
Künstliche Intelligenz: Energieverbrauch und Umweltauswirkungen
Nachhaltige KI
Künstliche Intelligenz frisst Strom, Wasser und Ressourcen – und gefährdet so die Energiewende. Ein neuer Greenpeace-Report zeigt, wie der KI-Boom zum Klimaproblem werden kann und macht Vorschläge zur Lösung.
- Ein Artikel von Michael Weiland
- mitwirkende Expert:innen Jonathan Niesel
- Hintergrund
Ob beim Schreiben von Texten, in der Forschung oder bei der Steuerung von Produktionsabläufen – Künstliche Intelligenz, oder kurz KI, spielt in nahezu allen Arbeitsbereichen eine Rolle. Dabei ist der Begriff eigentlich irreführend, auch wenn wir ihn im Folgenden verwenden (wie der Rest der Welt auch). Denn das, was gemeinhin als KI verstanden wird, ist sogenanntes maschinelles Lernen, keine echte Intelligenz: Die KI “versteht” nicht, sie kann allerdings Muster erkennen, Vorhersagen treffen oder Aufgaben automatisiert lösen. Und wird darin immer besser.
Die Technologie ist ein Hoffnungsträger und damit Geschäftsfeld. Doch mit den Milliarden, die Tech-Konzerne wie Google, Amazon, Microsoft oder Meta in KI-Infrastruktur investieren, wächst die ökologische Herausforderung. Eine neue Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace zeigt: Der rasante Ausbau von KI-Rechenzentren droht die Klimaziele massiv zu gefährden. Schon im Jahr 2030 wird der Strombedarf dieser Zentren elfmal so hoch sein wie noch 2023 – das entspricht dem heutigen Stromverbrauch sämtlicher herkömmlicher Rechenzentren weltweit.
Die Datenzentren, in denen KI-Anwendungen betrieben werden, sind wahre Stromfresser. Spezialisierte „Hyperscale“-Zentren mit einer Anschlussleistung von mehreren Hundert Megawatt beanspruchen riesige Flächen und verschlingen Ressourcen in gewaltigem Ausmaß: Der Anteil, den KI-spezifische Hardware am Energieverbrauch von Rechenzentren hat, wird Schätzungen zufolge von 14 Prozent im Jahr 2023 auf 47 Prozent bis 2030 steigen. Auch der Wasserverbrauch wächst dramatisch: Für die Kühlung der Server werden 2030 voraussichtlich 664 Milliarden Liter Wasser nötig sein – viermal so viel wie heute. Besonders bedenklich: KI-Rechenzentren verbrauchen doppelt so viel Wasser wie konventionelle Zentren. Und das oft in wasserarmen Regionen, was zu Konflikten führen kann: Wer kriegt das Wasser - Landwirt:innen oder das Rechenzentrum?
CO2-Emissionen steigen wegen KI-Ausbau
Trotz aller Versprechen zur Klimaneutralität steigen auch die CO2-Emissionen: von 29 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2023 auf 166 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Und das, obwohl ein steigender Anteil erneuerbarer Energien bereits eingerechnet wurde. Der Ausbau der KI-Infrastruktur sorgt dafür, dass Gas- und Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben – und der Weg in die Klimaneutralität immer länger wird. Jonathan Niesel, Greenpeace-Experte für Künstliche Intelligenz, warnt vor einem unkontrollierten Wachstum von KI. „Ohne einen massiven und zusätzlichen Ausbau der Erneuerbaren droht durch den KI-Boom eine längere Abhängigkeit von fossilen Energien. Das sabotiert die Einhaltung der Klimaziele.“
Greenpeace fordert: Transparenz und Verantwortung
Greenpeace lehnt Künstliche Intelligenz nicht grundsätzlich ab. Im Gegenteil: KI kann ein mächtiges Werkzeug für den Umwelt- und Klimaschutz sein – wenn sie klug, effizient und ökologisch verantwortungsvoll eingesetzt wird. Doch dazu braucht es klare Leitplanken.
Greenpeace fordert deshalb:
- 100 % Erneuerbare Energien für KI-Infrastruktur – zusätzlich und nicht aus dem bestehenden Mix
- Transparenzpflichten für KI-Unternehmen: Wie viel Strom und Wasser verbrauchen ihre Systeme tatsächlich? Mit welchen Zielen wurden die Modelle trainiert und welche Umweltparameter wurden hierbei berücksichtigt?
