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Dorsch im Stellnetz
Axel Heimken / Greenpeace

Fischerei: EU veröffentlicht Fangquoten für die Ostsee

Die EU beschließt, die Fischerei auf Dorsch in der Ostsee einzustellen. Die Bestände sind durch jahrzehntelange Überfischung zusammengebrochen.

„Jetzt tritt ein, wovor wir seit Jahren warnen”, sagt Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace. „Die Überfischung der vergangenen Jahrzehnte lässt nicht nur viele Bestände kollabieren, sondern die Fischerei gleich mit.” In der Tat haben die EU-Agrarminister:innen heute beschlossen, die Fischerei auf den Dorsch in der westlichen Ostsee einzustellen. Lediglich für Dorschbeifänge in der Schollenfischerei gibt es eine geringe Quote. Durch die viel zu hohen Fangquoten der vergangenen Jahre hat der EU-Fischereirat allerdings den Kollaps der Bestände selbst herbeigeführt.

„Bitter ist die Entwicklung auch für die kleine Küstenfischerei”

Die kommerziell genutzten Fischbestände in der Ostsee sind durch jahrzehntelange Überfischung und infolge der Klimakrise so stark geschrumpft, dass sie sich derzeit nicht mehr erholen können. Dies gilt insbesondere für Hering und Dorsch, Fischarten die die Grundlage der deutschen Ostseefischerei darstellen. Wissenschaftler:innen warnen sogar davor, dass für Dorsch der Kipppunkt, ab dem keine Erholung mehr möglich ist, bereits überschritten sei.

„Die Ostseefischerei stürzt sehenden Auges in den Abgrund”, sagt Maack. „Dies alles passiert trotz der Kassandrarufe aus Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen. Besonders bitter ist die Entwicklung für die kleine, handwerkliche Küstenfischerei und Angler:innen. Beide haben wenig zu der Entwicklung beigetragen, bekommen aber nun die volle Härte ab. Die Folgen der Klimakrise verschärfen das Problem. Nur mit einem Fischereilockdown, der auch für die Angelfischerei gelten muss, und konsequenten Schutzgebieten kann das Sterben der Ostsee noch aufgehalten werden.”

Wie können sich die Dorschbestände wieder erholen?

Gerade dem Dorschbestand in der westlichen Ostsee fehlt es an starken Nachwuchsjahrgängen: So dürfen derzeit Jungfische bereits ab einer Größe von 38 cm gefangen und vermarktet werden – ohne sich auch nur ein einziges Mal vermehrt zu haben. Die letzte Chance für den Ostseedorsch bietet der Schutz der größeren Dorsche, die ungestört laichen müssen. Doch genau auf diesen Teil des Bestandes, circa 70 cm große Tiere, hat es die Fischerei hauptsächlich abgesehen.

Wenn Dorsche jedoch in Ruhe wachsen können, erreichen sie spielend eine Größe von über einem Meter. Tiere dieser Größe legen bis zu 20 Millionen Eier, die zu großen Dorschen heranwachsen – wenn sie denn gelassen werden. So erholt sich der Bestand. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Nachkommen dieser großen Dorsche gegenüber dem Nachwuchs kleinerer Tiere eine deutlich höhere Überlebenschance haben. Und wo könnten Fischbestände besser heranwachsen als in Gebieten, die von der Fischerei ausgenommen sind? Innerhalb solcher Schutzgebiete werden die Fische sogar in wenigen Jahren so zahlreich, dass sie auswandern und außerhalb der Fischerei auch anderen Meerestieren als nötige Nahrungsquelle wieder zur Verfügung stehen.

Dies alles ist kein Geheimwissen und auch Fischereiinstitutionen wie etwa dem Thünen-Institut in Rostock seit Jahren bekannt, es wurde jedoch von den Agrarminister:innen geflissentlich ignoriert. Zu stark ist die Lobbyarbeit der Fischereiindustrie, die auf kurzfristige Profite setzt – auf Kosten kommender Generationen. Doch nur mit effektiven Schutzgebieten kann ein weiteres Überleben der Fischbestände in der Ostsee ermöglicht werden. Seit Jahren setzt Greenpeace sich für echte Schutzgebiete ohne Fischerei in der Ostsee ein. Dort gibt es zwar seit 2008 Schutzgebiete, aber die sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Im Sommer 2020 haben Greenpeace-Aktive Steine in den Schutzgebieten Adlergrund und Fehmarnbelt versenkt, um die dortigen Steinriffe effektiv vor der Grundschleppnetzfischerei zu schützen.

Stellungnahme

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