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Jürgen Knirsch, Greenpeace-Experte für Handel
© Chris Grodotzki / Greenpeace

Handelsabkommen mit den USA: Interview mit Greenpeace-Experte Jürgen Knirsch

„Wenn wir keinen Deal erreichen, werden wir Zölle verhängen.“ Kernige Sätze aus dem Mund des US-Präsidenten Donald Trump sind nicht neu und schon gar nicht selten. Seitdem jedoch Schutzzölle bis zu 25 Prozent auf europäische Autos und Autoteile im Raum stehen, ist die EU nervös. Vor allem der Mitgliedsstaat Deutschland will der Forderung des US-Präsidenten nach einem Deal nachkommen und drängt auf neue Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit den USA.

Die EU-Kommission prescht in die gleiche Richtung. Der EU-Ministerrat wird vermutlich am 18. März entscheiden; beim Europäischen Parlament stand das Thema heute auf der Tagesordnung. Die ursprüngliche Beschlussvorlage empfahl, die Mandate und damit den Start der Verhandlungen abzulehnen. Sie wurde auf Druck der Christdemokraten geändert. Die heute vorgelegte Version richtete sich nicht mehr gegen den Start der Verhandlungen, sondern formulierte Bedingungen für die Aufnahme von Gesprächen mit den USA, etwa den Ausschluss der Landwirtschaft. Doch auch dieser Antrag fand keine Mehrheit: 223 Parlamentarier stimmten dagegen, 198 dafür, 37 enthielten sich – somit gibt es keine eindeutige Entscheidung.

Die Position des Europäischen Parlaments ist nicht bindend, setzt aber ein wichtiges Signal für den Erfolg der gesamten Unternehmung. Denn am Ende der Verhandlungen muss das Parlament dem Vertrag zustimmen. Dieses hatte im vergangenen Sommer mit großer Mehrheit beschlossen, nur noch Handelsabkommen mit Staaten abzuschließen, die das Pariser Klimaschutzabkommen umsetzen. Das will Trump nun ja bekanntlich nicht. Welche Kräfte wie am Werk sind, ordnet Jürgen Knirsch, Greenpeace-Experte für Handel, ein.

Greenpeace: Die EU debattiert, ob sie erneut mit den USA über ein Handelsabkommen diskutieren soll. Dabei lagen die Verhandlungen zum TTIP-Abkommen jahrelang auf Eis. Warum flammt diese Frage nun auf?

Jürgen Knirsch: Seit seiner Wahl versucht Trump, den Export US-amerikanischer Produkte zu erhöhen, indem er Druck ausübt. So hat er Strafmaßnahmen wie Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa verhängt, um seinen Handelspartnern Zugeständnissen abzuringen. Damit hat er sich natürlich in der EU keine Freunde gemacht. Nichtsdestotrotz zeigt seine plumpe Strategie Wirkung.

Im Juli vergangen Jahres bekundeten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Trump nach einem Treffen ihr Interesse, neue Verhandlungen aufzunehmen. Passiert ist erst einmal nichts; Trump erhöhte den Druck auf die EU. Der gipfelte zuletzt darin, dass in einem noch weitgehend geheimen Papier des US-Wirtschaftsministers die Einfuhr europäischer Autos und Autoteile als gefährdend für die nationale Sicherheit der USA einstuft wird. Warum, ist nicht bekannt. Der Präsident hat bis zum 18. Mai 2019 Zeit, Maßnahmen zu verkünden – das könnten Strafzölle bis zu 25 Prozent auf europäische Autos und Autoteile sein.

Die EU-Kommission hat nun vorgeschlagen, mit den USA über ein neues Handelsabkommen zu verhandeln und dafür die Inhalte benannt.

Geht es dabei um den alten TTIP-Vertrag?

Nach den Willen der USA ja, ihre Verhandlungsposition umfasst fast alle Punkte, die in TTIP auch vorgesehen waren. Die EU-Kommission schlägt dagegen zwei reduzierte Verhandlungsstränge vor. Für die EU geht es um den Abbau von Industriezöllen und um die Angleichung von Testverfahren. Dass also in Europa die gleichen Verfahren eingesetzt werden wie in den USA beispielsweise bei der Messung von Autoabgasen.

Dabei kann für Umwelt und Verbraucher aber auch viel auf dem Spiel stehen. Denn wie mit Testverfahren Ergebnisse manipuliert werden können, hat die Autoindustrie eindrucksvoll gezeigt. Auf dem Prüfstand waren die Autos sauber, auf der Straße stießen diese jedoch deutlich mehr Schadstoffe aus. Was nützen strenge Grenzwerte, wenn die Tests falsch sind. Das gilt auch für die Prüfung von Lebensmitteln auf Pestizide oder gentechnisch veränderte Bestandteile.

Der noch in TTIP vorgesehene Investitionsschutz wäre aber nicht Bestandteil. Dieser war besonders umstritten, weil er Konzernen ermöglicht, Staaten zu verklagen, wenn sie ihre Investitionen beispielsweise  durch Umweltauflagen gefährdet sehen. Ist das den Protesten geschuldet?