- Effizienzstandards und Label für Rechenzentren und KI-Dienste
- Verpflichtende Abwärmenutzung und Integration in lokale Wärmenetze – ohne Rückgriff auf Atomstrom
- Verantwortung für Lieferketten – insbesondere bei der Chip-Produktion und Wasserverbrauch
KI hat ein Hardware-Problem
Die Produktion der notwendigen Hardware verdient dabei besonderes Augenmerk, denn die Herstellung der KI-Chips ist extrem ressourcenintensiv. Der Greenpeace-Report „Chipping Point“ aus dem April dieses Jahres zeigt, dass insbesondere in Ostasien eine neue Generation von Hochleistungs-Chips unter hohen Umweltkosten produziert wird, oft mit hohem Energieeinsatz aus Kohlekraft. Das bedeutet: Schon bevor ein KI-Modell wie ChatGPT seine erste Antwort gibt, hat es bereits einen massiven ökologischen Fußabdruck.
Der Report macht deutlich: Der beschleunigte Ausbau Erneuerbarer entlang der Lieferkette ist technisch möglich – und dringend nötig. Nur dann kann der wachsende Bedarf an KI-Chips ökologisch tragfähig gedeckt werden.
Der Report des Öko-Instituts ergänzt das Hardware-Problem mit Zahlen zum Ende des Lebenszyklus von Chips und Servern: Durch den Ausbau von Rechenzentren und KI-Kapazitäten könnten bis 2030 bis zu 5 Millionen Tonnen zusätzlicher E-Schrott anfallen.
Rebound-Effekte: Warum Effizienz allein nicht reicht
Energieeffizientere Algorithmen und kleinere KI-Modelle können zwar helfen, den Verbrauch zu senken – aber nur, wenn sie nicht zu noch mehr Nutzung führen. Genau das ist jedoch der Fall: Der Rechenaufwand für das Training von KI-Modellen verdoppelt sich alle fünf Monate. Die Zahl der ChatGPT-Nutzer:innen hat sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt.
Dieser Effekt nennt sich Rebound oder Jevons-Paradox. Benannt nach dem englischen Ökonomen William Stanley Jevons, besagt seine Theorie, dass technischer Fortschritt, der die effizientere Nutzung eines Rohstoffes erlaubt, letztlich zu einer erhöhten Nutzung dieses Rohstoffes führt, anstatt sie zu senken. Technologischer Fortschritt allein genügt darum nicht. Es braucht politische Rahmensetzungen, die nicht nur Effizienz fördern, sondern auch überflüssige und klimaschädliche Anwendungen begrenzen. KI zur Ölförderung? Ein absolutes No-Go.
Der KI-Boom bringt Probleme - und braucht Lösungen
Greenpeace engagiert sich bereits seit Jahren für eine umweltfreundlichere digitale Infrastruktur. Der Report „Clicking Clean“ aus dem Jahr 2017 legte offen, wie weit IT-Unternehmen auf dem Weg zu einem grünen Internet sind. Schon damals forderte Greenpeace: Die Digitalisierung darf nicht auf Kosten des Klimas gehen.
Heute, im Zeitalter von KI, gilt das mehr denn je. Was früher Facebook und Netflix waren, sind heute generative Sprachmodelle und Deep-Learning-Cluster. Der Unterschied: Der Ressourcenverbrauch ist explodiert.
Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Die Frage ist nicht mehr, ob wir sie nutzen – sondern wie. Der Greenpeace-Report „Umweltauswirkungen Künstlicher Intelligenz“ liefert dafür eine wissenschaftlich fundierte Grundlage und bietet Lösungen an. Die politischen Empfehlungen sind klar: Es braucht Transparenz, verbindliche Standards, internationale Zusammenarbeit – und den politischen Willen, den digitalen Wandel nachhaltig zu gestalten. Denn eines ist sicher: Wenn wir die ökologische Frage der Digitalisierung nicht beantworten, gefährden wir nicht nur unsere Klimaziele – sondern auch unsere Chance auf eine gerechte und lebenswerte Zukunft.

Greenpeace-Studie: Umweltauswirkungen Künstlicher Intelligenz
Anzahl Seiten: 55
Dateigröße: 2.37 MB
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