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Greenpeace-Aktivisten hängen ein 12 mal 6 Meter großes Banner mit der Aufschrift “Don’t trade away our democracy" an das EU-Ratsgebäude in Luxembourg
© Xavier Bechen / Greenpeace

Greenpeace-Aktivisten fordern EU-Handelsminister auf, CETA nicht zu unterzeichnen

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Update vom 18. Oktober, 16 Uhr:

Die EU-Handelsminister haben keine Entscheidung zur vorläufigen Anwendung von CETA getroffen, da Belgien der Unterzeichnung nicht zugestimmt hat. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte, die Handelsminister hätten heute die Bedingungen des Bundesverfassungsgerichts akzeptiert.

Er pries CETA erneut als ein Abkommen, das Umweltschutz und Arbeitsnormen schützen würde. „Sein Zweckoptimismus hält jedoch einem Faktencheck nicht stand“, erklärt Christoph von Lieven, Sprecher von Greenpeace. „Die EU-Kommission beschreibt das Vorsorgeprinzip zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern als einseitige und daher für Kanada nicht verbindliche Maßnahme.“

Damit die EU-Kommission den Vertrag mit Kanada nächste Woche unterzeichnen kann, müssen die Handelsminister oder ihre Regierungschefs bis kommenden Freitag zugestimmt haben. Voraussetzung dafür ist, dass Belgien nachgibt – wird das Land dem Druck standhalten?

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Man könnte sagen, in Europa geht es drunter und drüber. Heute soll der EU-Rat über CETA, das Handelsabkommen mit Kanada, abstimmen – für ein Ja ist die Zustimmung aller Mitgliedstaaten von Nöten. Erst dann kann die EU-Kommission den Vertrag Ende des Monats unterzeichnen. Doch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) reist nach Luxemburg, ohne dass das Bundeskabinett über CETA abgestimmt hat. Im Gepäck hat er dafür zahlreiche Auflagen, die das Bundesverfassungsgericht vergangene Woche an eine Zustimmung geknüpft hatte. Ob diese mittlerweile erfüllt sind? Unbekannt - die Öffentlichkeit jedenfalls weiß davon nichts. Auch Österreich hat Bedingungen gestellt, und wie Belgien heute entscheiden wird, ist noch völlig ungewiss. 

Die Greenpeace-Aktivisten vor Ort in Luxemburg wissen jedenfalls, was sie wollen. „Don’t trade away democracy“ steht auf dem Banner, das sie am EU-Ratsgebäude befestigt haben. Mit ihrer Forderung, das Handelsabkommen nicht zu unterzeichnen, stehen sie nicht allein da. Vor Ort sind auch Gewerkschaftsvertreter und andere Organisationen wie Campact oder Friends of the Earth. Der ohnehin gesellschaftlich breit aufgestellte Protest erhält zudem immer mehr Zulauf.

Juristen in Europa verurteilen CETA

So forderten gestern mehr als 100 Rechtsprofessoren aus Europa in einer gemeinsamen Erklärung, nicht nur die Sondergerichte, sondern gleich den gesamten Investorenschutz aus CETA und TTIP zu streichen. Das Sonderklagerecht – seit jeher stark umstritten – ermöglicht Konzernen, Staaten zu verklagen, wenn sie ihre Investitionen durch staatliche Maßnahmen gefährdet sehen. So kann beispielsweise der Energiekonzern Vattenfall Deutschland verklagen, weil die gewählte Bundesregierung zum Schutz von Umwelt und Mensch den Atomausstieg beschlossen hat. Die Juristen sehen darin einen Verstoß gegen demokratische Grundsätze.

Ins gleiche Horn stößt auch der Europarat (Council of Europe) – eine im Jahr 1949 von 47 europäischen Ländern gegründete Institution. Sie versteht sich als Hüterin der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa und hat den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen. Der zuständige Ausschuss vom Europarat fordert nun, den Vertragsabschluss erst einmal zu stoppen, da CETA in unzulässiger Weise die nationalstaatliche Souveränität beschneiden würde. Gewichtige Vorwürfe, die da gerade die Runde machen. 

EU handelt kopflos

„Ich bin fassungslos, wie die EU-Kommission den Abschluss des Abkommens weiterhin vorantreiben kann“, sagt Christoph von Lieven, Greenpeace-Experte für Handel. „Mittlerweile scheinen ja sogar die EU-Institutionen durch die anhaltende Kritik verunsichert zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in der EU, die eigentlich als ersten Schritt vergangene Woche über CETA hätten abstimmen müssen, bis heute keine Entscheidung getroffen haben.“ In der Tat sieht der Fahrplan der EU-Kommission für die Vertragsunterzeichnung drei Schritte vor: Erst müssen die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten zustimmen, dann der EU-Rat – in dem die Mitgliedstaaten auf Ministerebene vertreten sind. Und als krönender letzter Schritt soll die Unterzeichnung des Vertrages beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober in Brüssel  erfolgen.

Aber Wirtschaftsminister Gabriel fährt ja schließlich auch nach Luxemburg ohne die Stimme des Bundekabinetts – ohne die vom Parteikonvent der SPD und von den Gewerkschaften gesetzten Bedingungen erfüllt zu haben. Und handelt damit gegen die Interessen seiner potenziellen Wähler. „Die Situation ist wirklich absurd“, sagt Lieven. „Die EU-Kommission und die Minister müssen die Argumente der kritischen Länder und Parlamente ernstnehmen und Antworten darauf finden. Ein Abkommen solcher Tragweite darf in seiner jetzigen Form nicht unterzeichnet werden.“

>>> Sobald die Entscheidung des EU-Rates feststeht, informieren wir Sie hier in einem Update.

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