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Das Zwischenlager für Atommüll in Brunsbüttel hat seine Genehmigung verloren.
© Martin Langer / Greenpeace

Urteil gegen Atommüll-Zwischenlager

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Das Urteil bestätigt die Klage eines Bürgers von Brunsbüttel aus dem Jahr 2004. Dieser hatte bemängelt, dass die Risiken eines terroristischen Angriffs auf das Zwischenlager in der schleswig-holsteinischen Hafenstadt nicht ausreichend bedacht worden seien. Schon 2013 hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein daraufhin geurteilt, dass die Genehmigung des Zwischenlagers in dem stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel aufgehoben werden sollte – doch das Bundesamt für Strahlenschutz und der Betreiber Vattenfall legten Beschwerde ein. Entgegen der Einwände wurde das Urteil nun endgültig rechtskräftig.

„Fehlerhafte Risikoermittlung“ in allen Zwischenlagern

Allerdings: „Die Gerichte haben sich zur Frage der tatsächlichen Sicherheit etwa gegen Terrorangriffe nicht geäußert“, erklärt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. „Bemängelt wurde der Umfang der Ermittlungen und Bewertungen im Genehmigungsverfahren.“

Das bestätigt auch Heinz Smital, Physiker und Greenpeace-Experte für Atomenergie: „Die Genehmigung wurde rechtskräftig aufgehoben, weil die Gefahr von terroristischen Angriffen nicht ausreichend bewertet worden ist.“ So müssten etwa der mögliche Absturz eines Verkehrsflugzeugs und die Entwicklung von panzerbrechenden Waffen bei der Genehmigung von Zwischenlager-Stellen berücksichtigt werden.

„Die fehlerhafte Risikoermittlung betrifft sämtliche in Deutschland betriebenen Zwischenlager“, ergänzt der Rechtsanwalt des Klägers, Dr. Ulrich Wollenteit. Und auch deutsche Atomkraftwerke wiesen empfindliche Schutzlücken auf.

Dennoch erkennt Greenpeace-Experte Smital im Urteil um Brunsbüttel „ein gutes Signal für die Rechtmäßigkeit des Atomausstiegs.“

Der Atommüll bleibt – „weil es keine Lösung gibt“

Der Triumph ändert jedoch nichts an der Grundproblematik: Wohin mit dem atomaren Müll? Eine Übergangslösung sieht vor, die Castor-Behälter bis 2018 weiter in Brunsbüttel zwischenzulagern. Das Urteil zeige das Dilemma, in dem die Atomtechnologie steckt, so Smital: „Obwohl die Lagerung des hochradioaktiven Abfalls keine Genehmigung hat, wird er weiter dort deponiert werden – weil er da ist und es keine Lösung gibt.“ Doch die braucht es, um die Castoren langfristig sicher zu verwahren.

Eine Möglichkeit wäre eine neue Genehmigung für Brunsbüttel, fürchtet Smital. Damit einhergehen müssten eine genauere Beweisführung und echte Nachbesserungen an dem Lager. Für den langen rechtlichen Kampf der Anwohner in Brunsbüttel wäre das ein trauriger Ausgang.

Ein weiteres Szenario ist denkbar, wenn der Betreiber Vattenfall den Standort in Brunsbüttel aufgeben würde. Dann müssten die Voraussetzungen für einen Transport der Behälter zum AKW Krümmel geschaffen werden. Eine gute Lösung wäre das nicht: Das Zwischenlager in Krümmel ist auch nicht sicherer als das jetzige in Brunsbüttel. Proteste der Anwohner wären in diesem Fall höchst wahrscheinlich.

Brunsbüttel-Urteil – und die Folgen

Doch das Urteil von Brunsbüttel zieht weitere Folgen nach sich. So können etwa die Castoren aus dem britischen Sellafield nun entgegen der Planung nicht dort zwischengelagert werden. Auch für sie muss ein Aufenthaltsort gefunden werden. Umso schwieriger, als auch die anderen deutschen Zwischenlager ungenügend auf terroristische Szenarien geprüft wurden. Und auch das Zwischenlager im AKW Unterweser ist noch nicht rechtskräftig genehmigt. Hier könnte ein ähnliches Urteil gefällt werden wie für Brunsbüttel, glaubt Smital.

Das aktuelle Brunsbüttel-Urteil werde in die Argumentation der Atomkraftgegner einfließen. „Damit ist der Weg bereitet, auch andere Atomanlagen wegen unzureichendem Schutz vor terroristischen Angriffen stillzulegen.“

Insgesamt neun Castoren mit abgebrannten  Brennelementen lagern laut Bundesumweltministerin Hendricks in Brunsbüttel. Seit der Inbetriebnahme des AKW in den 70er Jahren hat es dort zahlreiche Störfälle gegeben.

Der Reaktor in Brunsbüttel wurde 2007 nach einem Kurzschluss vom Netz genommen; seit 2011 ist er endgültig abgeschaltet. 

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