Am 30.4.1995 erklommen Greenpeace-Aktivisten die Leiter der Ölplattform Brent Spar, um gegen deren Versenkung zu protestieren. Der Ölkonzern Shell wollte den ausrangierten, 15.000 Tonnen schweren Stahlkoloss mitsamt 130 Tonnen Ölschlämmen, Schwermetallen und radioaktiven Materialien im Meer versenken - ein Präzedenzfall. Nach einer mehrwöchigen Kampagne, die gestützt wurde von Kirchen, Parteien, Umweltschützern und vor allem Verbrauchern, lenkte Shell ein und sagte eine Entsorgung an Land zu.
Seit 1998 gilt ein generelles Versenkungsverbot für ausgediente Ölplattformen im Nordost-Atlantik - auch dies ein Erfolg der Auseinandersetzung um die Brent Spar. Jedoch ist der Betrieb von etwa 500 Plattformen in der Nordsee noch immer eine Belastung für das Ökosystem. Jährlich fließen rund 14.000 Tonnen Öl in die Nordsee - das entspricht einem Tankerunfall pro Jahr.
Wir dürfen uns von dem großen Erfolg der Brent-Spar-Kampagne nicht blenden lassen
, sagt Greenpeace-Ölexperte Christian Bussau. Die alltägliche Verschmutzung durch die Ölförderung im Meer und die Ausbeutung weiterer unberührter Gebiete zeigt, dass die Ölindustrie auch nach Brent Spar nicht verstanden hat, wie sehr sie sich ändern muss.
Greenpeace fordert großflächige Schutzgebiete, in denen die Ölförderung untersagt ist, damit das Meer sich erholen kann.
Das Versenkungsverbot für Plattformen war ein großer Schritt zum Schutz der Meere. Die damals von der Ölindustrie vorgebrachten Bedenken zählen nicht mehr: Heute kann die Entsorgungsindustrie selbst schwere Konstruktionen an Land verschrotten. Demnächst wird die schwere BP-Plattform North-West-Hutton mit einem Gewicht von 37.000 Tonnen abgewrackt. Der eigentliche Boom beginnt 2010, wenn jährlich 20 Plattformen an Land gezogen werden.
Die alltägliche Verschmutzung der Nordsee hat dagegen zugenommen. 2002 leiteten die Plattformen nach Angaben der zuständigen Ospar-Kommission täglich 1,3 Millionen Kubikmeter ölhaltiges Produktionswasser ein. Unsere aktuellen Luftbilder zeigen riesige Ölteppiche, die von den Plattformen ausgehen
, erklärt Bussau.
Nun will die Ölindustrie noch in neue, unberührte Gebiete vordringen. Inzwischen gerät die ökologisch wertvolle Inselregion der Lofoten vor Norwegen ins Visier. Bedroht sind Seeadler, Kormorane und Papageientaucher, die auf den Fischreichtum angewiesen sind.
Die Brent Spar-Kampagne gilt als ein Höhepunkt der internationalen Umweltbewegung. Getrübt wurde die Kampagne von einem Messfehler: Kurz vor ihrem Ende gab Greenpeace eine falsche Schätzung über die restliche Ölmenge auf der Brent Spar heraus. Der gelegentliche Vorwurf, die Kampagne hätte von Anfang an auf falschen Zahlen basiert, stimmt aber nicht. Greenpeace hatte bis dahin mit korrekten Zahlen aus Shell-Dokumenten gearbeitet.