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Christoph von Lieven von Greenpeace
© Bodo Marks / Greenpeace

Greenpeace-Sprecher Christoph von Lieven: CETA und TTIP stützen die Politik eines Donald Trump

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„America First“: Nach dieser Maxime fällt der neue US-amerikanische Präsident so allerhand Entscheidungen. Auch Handelsabkommen ist er nicht wohlgesonnen – sie würden der US-Wirtschaft schaden: So hat er im Wahlkampf gegen das transpazifische Abkommen TPP und den nordamerikanischen Vertrag NAFTA gewettert.

Grünen-Chef Cem Özdemir äußerte nun, dass CETA, das Abkommen mit Kanada, für ihn doch vorstellbar sei – angeblich, um ein Zeichen gegen den Trump‘schen Protektionismus zu setzen. „Dem CETA-Abkommen werden wir in dieser Form zwar nicht zustimmen, aber klar ist auch, dass ein nachverhandeltes CETA ein starkes Signal für freien und fairen Handel wäre“, erklärte Özdemir gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Bislang hatten die Grünen, die Linken und Teile der SPD stets bekundet, CETA nicht zustimmen zu wollen. 

Doch ermöglicht ein nachverhandeltes CETA einen fairen Handel? „Nein – im Gegenteil“, sagt Christoph von Lieven, Sprecher von Greenpeace. „Verträge wie CETA und TTIP stützen das ausgrenzende Weltbild eines Donald Trump.“ Im Interview erklärt er, warum der Widerstand gegen CETA weiterhin wichtig ist.

Greenpeace: Grünen-Chef Cem Özdemir sagt, er könne sich CETA mit Änderungen vorstellen. Er behauptet, damit ein Zeichen gegen den Trump-Protektionismus setzen zu wollen. CETA müsse zwar noch nachverhandelt werden, aber freier Handel sei wichtiger denn je. Warum schlägt er diese Kehrtwende vor?

Christoph von Lieven: Cem Özdemir und Ministerpräsident Winfried Kretschmann nutzen Trump, um ihre in der eigenen Partei unpopuläre Position zu CETA schmackhaft zu machen. Denn mit einem möglichen Ja der Grünen zu CETA erhöhen sich die Chancen für eine schwarz-grüne oder rot-grüne Koalition nach der nächsten Bundestagswahl.

CETA lässt sich nicht nachbessern. Der Vertrag ist gespickt mit Klauseln, die einen freien und fairen Handel im Keim ersticken. Wenn Özdemir die Werte und Beschlusslage der Grünen ernst nimmt, müsste er fordern, CETA komplett neu zu verhandeln.

Du hast gesagt, dass CETA und TTIP eher eine protektionistische Wirtschaftspolitik, also eine Abschottung nach außen, stützen. Wieso ist das so?

Diese Art von Handelsabkommen sind exklusive Clubs für reiche Länder. Es kann nicht jeder mitmachen – die Länder des Südens haben keinen Zutritt. TTIP ist Protektionismus pur – er findet nur in einem größeren Rahmen, also die USA plus Europa, statt. Dasselbe gilt für CETA, nur eben für Europa und Kanada.

Trump ist auf den Handel mit Europa angewiesen – deshalb hat er sich auch nicht gegen TTIP ausgesprochen. Er will aber Länder ausschließen, die günstiger produzieren und somit eine Konkurrenz für die US-amerikanische Wirtschaft darstellen. Das ist in Europa nicht der Fall. Die Produktionskosten wie zum Beispiel Löhne sind mit denen in den USA vergleichbar. Das NAFTA-Abkommen hingegen lehnt er ab, weil zu diesem Wirtschaftsraum Länder wie Mexiko gehören mit niedrigeren Lohn- und Sozialstandards und somit günstigeren Produkten.

Aber könnte man darin nicht auch Gutes sehen? Warum sollten Produkte aus Ländern mit schlechten Arbeitsbedingungen eingeführt werden?

