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Zwei Hände halten Maiskörner
© Greenpeace / Emma Stoner

Gen-Pflanzen: „Keine Chance beim Verbraucher“

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Gentechnik in der Landwirtschaft: ja oder nein? Darüber entscheiden künftig die einzelnen EU-Länder. Ob das gut ist, erklärt Dirk Zimmermann von Greenpeace im Interview.

Das Europäische Parlament hat heute einer Richtlinie zugestimmt, die nationale Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen zulässt. Nun muss nur noch der EU-Ministerrat entscheiden  - eine Formalie.  Die EU hatte jahrelang um eine Einigung gerungen: Die unterschiedlichen Interessen zwischen der gentechnikfreundlichen EU-Kommission und dem kritischen Parlament hatten zu zähen Verhandlungen geführt. Die wichtigste Neuerung ist wohl, dass die einzelnen Länder mehr Spielraum haben, um auf eigenem Territorium den Anbau von Gen-Pflanzen auszuschließen. Eine positive Entwicklung? Darüber gibt Dirk Zimmermann, Greenpeace-Experte für Gentechnik, Auskunft.

Greenpeace: Was ist neu an den jetzt verabschiedeten Regeln zum Anbauverbot?

Zimmermann: Bislang steht für Verbote von Gen-Pflanzen lediglich die sogenannte Schutzklausel zur Verfügung. Sie kann herangezogen werden, wenn „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ wie zum Beispiel eine Umweltgefährdung vorliegen. Die Beurteilung darüber ist allerdings nicht ganz einfach, denn die Forschung zu den Risiken von Gen-Pflanzen ist lückenhaft. Zudem lassen sich viele Risiken gar nicht bewerten.

Doch jetzt können auch andere Gründe angeführt werden; den EU-Staaten stehen also mehr Möglichkeiten zur Verfügung. Das ist grundsätzlich positiv. Doch leider hat die sicherste Verbotsmöglichkeit, nämlich die Begründung mit Umweltrisiken, keinen Eingang in die neuen EU-Gesetze gefunden.

Was bedeutet das für Deutschland - wie wird sich die Regierung verhalten?

Die Regierung hat im Grunde genommen keine andere Wahl, als neu zugelassene Gen-Pflanzen umgehend zu verbieten. Denn niemand in Deutschland braucht oder will Gen-Mais auf dem Acker.

Und Bundesagrarminister Schmidt hat nationale Anbauverbote sogar zum politischen Ziel erklärt. Es wird aber entscheidend darauf ankommen, wie konsequent Deutschland von den Regeln Gebrauch macht und dass die Verbote national, also für ganz Deutschland, erfolgen. Theoretisch ist die Umsetzung nämlich auch in regionalen Einheiten - etwa Bundesländern - möglich.

Welche Sicherheit hat die Bevölkerung, die zu 80 Prozent den Anbau von Gen-Pflanzen ablehnt, dass es bei einem Nein auf Dauer bleibt? Kann die Umsetzung in deutsches Recht leicht gekippt werden?

Es sind weniger die Verbotsregeln im nationalen Recht, die angreifbar sein könnten. Vielmehr sind es konkrete Anbauverbote, die gekippt werden könnten, indem Gentechnik-Konzerne dagegen klagen.

Dennoch dürfte es letztlich vor allem vom politischen Willen abhängen, ob wasserdichte Verbote kommen. Es wäre sehr zu wünschen, dass die Bundesregierung hier eine der vielleicht schärfsten Waffen der neuen Regeln nutzt: Die Möglichkeit,  den Anbau ganzer Gruppen von Gen-Pflanzen mit gleichen Eigenschaften zu verbieten. Mit dem Verbot sämtlicher herbizidtoleranten oder Insektengift produzierenden Gen-Pflanzen könnte dem Anbau aller Gewächse vorgebeugt werden, die sich in aktuellen Zulassungsverfahren befinden.

Was ist, wenn ein Land den Anbau verbietet und alle umliegenden Länder ihn zulassen? Dann wäre die gentechnikfreie Landwirtschaft auf Dauer doch auch gefährdet.

Das ist und bleibt ein grundsätzliches Problem der Gentechnik auf dem Acker. Deshalb müssen für Deutschland Verbote unbedingt auf Bundesebene verhängt werden. Aber Gen-Pflanzen machen bei ihrer Ausbreitung nicht an Grenzen halt. Deswegen wäre es natürlich besser wenn die EU weitgehend frei von ihnen bliebe.

Ist denn zu befürchten, dass viele EU-Staaten  offen sind für Gentechnik auf dem  Acker?

Die große Mehrheit der EU-Länder lehnt den Anbau ab – diese Haltung ist seit Jahren konstant. So haben zum Beispiel 19 von 28 Mitgliedsstaaten auf EU-Ebene damals gegen die Zulassung des Gen-Maises 1507 gestimmt. Seitdem liegt die Zulassung allein bei der Europäischen Kommission.

Lediglich Spanien baut den zurzeit zugelassenen Gen-Mais in großem Umfang an. Fast alle anderen Länder scheinen kein Interesse am Anbau zu haben. Es ist nicht zu erwarten, dass sich das bei Neuzulassungen großartig ändern wird.

Der Gen-Mais 1507 steht kurz vor der Zulassung. Gibt es noch weitere Gen-Pflanzen, stehen wir vor einer Zulassungswelle?

1507 ist leider nicht allein. Es sind weitere Gen-Mais-Sorten mit ähnlichen Eigenschaften in zum Teil weit vorangeschrittenen Zulassungsverfahren. Durch die Uneinigkeit in der EU gab es jahrelang keine Zulassungen von Gen-Pflanzen. Hintergrund der Neuregelung war deshalb leider auch, die blockierten Zulassungsverfahren zu beschleunigen.

Wenn ein Land den Anbau zulässt, was passiert mit der Pflanze? Landet sie dann als Dosenmais im Supermarkt?

In Deutschland wandern Gen-Pflanzen vor allem ins Tierfutter oder in Biogasanlagen. Das wäre auch für hier angebauten Gen-Mais zu erwarten.

Als Lebensmittel sind die zur Anbauzulassung anstehenden Maissorten längst genehmigt. Im Supermarktregal müssen sie aber gekennzeichnet werden, deshalb setzt sie kein Produzent als direkte Zutat ein. Die Hersteller wissen: Gentechnisch veränderte Lebensmittel hätten beim Verbraucher  keine Chance. 

Online-Mitmachaktion

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Pigs in Factory Farming in Germany

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