikanische Länder schicken, gelangen die ungesunden chemischen Stoffe in die Natur und die Menschen und Tiere nehmen die Giftgase auf. Außerdem löst sich das Plastik aus den Produkten und gelangt ins Meer. Das Mikroplastikproblem wächst weiter an. 

Alin:

Was können wir tun? Und was muss von der Politik und den Firmen getan werden?

Viola:

Wir müssen uns bewusst machen, dass hinter jedem T-Shirt 2700 Liter Wasser stecken. Das ist so viel, wie ein Mensch in zweieinhalb Jahren trinkt. Wir müssen uns der Verantwortung bewusst machen, dass unser Überkonsum die Wasserknappheit fördert. Das Wichtigste ist, dass wir uns klarmachen, dass das nachhaltigste T-Shirt das ist, was nicht neu hergestellt werden muss. Leihen, teilen, tauschen, Second Hand: das muss das neue Normal werden.

Tragt diese Informationen weiter: Nehmt eure Freund:innen zu der nächsten Kleidertauschparty mit und verschenkt vielleicht ein gebrauchtes Kleidungsstück zu Weihnachten. Wir müssen den Menschen die Angst davor nehmen, nachhaltig zu konsumieren.

Die Politik muss Textilmüllexporte verbieten. Außerdem brauchen wir klare Gesetze, die dafür sorgen, dass Textilien nur noch so hergestellt werden dürfen, dass sie recycelbar sind und in Deutschland recycelt werden. Kleidung darf nicht mehr umwelt-und gesundheitsschädlich sein.