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Weizen
© Ulrich Baatz / Greenpeace

Staatsanwaltschaft ersetzt Argumente

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Die Staatsanwaltschaft Dessau/Sachsen-Anhalt ermittelt gegen Greenpeace-Aktivisten wegen des Aussäens von Bio-Weizen. Mit der Aussaat demonstrierten die Aktivisten gegen die beantragte experimentelle Freisetzung mit Gen-Weizen des Gentechnik-Konzerns Syngenta. Das ist nun schon der zweite Fall, wo unser Protest gegen Gentechnik und Gen-Futter nicht mit Sachargumenten beantwortet wird. Grund genug mit Henning Strodthoff, Gentechnikexperte bei Greenpeace, zu sprechen.

Greenpeace online: Worum geht es bei dem jüngsten Fall?

Strodthoff: In Dessau ist die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen beschäftigt, die sich gegen Greenpeace-Aktivisten richten. Sie hatten am 29. März 2004 Bio-Weizen auf zwei Flächen ausgebracht. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob es sich dabei um Verstöße gegen das Versammlungsrecht handelt und ob dort eine Sachbeschädigung erfolgte oder sogar Hausfriedensbruch vorliegt. Nach meinen Kenntnissen hat der Gentechnik-Konzern Syngenta Strafanzeige gegen die Aktivisten gestellt.

Greenpeace online: Führen solche staatlichen Verfahren zum Abbruch der Greenpeace-Arbeit?

Strodthoff: Nein, es ist in der Vergangenheit schon öfter passiert, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt. Zunächst muss die Staatsanwaltschaft klären, ob die Behauptungen der Firma Syngenta überhaupt zutreffen, das hier eine Straftat vorliegt. Eine konkrete Anklage gegen einzelne Aktivisten, geschweige denn eine Verurteilung einzelner Personen ist das nicht.

Greenpeace online: Was steckt deiner Meinung nach dahinter, wenn nicht auf unsere Sachargumente eingegangen wird, sondern lieber der Weg über die Gerichte eingeschlagen wird?

Strodthoff: Offensichtlich ist, dass einige Beteiligte aus Industrie und Politik versuchen uns mit solchen Verfahren zu diskreditieren. Die Bevölkerung lehnt die Gentechnik klar ab und wir werden quasi als Repräsentant des Protestes gegen die Gentechnik in Lebensmittel wahrgenommen. Letztlich wollen die Gen-Befürworter damit unseren Protest brechen. Das hat aber schon in der Vergangenheit nicht zum Erfolg geführt und wird auch in Zukunft nicht erfolgreich sein.

Greenpeace online: Was stört denn die Landesregierung in Magdeburg?

Strodthoff: Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt ist auf eine Art und Weise auf den vor sich hin tuckernden Gentechnikzug aufgestiegen, wie es eben nur ganz langsam fahrende Züge ermöglichen. Sie glaubt nun, dass wir am Ende dieses Zuges zerren und verhindern, dass der Zug in Fahrt kommt. Das ist natürlich völlig falsch.

Es ist ein Zug, der völlig veraltet ist und niemals in Fahrt kommen wird. Die sachsen-anhaltinische Landesregierung will uns jetzt ganz massiv die Verantwortung für das Scheitern ihrer Politik in die Schuhe schieben. Zudem versucht sie uns in der Öffentlichkeit schlecht zu machen, und setzt sich dafür ein, uns die Gemeinnützigkeit aberkennen zu lassen.

Greenpeace online: Was bezweckt sie damit?

Strodthoff: Die Debatte um unsere Gemeinnützigkeit ist letztlich nur eine Strategie, um vom eigenen Fehlverhalten abzulenken. Die Landesregierung deckt die Geheimniskrämerei um den Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Letztlich ist es aber nur ein Nebelkerze, die geworfen wird.

Greenpeace online: Wird sie damit durchkommen?

Strodthoff: Unserer Meinung nach verstößt die Landesregierung Sachsen-Anhalt gegen EU-Recht. Im neuen Gentechnikgesetz wird aller Voraussicht nach ein ganz anderer Standard für die Transparenz festgeschrieben. Das bestätigt nochmal indirekt unsere Auffassung. Wir hoffen, dass das neue Gentechnikgesetz möglichst schnell in Kraft tritt. Das dürfte dann auch die Landespolitik beeinflussen. