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Auf der im Bau befindlichen Berliner Stadtautobahn A 100 legen Aktive ein 8 x 5 m großes Deutschlandticket neben ein ebenso großes Autobahn-Logo auf der Gegenfahrbahn
© Verena Brüning / Greenpeace

Deutschlandticket: So kann es weitergehen

Als eine “Revolution im Nahverkehr” wurde das Deutschlandticket aus der Taufe gehoben. Ein Jahr später nutzen tatsächlich jeden Monat elf Millionen Menschen das Ticket, das die unbegrenzte Nutzung von Bus und Bahn im Nahverkehr ermöglicht. Auch Stadtverwaltungen und Unternehmen nehmen das Angebot für ihre Mitarbeitenden an – wie zwei Greenpeace-Abfragen zeigen. Doch hinter der dauerhaften Finanzierung des Fahrscheines steht nach wie vor ein großes Fragezeichen.

Innerhalb weniger Monate hat das Deutschlandticket die Art und Weise verändert, wie Millionen Menschen in Deutschland mit Bus und Bahn unterwegs sind. Der Nahverkehr ist für sie nicht nur günstiger geworden, sondern auch einfacher: Komplizierte, von Kreis zu Kreis unterschiedliche Tarifsysteme spielen für Ticketinhaber:innen keine Rolle mehr. Das Deutschlandticket hat die Nutzung des ÖPNV vereinfacht und attraktiv gemacht. Zu einem verlässlichen Preis angeboten und mit einem bundeseinheitlichen Studierenden- und Sozialtarif ausgestattet, ließe sich die Begeisterung für den Fahrschein nochmal erhöhen. Das wäre nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein faires Angebot für alle, die kein Auto oder wenig Geld haben.

Bus- und Bahnnutzung steigt deutlich

Seit dem 1. Mai 2023 kann das Deutschlandticket landesweit für Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr für 49 Euro im Monat verwendet werden – als digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement. In Nachfolge des 9-Euro-Tickets, das im Jahr 2022 für drei Sommermonate eingeführt worden war, um mehr Menschen zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn zu bewegen. Durch das vor etwa einem Jahr eingeführte Deutschlandticket stieg die Bus- und Bahnnutzung 2023 deutlich. Um sieben Prozent legten die Fahrgastzahlen zu, teilte das Statistische Bundesamt im April 2024 mit. Dieser Erfolg wirkt sich positiv auf die Nutzung von Verkehrsträgern und den Klimaschutz aus: Fünf Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket wären sonst mit dem Auto unternommen worden, hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ermittelt.

Ticketpreis für 2024 stabil, für 2025 unklar

Doch die Finanzierung des 49-Euro-Tickets steht auf wackeligen Füßen: Da viele Pendler:innen von ihren bisherigen Abos auf das günstigere Deutschland-Ticket gewechselt sind, verzeichnen die Verkehrsunternehmen massive Einnahmeausfälle. Bund und Länder finanzierten das Deutschlandticket in den Jahren 2023 und 2024 mit jeweils 1,5 Milliarden Euro. Das Geld von Bund und Ländern wird benötigt, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben durch den im Vergleich zu früheren Angeboten günstigen Fahrschein auszugleichen. 

Im Januar 2024 verkündeten Bund und Länder, dass das Ticket 2024 weiterhin für 49 Euro im Monat angeboten wird. Zudem einigten sie sich vorläufig auf ein günstigeres Deutschlandticket für Studierende. Etwa drei Millionen Studierende können ab dem Sommersemester 2024 ein Semesterticket für 29,40 Euro im Monat auf Basis des Deutschlandtickets bekommen. Wird das Ticket 2025 teurer? Eine Preiserhöhung im kommenden Jahr ist möglich und hängt unter anderem von der genauen Höhe der Einnahmen für die verkauften Tickets sowie von Preissteigerungen für das  Personal ab.

