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Patrick Moore
© Pierre Gleizes / Greenpeace

Antworten zu Patrick Moore

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Patrick Moore stellt sich in der Öffentlichkeit gerne als Greenpeace-Gründer dar. Doch macht er sich seit 1986 für alles nur nicht für Greenpeace-Themen stark. 2008 hat er sich in die Atomdebatte in Deutschland eingemischt. In seinem Gastbeitrag am 1. August 2008 für Die Welt arbeitet Moore mit Behauptungen, denen die wissenschaftliche Basis fehlt oder die schlicht und einfach falsch sind. Lesen Sie die Antwort auf das Essay von Roland Hipp, Kampagnen-Geschäftsführer von Greenpeace e.V.:

Patrick Moore, 1976: Atomkraftwerke sind neben Atomsprengköpfen die gefährlichsten Einrichtungen, die der Mensch jemals geschaffen hat. Ihr Bau und ihre Verbreitung ist der unverantwortlichste, ja sogar kriminellste Akt, der jemals auf diesem Planeten stattgefunden hat.

Im Frühjahr 1986, vor 22 Jahren, verließ Patrick Moore Greenpeace. Frühjahr 1986? War da nicht was? Richtig: Am 26. April 1986 explodierte Tschernobyl. Aber das hat Herr Moore wohl ebenso verschlafen wie die meisten Entwicklungen in der Energietechnologie und -politik.

In seinem Gastbeitrag für Die Welt stellt Patrick Moore eine Reihe von Behauptungen auf, denen die wissenschaftliche Basis fehlt oder die schlicht und einfach falsch sind:

Moore behauptet: Atomausstieg und Ratifizierung des Kyoto-Protokolls schließen sich gegenseitig aus, will man denn die deutsche Wirtschaft nicht ruinieren. Deutschland kann einfach nicht all seine Atomkraftwerke abschalten und gleichzeitig seine CO2-Emissionen senken.

Richtig ist: Die Energieszenarien der Bundesregierung (Grundlage der Energie-Gipfel-Gespräche) belegen ebenso wie die Greenpeace-Studie Klimaschutz Plan B eindeutig, dass der Atomausstieg nicht nur möglich ist, sondern sogar als Motor funktioniert für Innovationen und Investitionen für Erneuerbare Energie, Kraft-Wärme-Kopplung und Energieeffizienz - und damit für den Klimaschutz. Deutschland ist gerade dabei, nicht trotz, sondern auch dank des Atomausstiegs die Grundlagen zu legen für eine wahrhaft nachhaltige Energiewirtschaft.

Nach Plan B müssen wir bis zum Jahr 2020 den Stromverbrauch der Endkunden um 15 Prozent senken. Der Rest muss zu einem Drittel aus Erneuerbaren Energien kommen, zu einem Drittel aus Kohlekraftwerken und neuen Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, die also Wärme und Strom liefern. Der Einsatz von Gas wird jedoch nach Plan B nur leicht gesteigert, weil der gesamte Verbrauch zurückgeht. Ergänzt wird das Energiepaket durch Effizienz-Maßnahmen in der Verkehrspolitik und im Bereich der Wärmeversorgung.

Greenpeace zeigt mit Plan B, wie die Bundesregierung ihr Ziel erreichen kann, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken - angetrieben durch einen beschleunigten Atomausstieg bis 2015. Die gegenwärtige Erhöhung der Strompreise hat mit dem Atomausstieg, der ja bisher kaum wirklich begonnen hat, überhaupt nichts zu tun. Verantwortlich sind dafür die Stromkonzerne, die die Preise an der Börse mit einer kleinen gehandelten Strommenge und durch die Einpreisung von geschenkten Emissionszertifikaten künstlich hochhalten.

Wirtschaftlich ruinös sind weder Atomausstieg, noch Klimaschutz, sondern eine zentralisierte monopolistische Stromwirtschaft, die über die Jahre fettgefüttert worden ist: mit 54 Milliarden Euro für Atomkraft und über 150 Milliarden Euro für Kohle.

Buchstäblich volkswirtschaftlich ruinös wäre ein beschleunigter Klimawandel ebenso wie ein großer Atomunfall in Deutschland. Von der furchtbaren menschlichen Tragödie eines Super-GAU ganz einmal abgesehen, müssten in diesem Fall fast ausschließlich die Steuerzahler die Kosten für die Schäden übernehmen, weil die Betreiber der Atomkraftwerke nicht annähernd ausreichend versichert sind. Ähnlich verhält es sich mit den über Tausende von Jahren anfallenden Kosten für den Betrieb eines atomaren Endlagers und den zu erwartenden Problemen bei der Endlagerung.

Moore behauptet: Atomenergie und Atomwaffen in einen Topf zu werfen, ist so töricht, wie dasselbe mit Nuklearmedizin und Nuklearwaffen zu tun.

Die Sorge über die Atom-Programme im Iran und Nord-Korea vergegenwärtigt uns die unvermeidbare Gefahr des Missbrauchs der - angeblich zivilen - Atomkraft für den Bau von Atombomben.

Moore behauptet: Umweltverbände, die behaupten, die Wind- und Solarenergie könnte die großen Atom- und Kohlekraftwerke ersetzen, führen die Öffentlichkeit auf unverantwortliche Weise in die Irre.

