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2021 Chaco Forest - illegale Abholzung
© Alejandro Espeche / Greenpeace

Paraguay - Klimaweltmeister

Land- und Forstwirtschaft dominieren die Wirtschaft. Größter Vorteil ist die geringe Bevölkerungsdichte

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Paraguay ist neben Bolivien das einzige Land Südamerikas, das keine Küstenlinie hat. Dabei bedeutet der Name des Landes in der Sprache der Ureinwohner Wasser, das zum Wasser geht. Und um das Wasser wird in Paraguay zunehmend gestritten. Es geht um Milliardengeschäfte.

Land und Leute

Die Bevölkerung Paraguays besteht zu 90 Prozent aus Mestizen, also Nachkommen von Spaniern, und den einheimischen Guaraní-Indianern. Verantwortlich dafür ist der erste Präsident nach der Unabhängigkeit im Jahr 1811: Der schrullige Mann erließ ein Gesetz, das den weißen Siedlern eine Heirat mit einem bzw. einer Guaraní vorschrieb, um eine Einheitsrasse zu bilden. Um dies konsequent durchzusetzen, war Ausländern während seiner Amtszeit von immerhin rund 25 Jahren das Betreten Paraguays bei Todesstrafe verboten. Später öffnete sich das Land jedoch Einwanderern. Im 20. Jahrhundert siedelte sich auch eine große deutschsprachige Kolonie an. Der Diktator Alfredo Stroessner, der das Land bis 1989 über 30 Jahre beherrschte und danach bis 2006 im brasilianischen Exil lebte, war deutschstämmig.

Er brachte auch eine große Zahl deutschstämmiger Brasilianer nach Paraguay. Diese Brasiguayos genannte Gruppe hat nicht den besten Ruf im Land: Offenbar haben etliche unter Ausnutzung ihrer Wirtschaftskraft und der Korruption der staatlichen Institutionen riesige Ländereien erworben, die eigentlich für die Ansiedlung von Kleinbauern gedacht waren. Fast 20 Prozent der Landfläche Paraguays sind auf diese Weise an die Verbündeten des ehemaligen Diktators übertragen worden. Die marxistisch-leninistische Paraguayische Volksarmee (EPP) hat dieser Oligarchie den Kampf angesagt und bereits mehrere Attentate verübt.

Währenddessen geht es der indigenen Bevölkerung schlecht: Eine im letzten Jahr erstmals durchgeführte Erhebung zur Situation der Ureinwohner belegte, dass deren Analphabetenquote fast achtmal über, ihr Monatseinkommen um mehr als ein Drittel unter dem Landesdurchschnitt liegt.

Daten

  • Fläche: 406.750 km2
  • Einwohnerzahl: 6,24 Millionen
  • Hauptstadt: Asunción
  • Amtssprachen: Spanisch und Guaraní
  • Staatsform: Präsidialrepublik

Wirtschaft

Wirtschaftlich geht es im Land langsam bergauf. Land- und Forstwirtschaft, die die Wirtschaft dominieren, sorgen für Exportüberschüsse. Ähnlich wie in Argentinien liegt das aber vor allem an der Soja, die in riesigen Monokulturen angebaut und exportiert wird. Rund 40 Prozent der Paraguayos lebt weiter unterhalb der Armutsgrenze, 20 Prozent sogar in absoluter Armut - während bei den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung mehr als 42 Prozent des Einkommens hängen bleiben.

Für die Armen ist insbesondere die Schattenwirtschaft von großer Bedeutung. Paraguay gilt als südamerikanische Drehscheibe für Drogenschmuggel ebenso wie für Markenpiraterie im Elektronik- und Luxusartikelbereich.

Eine weitere wichtige Einnahmequelle für Paraguay ist Strom: Fast 40 Milliarden Kilowattstunden exportiert das Land pro Jahr. Gemeinsam mit Brasilien und Argentinien betreibt Paraguay große Wasserkraftwerke. Strom, den das Land nicht selbst verbrauchen kann, gibt es an die größeren Nachbarn ab. Paraguay deckt daher seinen Stromverbrauch zu nahezu 100 Prozent aus Wasserkraft und hat damit wahrscheinlich die beste Klimabilanz aller Teilnehmerländer.

