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Nahnaufnahme von einer Olivenfliege
Joaquim Alves Gaspar / Wikipedia

Biotechnologie-Firma will gentechnisch veränderte Fliegen in die Umwelt entlassen

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In Europa sollen zum ersten Mal gentechnisch veränderte Insekten in der freien Natur gestestet werden. Die britische Biotechnologie-Firma Oxitec will noch in diesem Monat genmanipulierte Olivenfliegen im spanischen Katalonien freisetzen.

Die Fruchtfliegenart legt ihre Eier in reifenden Oliven ab. Wenn ihre Larven dann schlüpfen, zerfressen sie die Frucht und sorgen so für enorme Gewinneinbußen im Olivenanbau zahlreicher Mittelmeerländer. Derzeit bekämpft man die Schädlinge mit Pestiziden oder mit nachhaltigen Methoden wie Pheromonfallen.

Oxitec hat nun in einer Testreihe männliche Olivenfliegen genetisch so manipuliert, dass nur ihre männlichen Nachkommen überleben, während die weiblichen sterben. In der Nähe der katalonischen Stadt Tarragona sollen in einer einjährigen Feldstudie wöchentlich 5000 solcher Insekten freigelassen werden. Ziel des Experimentes ist es, die Zahl der Fliegen langfristig zu verringern.

Gentechnik gefährdet Spaniens Olivenindustrie

Das würde aber nicht nur der Biodiversität und dem ökologischen Gleichgewicht in dem Gebiet schaden. Auch die Olivenindustrie, der eigentlich geholfen werden soll, könnte darunter leiden: So würden die weiblichen Olivenfliegen-Larven nicht mehr schlüpfen, sondern stattdessen in äußerlich unversehrt wirkenden Früchten verwesen. Damit wären die Oliven unverkäuflich.

Zudem ist Spaniens Rolle als weltweiter Hauptexporteur von organischem Olivenöl in Gefahr. Eine versehentliche Verbreitung der genetisch manipulierten Fliegen auf Bio-Plantagen würde für den Verlust der Bio-Zertifizierungen ausreichen.

Ausbreitung der Oxitec-Fliegen unkontrollierbar

Damit die genmanipulierten Insekten sich nicht ausbreiten können, sollen Netze um das 1000 Quadratmeter große Testgebiet aufgespannt werden. Aber: „Keine Art der Abschirmung ist in der freien Natur zu 100 Prozent sicher“, erklärt Stephanie Töwe, Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. Wenn die Tiere entkommen, sind sie nicht rückholbar. Dann kann niemand den Versuch beenden. „Diese Fliegen in die freie Umwelt zu entlassen, könnte Europa also in ein Open-Air-Testlabor verwandeln“, so Töwe. „Die Folgen wären unabsehbar.“ 

Da die Olivenfliege eine invasive Art ist, würde sich diese ungeplante Verbreitung höchstwahrscheinlich rasch auf die Nachbarländer Spaniens ausweiten. „Das Experiment könnte die Biolandwirtschaft und die Olivenproduktion in der gesamten Mittelmeerregion gefährden”, erklärt Christoph Then, Veterinärmediziner und Leiter des unabhängigen Instituts für Folgenabschätzung in der Biotechnologie Testbiotech. „Wir gehen deshalb davon aus, dass es dabei eher um die Interessen von Oxitec und seinen Investoren geht, den Gewinn an der patentierten Technik zu maximieren.“

Genehmigung für Experiment noch offen

Schon 2013 wollte Oxitec das Feldexperiment in Katalonien starten, zog aber einen entsprechenden Antrag nach zahlreichen öffentlichen Protesten, an denen auch Greenpeace beteiligt war, zurück. Im März 2015 beantragte das Unternehmen erneut die Genehmigung bei den spanischen Behörden. Die Anfrage wurde erst in der vergangenen Woche öffentlich bekannt; eine Entscheidung steht bislang aus. Der Start des Versuchs ist laut Antrag für Juli 2015 geplant.

„Der ökologische Landbau, der auf Vielfalt setzt, bietet geeignete und für Mensch und Umwelt risikolose Methoden der Schädlingsbekämpfung an“, sagt Töwe. „Die Gen-Fliege ist absolut überflüssig.“  Greenpeace fordert, dass Oxitec den Freisetzungsantrag zurückzieht und die spanischen Behörden den Versuch sofort untersagen.

Update: Am 6. August 2015 verboten die zuständigen spanischen Behörden Oxitec das Gen-Fliegen-Experiment.

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