Kalkulation zeigt: Ein Kilometer Autobahn teurer als fehlender Ticketbeitrag

Als sich Bund und Länder 2023 über 200 Millionen Euro stritten, die Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) für das  Deutschlandticket zurückhielt, hat Greenpeace den Streitposten mit den Kosten einiger in Bau befindlicher Autobahnprojekte verglichen: Die 200 Millionen Euro, an denen die Fortführung des Deutschlandtickets monatelang hing, entsprachen den Kosten für 1,2 Kilometer der umstrittenen A100 in Berlin. Auch 900 Meter der geplanten A26 in Hamburg oder 1,3 Kilometer der A52-Bauabschnitte in NRW hätten die Finanzierungslücke decken können.

  • Auf der im Bau befindlichen Berliner Stadtautobahn A 100 legen Aktivist:innen ein 8 x 5 m großes Deutschlandticket neben ein ebenso großes Autobahn-Logo auf der Gegenfahrbahn.

    Anlässlich des Treffens von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsident:innen der Länder am 6. November: Auf einem unbefahrenen Bauabschnitt der Berliner Stadtautobahn A100 demonstrieren Aktive mit einem Kostenvergleich für schnelle Klarheit in der umstrittenen Finanzierung des Tickets. Der Neubau von 1,2 Kilometer kostet nach jüngstem Preisstand 200 Millionen Euro - exakt diese Summe fordern die Länder vom Bund für die 2024 auflaufenden Zusatzkosten des bundesweit gültigen Fahrscheins.

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  • Aktive halten ein überdimensioniertes Deutschlandticket, daneben steht ein:e Aktivist:in mit einer Wissing-Maske

    Protest für verbessertes Deutschlandticket im Oktober 2023 vor der Verkehrsminister:innenkonferenz in Köln.

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  • Marissa Reiserer von Greenpeace übergibt Volker Wissing die Petition

    Aktivist:innen von Greenpeace und Campact übergeben der Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer sowie Bundesverkehrsminister Volker Wissing, am 13. Oktober 2022 über eine halbe Million Unterschriften für ein 29-Euro-Ticket, als Nachfolger des 9-Euro-Tickets.

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  • Aktive schauen aus dem Fenster eines Zuges und schwenken Fahnen mit dem Aufdruck "I love 9-Euro-Ticket".

    Greenpeace und Campact mieten Ende August 2022 einen Zug, der mit Demonstrant:innen durch Berlin fährt, die gegen das Ende des erfolgreichen 9-Euro-Tickets protestieren. Greenpeace fordert, dass ab 2023 ein sogenanntes Klimaticket für einen Euro pro Tag eingeführt wird.

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Auch ein günstigeres Ticket für 29 Euro wäre finanzierbar und wohl für den Staat nicht unbedingt teurer – dies zeigte eine bereits im Oktober 2022 von Greenpeace vorgelegte Kostenkalkulation: Der Berechnung lagen zahlreiche Umfragen zur Zahlungsbereitschaft für das künftige Deutschlandticket zugrunde. So kam heraus,  dass ein Ticket für 29 Euro pro Monat den Staat maximal so viel an Zuschüssen kostet wie ein 49-Euro-Ticket – durch die voraussichtlich doppelt so hohen Verkaufszahlen des günstigeren Tickets. Auf Basis der aus den Umfragen gemittelten Kaufbereitschaft addieren sich die möglichen Einnahmen eines 29-Euro-Tickets auf 8,6 Milliarden Euro, gegenüber 7,2 aus dem Verkauf des 49-Euro-Tickets.

