
25 Jahre Greenpeace in Deutschland und nötiger denn je
- Hintergrund
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Geschäftsführerin Brigitte Behrens zu unserem Jahresrückblick 2005.
Liebe Leserinnen und Leser,
2005 war in der Greenpeace-Geschichte ein sehr besonderes Jahr. Mit vielen von Ihnen haben wir unser 25-jähriges Jubiläum und all unsere Erfolge gefeiert: gegen das Verklappen von giftiger Dünnsäure, gegen die Herstellung lebensgefährlicher Pestizide oder den Versuch, eine ausgediente Ölplattform einfach ins Meer zu entsorgen.
Die Liste spektakulärer Greenpeace-Aktionen ist lang. 25 Jahre setzen wir uns nun schon von Deutschland aus für einen lebenswerteren Planeten ein, mit konfrontativen Kampagnen. 25 Jahre, da sollten die wichtigsten Umweltprobleme doch wohl gelöst sein! In gewisser Weise stimmt das auch: So manche früher ganz legale Umweltsünde ist in Deutschland heute per Gesetz verboten. Und selbst für unsere Gegner gehört inzwischen der nachhaltige Umgang mit Ressourcen zumindest zum guten Image.
Hat sich das öffentliche Bewusstsein für umweltschädliches Verhalten aber tatsächlich verbessert? Ja, aber nicht genug im Angesicht der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Heute sind die meisten Probleme längst nicht mehr lokal zu lösen: Klimawandel, Meeresverseuchung, Überfischung, Abholzung der letzten Urwälder, Ausrottung unzähliger Arten. Um dem wachsenden Raubbau global agierender Konzerne Paroli zu bieten, muss immer öfter weit über nationale Grenzen hinausgeschaut und gehandelt werden. Das hat Greenpeace im Jahr 2005 verstärkt getan:
Unsere Aktionen gegen die fortschreitende Urwaldzerstörung haben uns 2005 nach Finnland geführt. Denn auch dort machen internationale Konzerne mit immer rasanterem Tempo die letzten Bäume zu Fenstern, Magazinen und Klopapier. Unsere Schutzstation im finnischen Norden sorgt im März für den Aufschub des Einschlags. Aber auch in Abnehmerländern wie beispielsweise Deutschland protestiert Greenpeace, im November vor allem gegen den Papierhersteller Stora Enso, der den Urwald zu Zellstoff und Papier verkocht. All dies ist Teil einer mehrjährigen Greenpeace-Kampagne zum Schutz der letzten sieben Urwaldgebiete unserer Erde.
Mit unserem Flaggschiff Esperanza startet Greenpeace im Sommer 2005 von Kanada aus eine internationale Expedition gegen die zerstörerische Tiefseefischerei im Atlantik. Zweieinhalb Wochen dokumentieren wir die Verwüstung, die Grundschleppnetze im Nordwest-Atlantik hinterlassen. Nur ein Verbot dieser ausbeuterischen Fischerei durch die UNO kann die Tiefsee schützen. Greenpeace fordert eine weltweit nachhaltige Fischerei, welche die Meeresökosysteme bewahrt.
Auch das Klima ist ein globales Problem, das kein Staat allein lösen kann. Während jedoch ein Wetterextrem das nächste jagt, reduziert die Große Koalition das Ziel, bis 2020 40 Prozent CO2 einzusparen, auf rund 30 Prozent. Und der Stromriese RWE plant zwei zusätzliche Braunkohleblöcke, statt in Erneuerbare Energien zu investieren. Deswegen demonstrieren Greenpeace-Aktivisten im November bei Eiseskälte auf einem RWE-Kühlturm gegen den Klimakiller Nr.1 in Europa. Auch klimaschädliche Emissionen und Gesundheitsgefahren durch den Verkehr werden bisher von Politik und Industrie nicht konsequent angegangen: Schon seit 1999 weist Greenpeace auf die Gefahren von Dieselruß hin. Im Mai 2005 demonstrieren wir auf der Siegessäule in Berlin gegen das massive Gesundheitsrisiko durch Feinstaub.
Oder der Verbraucherschutz: In Europa zum Beispiel sind zehntausende von Chemikalien am Markt, zu deren Gefährlichkeit keine Informationen vorliegen. Trotzdem will die neue Bundesregierung noch weniger Restriktionen für die Chemieindustrie bei Registrierung und Zulassungen. Auch beim Gentechnik-Gesetz, das den Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft sicherstellen soll, drohen gefährliche Rückschritte. Greenpeace setzt dagegen, fordert beispielsweise von Marktführern der Milchproduktion wie der Unternehmensgruppe Theo Müller GmbH & Co. KG gentechnikfreie Tierfütterung. Statt jedoch den Verbraucherwünschen nach gentechnikfrei erzeugten Produkten nachzukommen, überzieht die Unternehmensgruppe Theo Müller Greenpeace 2005 mit einer ganzen Serie von Gerichtsverfahren: Greenpeace soll die Fütterung der Milchkühe mit Gen-Soja nicht mehr kritisieren. Pech nur für die Unternehmensgruppe, dass sie bisher alle wesentlichen Verfahren verloren hat.
Und nicht nur einzelne Konzerne versuchen Greenpeace einen Maulkorb anzulegen: 2004 und 2005 haben Politiker vor allem aus Sachsen-Anhalt und Bayern verlangt, Greenpeace den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen. Dabei geht es nicht etwa um Fehler in der Buchhaltung - es geht um die unbequemen Aktionen von Greenpeace, vor allem gegen den breiten Einsatz der Gentechnologie in der Landwirtschaft. Aber Greenpeace lässt sich nicht einschüchtern.
Auch nach 25 Jahren erfolgreicher Umweltschutzarbeit in Deutschland ist Greenpeace nötiger denn je. Und am Greenteam-Projekt, das dieses Jahr sein 15-jähriges Jubiläum feierte, sehen wir, dass auch in den Kindern die Greenpeace-Ideale lebendig sind. Für die vielen Glückwünsche zu unserem Jubiläum möchte ich mich hier nochmals herzlich bedanken. Ihre rege Teilnahme und Botschaften sind uns Lob und Ansporn zugleich. Ihre Spenden machen uns finanziell unabhängig. Bitte unterstützen Sie uns weiterhin, damit Greenpeace auch in Zukunft viel bewegen kann.
Mit herzlichen Grüßen und bestem Dank
Ihre Brigitte Behrens
Geschäftsführerin von Greenpeace
