Straßenbahn, U-Bahn und Fußgänger:innen bei der Eberswalder Straße
© Anne Barth / Greenpeace

Grüne Welle für Stadt und Land

Um die Klimakrise zu lösen, müssen wir uns anders fortbewegen. Wie könnte der Verkehr der Zukunft aussehen? Wir haben beim Greenpeace-Experten Benjamin Stephan nachgefragt!

Mit einer Menschenkette protestieren Greenpeace-Aktivist:innen gemeinsam mit anderen Verbänden und NGOs friedlich gegen die geplante Einführung von Kaufprämien in Deutschland. Rund 2.000 Demonstrant:innen ziehen vom Gebäude des Verbandes des Automobilindustrie zum Reichstag und zum Bundeskanzleramt in Berlin, wobei sie die Abstandsregelungen aufgrund des Corona-Virus beachten und einhalten. Auf diesem Bild: Greenpeace-Verkehrsexperte Dr. Benjamin Stephan.

Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan

Greenpeace möchte, dass der Verkehr in Zukunft anders funktioniert. Wie können wir denn mobil bleiben und trotzdem die Umwelt schonen?

Wir bleiben mobil und schützen die Umwelt, in dem wir mit der Bahn, mit Bussen, dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs sind. Damit das noch besser funktioniert und komfortabler wird, müssen sich Politik und Industrie aber noch ein bisschen anstrengen: Es braucht mehr Bahn- und Busverbindungen und mehr und sicherere Fahrradwege, damit sich auch jede:r mit dem Rad in die Stadt traut. Es dürfen nicht mehr so viele Menschen auf das Autos angewiesen sein wie heute.

Wie wichtig sind da überhaupt Elektroautos und sind sie wirklich umweltfreundlicher?

Auf dem Land wird es auch in Zukunft schwierig sein, auf ein Auto zu verzichten. Damit man mit denen trotzdem möglichst klima- und umweltverträglich unterwegs ist, müssen dies kleine und leichte Elektroautos sein. Auch wenn man die Emissionen berücksichtigt, die bei der Herstellung eines Elektroautos entstehen, sind diese schon heute klimafreundlicher als Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren. Es wird aber nicht funktionieren, wenn wir einfach alle Autos, die wir heute haben, mit Elektroautos ersetzen. Selbst das würde der Umwelt zu sehr zusetzen. Deshalb brauchen wir ein Verkehrssystem, in dem möglichst wenige Menschen auf ein Auto angewiesen sind. Und überlegt mal, was wir mit dem ganzen Platz anfangen könnten, den uns heute parkende Autos wegnehmen und die wir dann nicht mehr brauchen!

Ist es nicht am besten, wenn wir alle weniger reisen?

Auch in der Greenpeace Vision des Verkehrssystem der Zukunft geht es darum, dass alle Menschen komfortabel mobil sein können. Aber grundsätzlich müssen wir uns schon fragen, ob alle Reisen sinnvoll sind: Viele Reisen, die Menschen für ihre Jobs unternehmen, lassen sich durch Videokonferenzen ersetzen. Und ich persönlich habe mehr Lust darauf, mit meiner Familie und meinen Freunden am Wochenende eine Radtour zu machen und zu zelten, als für ein Wochenende in irgendeine Stadt zu jetten.

In den Nachrichten hört man jetzt viel von selbstfahrenden Autos, die es in Zukunft geben soll. Wie kann man sich dies vorstellen und wie werden die eingesetzt?

Selbstfahrende Autos gibt es heute schon. Allerdings werden die, zumindest in Deutschland, bisher nur auf Versuchsgeländen und Teststrecken eingesetzt. Und das ist auch gut so, denn die haben noch einige Macken. Während es wahrscheinlich bald möglich sein wird, selbst fahrende Autos auf Autobahnen einzusetzen (denn dort gibt es keine Kreuzungen, keine Radfahrer und keine Fußgänger), wird es in Städten noch eine ganze Zeit dauern. Denn dort ist alles eng und unübersichtlich und viele Menschen sind auf unterschiedlichste Art und Weisen – zu Fuß, mit dem Fahrrad, Skateboard etc. – unterwegs. Da sind auch die Autos mit den besten Sensoren und Computern heute noch nicht zuverlässig und wären ein großes Sicherheitsrisiko. Es könnte sogar sein, dass das nie gelöst wird. 

Beschreib mal, wie deine perfekte Stadt der Zukunft aussehen würde!

Für mich würden wir in dieser Stadt fast vollständig ohne Autos auskommen. Stattdessen kommen wir schnell mit Bus und Bahn voran und es macht riesigen Spaß Fahrrad zu fahren. Denn die Fahrradwege sind breit und bringen einen überall schnell hin. In einer solchen Stadt ist die Luft sauber, es ist viel ruhiger und wir haben mehr Platz. Statt nerviger Parkplätze gibt es mehr Spielplätze, kleine Parks und Platz zum Kicken und Rumtoben.

Das kann man sich gut vorstellen! Aber wie ist das auf dem Land? Welche Visionen hat Greenpeace für das Leben fernab der Städte entwickelt? Wie sollen die Leute dort zukünftig von A nach B kommen?

Auf dem Land ist es in der Tat etwas schwieriger und wir werden – zumindest auf absehbare Zeit – nicht völlig ohne Autos auskommen. Allerdings kann auch hier schon viel getan werden. Auch auf dem Land müssen wir Bus- und Bahnverbindungen ausbauen und durch solche Dinge wie Bürgertaxis ergänzen. Und es braucht auch dort gute Fahrradwege. Mit Pedelecs – Fahrrädern mit Elektrounterstützung - hat man nämlich heute die Möglichkeit, viel längere Strecken entspannt zurückzulegen. Und das sollten wir nutzen.

Wie können umweltinteressierte Kinder und Jugendliche die Verkehrswende unterstützen?

Überlegt euch, wie ihr jeden Tag von A nach B kommt. Müsst Ihr euch immer von euren Eltern fahren lassen oder macht es nicht viel mehr Spaß, mit Freund:innen gemeinsam zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Sprecht mit euren Lehrer:innen, wenn es in eurer Schule z.B. nicht genügend vernünftige Abstellmöglichkeiten für Fahrräder gibt. Spannend ist auch herauszufinden, was die Straßen, die um eure Schulen liegen, mit der Luft machen, die ihr täglich atmet. Sprecht eure Lehrer:innen an, dass sie sich gemeinsam mit euch ein Messgerät besorgen und das mal überprüfen. Und sollte die Luft zu schlecht sein, schreibt gemeinsam an die Bürgermeister:in und fordert sie auf, hier schnell was zu tun. Meistens hilft es, eine Kopie des Brief auch an die Zeitung zu schicken. Und natürlich könnt ihr auch eine Greenteam-Aktion starten und auf dem Marktplatz oder in der Fußgängerzone eure Mitbürger:innen von einer besseren Verkehrspolitik für eure Stadt überzeugen.