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Greenpeace-Aktivisten in weißen Schutzanzügen stehen neben gelben Atommüll-Tonnen mit der Aufschrift "The End" und einem stilisierten AKW
Philip Reynaers / Greenpeace

Neues Gesetz soll Atomrückstellungen sichern

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Das neue Gesetz zur „Nachhaftung“ für den Rückbau der Atommeiler und die Endlagerung des atomaren Mülls will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 23. September in den Bundestag einbringen. „Nachhaftung“ deshalb, weil die Atomkonzerne längst dabei sind, sich aus dem Staub zu machen, wenn es ums Bezahlen für den von ihnen produzierten Atommüll geht. Vattenfall hat als Mitbetreiber der AKW Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel die deutsche Tochtergesellschaft bereits 2012 vom schwedischen Mutterkonzern abgespalten, damit am Ende nicht der Staatskonzern und damit der schwedische Steuerzahler für den Atommüll der deutschen Reaktoren aufkommen muss. Eon plant ebenfalls, den Atombereich des Konzerns abzutrennen. Dann müsste der Mutterkonzern nur noch die bisher verpflichtenden fünf Jahre für Rückbau und Entsorgung der AKW und des Mülls haften.

Dabei dauern Stilllegung und Rückbau Jahrzehnte. Bis jetzt ist jedes Projekt viel teurer geworden als zuvor veranschlagt; die Kosten für Langzeitzwischenlagerung oder gar Endlagerung sind schlicht unkalkulierbar. Offiziell wird zwar von einem Einlagerungsbeginn in ein Endlager im Jahre 2050 gesprochen, Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die Einlagerung bis weit ins kommende Jahrhundert ziehen wird.

„Hase-und-Igel-Spiel“ ums Geld

Genau vor diesen unkalkulierbaren Kosten wollen sich die Konzerne drücken. Das war bereits lange absehbar. Spätestens seit dem ersten rot-grünen Versuch, Ende der 1990er Jahre per Gesetz aus der Atomenergie auszusteigen, fordern Umweltverbände und Bürgerinitiativen: Die von den Atomkonzernen für die Entsorgung gebildeten Rückstellungsmilliarden müssen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds eingezahlt werden. Stattdessen kauften sich die Konzerne mit dem Geld beispielsweise in den liberalisierten Telefonmarkt ein oder investierten in andere Geschäftszweige.

„Jetzt läuft die Bundesregierung wie der Hase hinter dem Igel her, um das Geld zu sichern“, beschreibt Mathias Edler, Greenpeace-Experte für Atomenergie, Gabriels Vorgehen. Die insgesamt für die Entsorgung zurückgestellten 35,8 Mrd. Euro existieren zwar auf dem Papier – in den Bilanzen der Konzerne. Spätestens seit dem zweiten Ausstiegsbeschluss nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima ist jedoch unklar, ob die Barschaft bei Eon und Co. überhaupt noch flüssig gemacht werden kann. Denn die abgeschalteten AKW bringen kein Geld mehr ein, sie verursachen stattdessen jeden Tag Kosten.

Rückstellungsfonds jetzt!

„55 Jahre nach dem Anschalten des ersten Atommüll produzierenden AKW in Deutschland greift eine Bundesregierung erstmals in die Gesetzeskiste, um die finanzielle Haftung der Müllverursacher bis zum Ende zu sichern. Das ist mehr als überfällig und gleichzeitig bei weitem nicht ausreichend“, erklärt Edler. „Die für die Entsorgung angeblich vorhandenen Milliarden der Konzerne müssen jetzt in bar auf den Tisch. Damit darf die Bundesregierung  nicht einen Tag länger warten.“

Denn in dem Gesetzentwurf wird zwar eine Haftung bis zum Zeitpunkt des Verschlusses eines Endlagers für die „herrschenden“ Mutterkonzerne festgelegt, die sich nun ihrer unrentabel gewordenen Atomabteilung auf dem Papier entledigen wollen. Aber: „Die finanziellen Interessen des  Staates sind damit (nur) so lange gewahrt, wie der jeweilige Konzern nicht insgesamt insolvent wird“, heißt es selbst in der Gesetzesbegründung. Denn wenn auch der Mutterkonzern pleite ist, ist auch dort nichts mehr zu holen. Schon heute dürfte fraglich sein, ob zum Beispiel der ehemalige Energieriese RWE seinen Anteil von etwa 10,8 Milliarden Euro an den Entsorgungsrückstellungen überhaupt noch zahlen kann. Am 11. Mai 2015 sah RWE-Chef Peter Terium sein Unternehmen schon in Gefahr, wenn eine vergleichsweise geringe Klimaabgabe für die Braunkohlekraftwerke des Unternehmens eingeführt würde.

„Angesichts der langen Zeiträume und großen Summen dürfte selbst ein in Kürze erwartetes positives Ergebnis des vom Bundeswirtschaftsminister beauftragten Rückstellungs-Stresstests das Papier nicht wert sein, auf dem es gedruckt ist“, erklärt Edler. „Denn kein Wirtschaftsprüfer kann 100 Jahre in die Zukunft gucken..So lange noch etwas bei den Konzernen zu holen ist, muss das Geld gesichert werden. Auch, wenn es bei weitem nicht reichen wird.“ Das verlange allein die Gerechtigkeit gegenüber jeder anderen kleinen Firma in Deutschland, die für die Entsorgung ihrer Abfälle selbstverständlich aufkommen muss. „Ansonsten wird ihr nämlich von Amts wegen die Bude dicht gemacht.“

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