Der IPCC veröffentlicht einen Sonderbericht zu Extremwetter
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Die IPCC-Wissenschaftler warnen, dass die Auswirkungen von Wetterextremen und Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels bisher massiv unterschätzt wurden. Zwar tun sich die Experten nach wie vor schwer, Einzelereignisse unmittelbar auf den Klimawandel zurückzuführen, doch ist ein Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und der Zunahme von Extremereignissen herleitbar.
Drei Arten von Extremereignissen
Der Report unterscheidet zwischen drei Arten von Extremereignissen: die Zunahme von Wetterextremen, die Zunahme von Schäden durch Wetterextreme und neuartige Extremereignisse in Folge der Klimaerwärmung. Zu allen drei Typen gibt es jüngste Beispiele.
Zum einen untersuchen die Experten Wetterextreme, die sich in Folge des Klimawandels verstärken oder in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärken werden. Hierzu zählen Hitzewellen, Dürren oder Hochwasserkatastrophen. So lässt sich die Moskauer Rekordhitze im Jahr 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den langfristigen Trend der Klimaerwärmung zurückführen. Die Hitzwelle rund um Moskau übertraf sogar noch den Jahrhundertsommer 2003 in Europa, der zu Tausenden von Toten geführt hatte. Im westlichen Russland waren Missernten und riesige Waldbrände die Folge.
Zweitens: Ereignisse, deren Gefährlichkeit oder Auswirkungen durch Veränderungen unabhängig vom Klimawandel zunehmen, wie z. B. ein erhöhtes Überflutungsrisiko durch verstärkte küstennahe Bebauung. Als besonders verletzlich gelten asiatische Küstenstädte. So hat die Hauptstadt Thailands 2011 das schlimmste Hochwasser seit über 50 Jahren erlebt. Wochenlang standen ganze Stadtteile der Millionen-Metropole Bangkok unter Wasser. Über 13 Millionen Thailänder waren von den Fluten betroffen, mehr als 500 Menschen starben durch das Hochwasser.
Zum Dritten wird die Entstehung neuer Wetterphänomene diskutiert. Diese neuartigen Phänomene und Extremereignisse in Folge des Klimawandels können verheerende Auswirkungen haben. So können sich Hurrikane in Regionen bilden, die bisher als unvorstellbar galten. Beispielsweise wütete Anfang November 2011 über Südeuropa ein monströser Tiefdruckwirbel, der für sintflutartige Regenfälle in Italien sorgte. Sturzfluten überschwemmten die Straßen in Genua. In den reißenden Flüssen ertranken mindestens 16 Menschen. Meteorologen schließen nicht mehr aus, dass sich durch die Erwärmung des Mittelmeers in Zukunft auch dort Hurrikane oder zumindest hurrikanartige Stürme bilden können.
Erhebliche Schäden durch Extremereignisse
Die Kräfte der Natur, angeheizt durch den Ausstoß von Treibhausgasen, toben sich in Stürmen, Unwettern und sintflutartigen Regenfällen aus. Befürchtet wird auch, dass extreme Wetterlagen so schnell aufeinander folgen, dass sich die betroffenen Regionen nicht mehr davon erholen können. In Pakistan stand 2010 nach katastrophalen Überschwemmungen das halbe Land unter Wasser. Im Sommer 2011 gab es erneut riesige Überschwemmungen, die die Ernten vernichteten.
Extremereignisse sind besonders fatal - schon ein einziges Ereignis kann zu katastrophalen Schäden führen, die alle Annahmen in den Schatten stellen. Solche extrem seltenen Ereignisse kommen grundsätzlich überraschend. Sie liegen außerhalb des zu erwartenden Ereignishorizontes - außerhalb jeder Erfahrung. Meistens lassen sich erst im Nachhinein Erklärungen für ihr Auftreten finden.
Die Infrastruktur auf solche Extremereignisse auslegen zu wollen ist illusorisch, auch wenn wir nicht umhin kommen, Anpassungsmaßnahmen an ein verändertes Klima vorzunehmen. Wir wissen zwar, dass Extremereignisse heftiger und häufiger auftreten, aber es ist unmöglich vorherzusehen, wann und wo die Natur genau zuschlägt. Hitzewellen bis 50 Grad Celsius oder regional begrenzte Sturzfluten, bei denen innerhalb weniger Stunden 50 bis 100 Liter Regen pro Quadratmeter niederprasseln, lassen sich mit technischen Maßnahmen kaum in den Griff bekommen. Das sind menschengemachte Katastrophen, die nicht zu beherrschen sind.
Deutschland bleibt nicht verschont
Und auch Deutschland wird die Auswirkungen des Klimawandels spüren. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft erwartet eine Zunahme von katastrophalen Stürmen in Deutschland. Heftige Stürme, die es früher alle 50 Jahre gegeben hat, werden alle 10 Jahre auftreten und Schäden von bis zu 8 Milliarden Euro verursachen. In Zukunft werden sich die Schäden durch Flussüberschwemmungen und Sturzfluten in Folge sintflutartiger Regenfälle verdreifachen. Die Winterstürme werden im Westen zunehmen und auch die Schäden durch sommerliche Unwetter steigen um bis zu 60 Prozent.
Das alles sollte Anlass genug sein, endlich den politischen Durchbruch zu organisieren, um den Ausstoß der Treibhausgase drastisch zu senken. Es gilt nach wie vor: Jeder Euro, den wir zur Senkung des Treibhausgasausstoßes ausgeben, ist besser angelegt, als jedes Jahr für die Schäden in Folge von Wetterextremen zu zahlen.
(Autor: Karsten Smid, Greenpeace-Klimaexperte)