Immer mehr Städte und Unternehmen bieten Deutschland-Ticket als Jobticket an

Unter den Abonent:innen finden sich auch viele, die das Deutschlandticket als Jobticket über ihren Arbeitgeber bekommen. Ein einfaches Angebot für Städte und Firmen, die Mitarbeitende bei ihrer persönlichen Mobilitätswende unterstützen möchten. Doch wie stark nutzen große Städte und börsennotierte Unternehmen in Deutschland diese Chance? Greenpeace hat nachgefragt: 76 Prozent der Städte bieten ihren Angestellten das bundesweit geltende ÖPNV-Abo als vergünstigtes Jobticket an. Das zeigt eine Abfrage unter den 100 größten deutschen Städten, an der sich 83 beteiligt haben. 63 der 83 bieten ihren Angestellten das Deutschlandticket bereits als Jobticket an, drei weitere werden es nach eigenen Angaben in den kommenden sechs Monaten einführen.

Wie stark Städte das Ticket fördern, variiert deutlich. In Dresden, Köln oder Essen etwa kostet das D-Ticket Jobticket die Mitarbeitenden 34,30 Euro. Angestellte der Städte Mainz oder Freiburg zahlen lediglich 9 Euro zu. Die Stadt München übernimmt die Kosten für ihre Angestellten sogar vollständig. Eine Mehrheit der befragten Städte (59 von 100) unterstützt ihre Angestellten zudem finanziell bei der Nutzung von Fahrrädern oder E-Bikes. Die Abfrage unterstreicht die Gefahr der anhaltenden Debatte über Preis und Fortbestand des Deutschlandtickets: Gut 90 Prozent der antwortenden Städte (76 von 83) geben an, dass ein langfristig stabiler Preis „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“ in ihrer Entscheidung für das D-Ticket Jobticket sei.

Greenpeace hatte bereits im Oktober 2023 die 40 im Dax- und die 50 im MDax gelisteten Unternehmen gefragt, ob sie ein Jobticket anbieten. Die Ergebnisse sind erstaunlich: Wenige Monate nach seiner Einführung bot gut die Hälfte der befragten Unternehmen ihren Mitarbeitenden das Deutschlandticket als Jobticket an. Damit hat das deutschlandweit gültige ÖPNV-Abo das regionale Jobticket deutlich überholt.

Der Preis des Tickets für die Mitarbeitenden variiert . Einige, etwa das Modeunternehmen Hugo Boss, der Versicherungskonzern Hannover Rück oder der Erzeuger erneuerbarer Energien Encavis, übernehmen die Kosten vollständig. 

Das Deutschlandticket als Jobticket ist nicht der einzige Weg, wie Unternehmen ihre Belegschaft bei einer umwelt- und klimafreundlichen Mobilität unterstützen können. Einige bieten keine Jobtickets an, zahlen Mitarbeitenden aber einen ÖPNV-Zuschuss, andere fördern nachhaltige Mobilität mit einem Jobrad-Angebot. 

Befragt nach ihren Wünschen bezüglich des Tickets, lautete die häufigste Rückmeldung der Dax- und MDax-Unternehmen: “Planungssicherheit” (13 Nennungen). Auch die deutschen Unternehmer sind also daran interessiert, dass es das Ticket dauerhaft gibt, mit einer Planungssicherheit zu den Bedingungen und Kosten. Ein Auftrag vor allem an das Verkehrsministerium.  

Verkehrswende durch Abbau klimaschädlicher Subventionen finanzieren

Die staatliche Bezuschussung für den Nahverkehr ist nach Auffassung von Greenpeace ohnehin zu gering. An Ideen für die Finanzierung einer sozial gerechten und klimafreundlichen Mobilität mangelt es nicht: Sei es der Abbau klimaschädlicher Subventionen oder die Umwidmung von Geldern weg vom Auto hin zum öffentlichen Nahverkehr

Ein erweitertes Deutschlandticket-Angebot mit flächendeckend günstigeren Tarifen für Sozialhilfeempfänger:innen und Studierende könnte beispielsweise durch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs finanziert werden. Denn der Staat belohnt mit dem geringen Steuersatz für privat genutzte Firmenwagen umweltschädlichen Konsum mit jährlich 4,4 Milliarden Euro – das kommt in der Regel Besserverdienenden zugute, die hauptsächlich Dienstwagen gestellt bekommen. 