Dass Windenergie große Atom- und Kohlekraftwerke ersetzt, ist nicht nur eine realistische Perspektive - es ist bereits Realtität. Im vergangenen Jahr haben allein die Windkraftwerke in Deutschland mehr als fünfmal so viel Strom produziert wie die drei Atomkraftwerke Biblis A, Brunsbüttel und Neckarwestheim 1 zusammen, die jetzt zur Abschaltung anstünden. Bereits seit 2005 liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien im Endenergieverbrauch über dem der Atomkraft.

Für windschwache Zeiten dienen Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung, die Wärme und Strom erzeugen, als Ausgleich. Zudem werden in Zukunft virtuelle Kraftwerke, der Zusammenschluss von verschiedenen Erneuerbaren Energiequellen, eine größere Rolle spielen.

Moore behauptet: Und würde nicht Jahr für Jahr Nuklearstrom im Wert von zwei Milliarden Euro aus Frankreich importiert, wäre der Verbrauch fossiler Energien noch höher.

Deutschland exportiert mehr Strom als es importiert. Im Jahr 2006 wurden 20 Terrawattstunden (TWh) - das entspricht der Jahreserzeugung von etwa drei Reaktor-Blöcken - Strom exportiert, im Jahr 2007 waren es 19 TWh. Es ist also genau umgekehrt: Ohne diese Stromexporte nach Frankreich wäre der Verbrauch fossiler Energien in Deutschland geringer.

Moore behauptet: Ohne die 17 Atomkraftwerke, die etwa ein Viertel des im Land verbrauchten Stroms produzieren, wären die CO2-Emissionen noch höher. Wenn Deutschlands Atomkraftwerke auslaufen, werden sie durch Kraftwerke ersetzt werden müssen, die ununterbrochen und verlässlich Energie liefern. Zur Wahl stehen die heimische Braunkohle, der schlimmste Luftverschmutzer überhaupt, und russisches Gas, mit dem ebenfalls hohe CO2-Emmissionen verbunden sind. Und obwohl Energieeffizienz und -einsparung eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, den Stromverbrauch zu senken, können beide die Lücke nicht schließen. Würde Deutschland hingegen zur Atomenergie zurückfinden, könnte es mit der Reduzierung seiner CO2-Emmissionen beginnen, ohne der Wirtschaft zu schaden.

Umgekehrt: Es droht keine Stromlücke, sondern eine Investitionslücke, wenn die Stromkonzerne um der Erhaltung ihrer Monopole willen Investitionen in dezentrale Kraftwerke verweigern sollten.

Gas erzeugt zwar CO2, hat jedoch einen enormen Vorteil: Es soll nach Plan B von Greenpeace in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen eingesetzt werden, die einen Wirkungsgrad von 80 bis 90 Prozent erreichen. Damit sind die CO2-Emissionen von solchen Anlagen um ein Vielfaches niedriger als bei Kohlekraftwerken.

Moore behauptet: Kein Zivilist ist im Westen je durch einen Atomunfall verletzt worden.

Falsch: Von Kontaminationen durch den Unfall 1957 in Windscale über Kontaminationen durch die Freisetzung von Radioaktivität bei der teilweisen Kernschmelze von Harrisburg 1979, über durch Tschernobyl verursachte Krankheiten auch in westlichen Ländern über den Unfall im japanischen Tokai Mura 1999, bei dem zwei Menschen den Strahlentod starben und Hunderte kontaminiert wurden, bis hin zur Häufung von Kinderkrebsfällen in der Umgebung deutscher Atomkraftwerke: Auch Zivilisten im Westen sind Opfer der sogenannten zivilen Nutzung der Atomkraft - und wir alle sind weiterhin massiv bedroht.

Moore behauptet: Nach 20 Jahren Forschung stellt die Weltgesundheitsorganisation fest, dass nur 56 Todesfälle unmittelbar auf den Unfall in Tschernobyl zurückzuführen seien, einen Reaktor, den die Sowjets nie hätten bauen dürfen. Selbst wenn man die Auswirkungen von Tschernobyl mitrechnet, bleibt die Atomenergie eine der sichersten Industrien der Welt.

Studien der Russischen Akademie der Wissenschaften gehen von etwa 93.000 zusätzlichen Todesfällen als Folge von Tschernobyl aus. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO, die Schwesterorganisation der Atombehörde IAEA, schätzt die Zahl allein der Krebstoten mittlerweile auf 9000 Fälle.

Abschließend fragt Moore: Wird es nicht Zeit, dass die Umweltbewegung einsieht, dass die Atomenergie keine Bedrohung ist, sondern das Zukunftsversprechen einer sicheren, sauberen Energie und die machtvollste Technologie, über die wir verfügen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen und den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren?

Die Atomenergie ist eine reale Bedrohung. Jederzeit kann es - ausgelöst durch Unfälle oder Terrorangriffe - zu verheerenden Katastrophen kommen. Atomenergie ist die denkbar unsauberste Energie, da von ihrem Müll für hunderttausende von Jahren große Gefahr ausgeht.

Patrick Moore stellt sich gerne als Greenpeace-Gründer dar. Doch er hat sich in den vergangenen Jahren vor allem eingesetzt für den Kahlschlag in Wäldern, für die Gentechnik-Industrie, für die Atombranche und neuerdings sogar - seit Greenpeace sich für giftstoff-freie Computer einsetzt - für den Verbleib von Giftstoffen in Computern. Ich bin gespannt, auf welches Thema er sich als nächstes stürzen wird, welche Argumente er ins Feld führen und vor allem welche er übergehen wird.

Roland Hipp, Kampagnen-Geschäftsführer von Greenpeace e.V.

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