Natur und Umwelt

Tatsächlich bläst jeder Paraguayo nur 700 Kilogramm CO2 im Jahr in die Atmosphäre. In Deutschland sind es mehr als 14-mal so viel. Der Pro-Kopf-Ausstoß ist dabei über fast zwei Jahrzehnte weitgehend gleich geblieben. Der Gesamtausstoß des ganzen Landes beträgt nur ein Viertel dessen, was allein die deutschen Kohlekraftwerke Jahr für Jahr in die Atmosphäre blasen.

Der nahezu unbewohnte Westen des Landes ist in weiten Teilen ein Naturparadies. Menschen meiden die Region schon wegen der Hitze, die dort im Sommer herrscht. Regelmäßig werden im Gran Chaco, zu dem auch Teile Boliviens und Argentiniens gehören, die heißesten Temperaturen in ganz Südamerika gemessen: mehr als 50 Grad Celsius. Die im Chaco vorherrschenden Savannen und Trockenwälder bieten vielen Pflanzen und Tieren noch ungestörte Rückzugsflächen. Knapp 200 Säugetierarten leben in Paraguay und beinahe 8.000 Pflanzenarten.

Unter Schutz stehen 61.400 Quadratkilometer oder 15 Prozent der gesamten Landfläche. Der beste Schutz für die Umwelt Paraguays ist die geringe Bevölkerungsdichte von nur 15 Menschen pro Quadratkilometer. In der Chaco-Region hat statistisch sogar jeder Einwohner zwei Quadratkilometer für sich allein.

Der möglicherweise größte Schatz Paraguays - und der Nachbarländer Argentinien, Brasilien und Uruguay - befindet sich allerdings unterhalb des Landes: Dort liegt einer der drei größten Süßwasservorräte der Welt, der Guaraní-Aquifer. In 50-1500 Metern Tiefe lagern dort wahrscheinlich mehr als 50.000 Kubik-Kilometer Süßwasser - so ganz genau weiß man das noch nicht. In Anbetracht von weltweit knapper werdenden Wasservorräten ist das Reservoir aber bereits ins Blickfeld von multinationalen Wasserkonzernen gerückt. Auch die Weltbank finanziert Studien zu Ausdehnung und Umfang der Vorräte - mit dem Ziel, diese zu kommerzialisieren. Die Guaraní-Indianer, denen das Aquifer seinen Namen verdankt, leben hingegen vielfach eingepfercht von Sojaplantagen und haben wegen des sorglosen Umgangs mit Agrargiften häufig schon jetzt kein sauberes Trinkwasser mehr. Sie fordern daher, statt der Erforschung der unterirdischen Vorräte erst einmal für den Schutz der Oberflächengewässer zu sorgen.

Die USA haben mit Billigung der Regierung Paraguays gerade einen neuen Militärstützpunkt in der Region eingerichtet. Kritiker befürchten, dass die Nordamerikaner auf diese Weise versuchen, Pflöcke einzuschlagen, um sich den Zugriff auf diese knapper werdende Ressource zu sichern.

Menschenrechte und Korruption

Besonders bei den Auseinandersetzungen um Landrechte greift die Polizei nach Amnesty-Angaben häufig sehr hart durch. Protestierende Campesinos wurden geschlagen und erniedrigt, Schüsse mit Gummigeschossen gehören zum normalen Vorgehen der Polizei. Im Kampf gegen die EPP hat die Regierung die Verhängung des Ausnahmezustands für einzelne Regionen erleichtert. Auf diese Weise können Proteste verboten und Personen leichter verhaftet werden.

Um sein Recht durchzusetzen, sind Bestechungen in Paraguay ganz alltäglich. Fast die Hälfte der Paraguayos gab bei einer Umfrage für Transparency International (TI) 2005 an, innerhalb der letzten 12 Monate Bestechungsgeld gezahlt zu haben. Daran hat sich wohl nicht viel geändert: Paraguay liegt im Korruptionsindex von TI auf Platz 154 von 180. Innerhalb Südamerikas wird es in dieser Beziehung nur noch von Venezuela unterboten.

(Autor: Helge Holler)

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