Wahrscheinlich. Auf jeden Fall muss ein Abkommen ohne Investitionsschutz nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Zustimmen müssen nur die EU-Gremien, also EU Rat und EU-Parlament, was den Prozess enorm beschleunigt – aber für die Zivilgesellschaft die Möglichkeiten erschwert, auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen.

Doch auch Präsident Trump lehnt den Investitionsschutz ab. Er will keinen Vertrag, der einem Schiedsgericht eine ihm übergeordnete Rolle zuteilt.

Ein Knackpunkt ist aber jetzt schon bekannt: Die EU will landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch oder Getreide außen vor lassen, Trump nicht. Warum ist ihm das so wichtig?

Nicht nur die US-Regierung, auch die amerikanische Agrarlobby drängt auf einen leichten Zugang zum EU-Markt durch den Abbau von Zöllen und sonstigen Handelshemmnissen für die Landwirtschaft. Denn die Situation hat sich für viele Farmer in den USA verschlechtert, seitdem Trump an der Macht ist.

So hat Präsident Trump bei seinem Handelskrieg, den er vor allem auch gegen China führt, nicht bedacht, dass es Gegenmaßnahmen geben könnte. China belegte als Reaktion auf die US-Sanktionen amerikanische Soja mit Zöllen. Statt aus den USA importiert China jetzt Soja aus Brasilien. Die brasilianische Agrarindustrie freut es, in den USA hingegen hat das zu einem massiven Preisverfall bei Soja geführt. Das, was Trump den Farmern versprochen hatte, nämlich America first, tritt also gar nicht ein. Farmer zählen aber zu seinen Stammwähler, er muss nun liefern.

Auch die Autoindustrie ist nicht erfreut über die angedrohten Strafzölle.

Die Automobilindustrie agiert global. Das Material bezieht ein Autobauer in den USA auch aus Deutschland. Wird dieses teurer, wird auch das Auto in den USA teurer und lässt sich schwerer verkaufen. Die US-Automobilindustrie und sogar einige Republikaner haben Trump aufgefordert, seine angedrohten Maßnahmen nicht durchzuführen, da sie Rückschläge für die US-Wirtschaft erwarten.

Die USA haben angekündigt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. Spielt das in der Debatte eine Rolle?

In der deutschen Bundesregierung wiegt die Angst vor möglichen Strafzöllen mehr als der Klimaschutz. Deutschland als großer Autoexporteur setzt sich sehr für neue Verhandlungen mit den Amerikanern ein. Der französische Präsident Macron war einer der ersten, der gefordert hat, nur mit den USA zu verhandeln, wenn diese ihre Unterstützung für das Klimaschutzabkommen bezeugen. Beim EU-Umweltministerrat am 5. März dieses Jahres haben Frankreich, Luxemburg und Spanien darauf hingewiesen, dass die gegenwärtig diskutierten Handelsabkommen im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehen müssen.

Das EU-Parlament hat im vergangenen Jahr das Gleiche gefordert. Ist diese Forderung durch die heutige Abstimmung bestärkt oder abgeschwächt worden?

Das EU-Parlament hat im vergangenen Jahr die EU-Kommission aufgefordert, keine Verträge mit Staaten abzuschließen, die das Pariser Klimaschutzabkommen nicht umsetzen. Dieser Satz stand auch in der ersten Version der Entschließung. Der heute eingebrachte Vorschlag wollte davon aufgrund der Strafzoll-Politik von Trump  eine Ausnahme machen. Da dieser Text aber nicht angenommen wurde, ist durch die heutige Abstimmung erst einmal keine Abweichung von der Pro-Klimaschutz-Linie erfolgt.

Dies ist zu begrüßen und setzt hoffentlich das richtige Signal an den Rat.

Die hohen Strafzölle würden die Wirtschaft in der EU empfindlich treffen. Was ist der EU zu raten?

Wenn einem die Pistole auf die Brust gesetzt wird, lässt sich schlecht verhandelt. Die EU sollte dem Druck von Trump nicht nachgeben. Geben und Nehmen sind die Grundsätze beim Verhandeln, der amtierende US-Präsident hingegen will mit Druck seinen Willen durchsetzen und lediglich nehmen. Die Hoffnung ist natürlich, dass das nach den nächsten Wahlen anders sein wird.

Ein Handelsabkommen mit den USA ist also nicht grundsätzlich schlecht?

In den vergangenen Jahren hat die EU mit vielen Staaten Handelsabkommen abgeschlossen oder ist noch dabei, diese auszuhandeln. Die USA sind ein wichtiger Handelspartner, deshalb ist es auch hier sinnvoll, Verhandlungen zu führen.

Bei den Verhandlungen allerdings muss Klimaschutz als Notwendigkeit verankert sein, an der kein Weg vorbeiführt. Und nicht nur das: Faire Handelsabkommen müssen transparent und unter Einbeziehung aller Akteure ausgehandelt werden; sie müssen die verbindliche und einklagbare Einhaltung von Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz, Kernarbeitsnormen und Menschenrechte gewährleisten.

Sollte es gelingen, mit den USA einen derartigen Vertrag auszuhandeln, spricht vieles für ein Handelsabkommen mit dem Land. Ein Abkommen, das lediglich den Interessen der Wirtschaft oder einzelner Industriezweige dient, lehnt Greenpeace ab.

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