46 Milliarden Euro könnten insgesamt laut Greenpeace durch die Streichung klimaschädlicher Subventionen freigesetzt und in eine klimafreundliche Zukunft investiert werden. Eine beachtliche, aber noch nicht ausreichende Summe angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen: Der Ausbau von Bus und Bahn ist dringlich – und auch die Landwirtschaft, das Bauwesen, die Energieversorgung müssen angepasst und zukunftsfähig werden.

Gelder in Bahn statt Autobahn stecken

Jahrzehntelang stand der klimaschädliche Verbrenner im Fokus der deutschen Verkehrsplanung, seit 1990 sind die Emissionen im Verkehr daher nicht gesunken. So wurde Deutschland sogar europäischer Spitzenreiter in der Stilllegung von Zugstrecken: Um 2700 Kilometer wurde hierzulande das Schienennetz für den Personenverkehr seit 1995 gekürzt, gleichzeitig wurden 2000 Kilometer neue Autobahnen gebaut.. 

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Damit die Verkehrswende endlich Fahrt aufnimmt, bietet sich also nicht nur der Abbau klimaschädlicher Subventionen an: Viele Umwelt- und Klimaschutzorganisationen fordern, dass der Aus- und Neubau von Autobahnen beendet wird, damit diese Steuergelder stattdessen den massiven Investitionsrückstau bei der Bahn beheben.

Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 haben die Fernstraßenprojekte, die als höchste Priorität eingestuft wurden, ein Preisschild von zusammen 50,9 Milliarden Euro. Doch wenige Jahre nach Inkrafttreten des Infrastrukturplans ist klar: Die Straßen werden viel teurer, als im BVWP veranschlagt: Für etliche Projekte liegen inzwischen aktualisierte Kostenschätzungen vor – häufig mit einer Vervielfachung der ursprünglichen Summen. Nach Berechnungen von Greenpeace addieren sich die Kosten für rund 800 im BVWP mit der höchsten Priorität bewerteten Straßenbauprojekte bis 2035 auf insgesamt 153 Milliarden Euro. Diese Summe könnte statt für den Bau neuer Straßen – damit ist nicht der Erhalt des bestehenden Straßennetzes gemeint – in den Ausbau des maroden Schienennetzes investiert werden.

Das käme auch den Menschen auf dem Land zugute. Bislang profitieren vor allem Menschen in Ballungsgebieten von dem bundesweit geltenden ÖPNV-Ticket. 40 Prozent der Menschen in dünn besiedelten ländlichen Gebieten haben keinen ausreichenden Zugang zu öffentlichem Verkehr, zeigt eine Studie der Rosa Luxemburg Stiftung. Hier zeigt sich die Abhängigkeit vom Auto besonders deutlich, vielerorts fehlen schlichtweg Busse oder Schienen. Der Weg aus dem Dorf ist die Straße. Meist mit dem privaten Pkw. Wer kein Auto hat, ist auf andere angewiesen - oder nimmt das Rad, was allerdings bei aller Liebe zum Radfahren über längere Distanzen nicht immer hinhaut. 

Die Infrastruktur lässt sich nicht über Nacht herbeizaubern. Leider. Es gibt aber immerhin auch Maßnahmen, die rasch zu einer Verbesserung beitragen, welche Greenpeace im “ÖPNV-Sofortprogramm bis 2025” zusammengestellt hat. Denn dazu hat das Deutschlandticket auch geführt: Es hat beeinflusst, wie wir über Bus und Bahn sprechen. Die Probleme der Bahn wären nicht kleiner ohne das Deutschlandticket, aber sie finden mehr Beachtung, seit Millionen D-Ticket Abonnent:innen die Bahn als „ihr Verkehrsmittel“ sehen.

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