Der Ansatz muss aber doch sein, überall höhere Standards einzuführen und nicht, die Armen auszuschließen. Zudem ist die Welt mittlerweile enorm verzahnt. Schlechte Produktionsbedingungen, die Böden, Flüsse und das Klima zerstören können nicht isoliert betrachtet werden. Kriege und Chancenlosigkeit in den Ländern des Südens sind Nährboden für  Radikalisierung und Flucht. Die Folgen sind auch bei uns spürbar.

Ist Trump für oder gegen TTIP?

Am liebsten wäre ihm sicherlich, nicht mit einer starken EU, sondern mit einzelnen EU-Staaten Verträge abzuschließen. So kann er am meisten Druck ausüben und seine Interessen durchsetzen. Wenn das aber nicht möglich ist, wird er einen Handelsvertrag mit der EU wollen. Ob der dann noch TTIP heißt, weiß ich nicht. Er wird nachverhandeln - obwohl der Vertrag unserer Meinung nach schon sehr viele Zugeständnisse an die USA beinhaltet.

US-amerikanische Firmen brauchen die ausländischen Märkte. Apple beispielsweise verkauft mehr iPhones in Europa und Asien als in den USA. Zudem sind die Amerikaner auf europäische und asiatische Waren angewiesen. Ohne den Import würden Produkte in Übersee 20 bis 30 Prozent teurer werden.

Wie steht Greenpeace zum weltweiten Handel?

Freier und fairer Handel ist wichtig: Wer miteinander handelt, führt in der Regel keine Kriege, sondern ist im Gespräch. Wir brauchen den internationalen Austausch – um die Probleme in dieser Welt gemeinsam anzugehen.

Protektionismus hingegen hat im Laufe der letzten Jahrhunderte immer wieder zum gleichen Ergebnis geführt, nämlich zu Auseinandersetzungen – entweder zu Handelskriegen oder zu militärischen Kriegen.

Ohne Handel könnten wir außerdem - insbesondere in den reichen Ländern - den Lebensstandard nicht halten. Europa beispielsweise hat extrem wenig Rohstoffe. Auch die USA ist auf den Warenaustausch angewiesen. Was wir brauchen ist eine gerechte, am Gemeinwohl orientierte Weltwirtschaft, die auch globale Herausforderungen wie den Klimaschutz angeht. 

Wie müsste ein guter und fairer Handelsvertrag aussehen?

Diese Frage lässt sich nicht schnell beantworten. Das Wichtigste aber wäre, den Vertrag von Anfang an transparent zu verhandeln. Das Ziel muss sein, eine faire und nachhaltige Wirtschaft zu schaffen, die für alle offen steht.

Zudem dürften die globalen Probleme in einem Handelsvertrag nicht außer Acht gelassen werden wie es bei CETA und TTIP der Fall ist. Die Bedrohung durch den Klimawandel beispielsweise ist nicht erwähnt. Im Gegenteil: Mit dem Passus alle Energieformen wie Atom, Kohle und Öl mit Solar- und Windenergie  gleichzustellen, wäre die deutsche und europäische Energiewende und damit der Klimaschutz  in Gefahr. 

Was erwartest du von der bundesdeutschen Politik?

Die Grünen und die Linken müssen bei ihrer Entscheidung, CETA nicht zuzustimmen, bleiben. Das würde schon reichen, um im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit für das Abkommen zu erzielen. Dann könnte Deutschland CETA nicht ratifizieren – das Handelsabkommen wäre tot und der Weg  für ein faires und nachhaltiges Wirtschaftsabkommen wäre frei

Aber auch die neue SPD-Hoffnung Schulz steht in der Pflicht. Er redet davon, dass es hier gerechter werden soll. Dann muss er für einklagbare Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards und damit gegen CETA sein. Dieser Vertrag ist für die Interessen großer Konzerne geschrieben und nicht für die kleinen Leute.

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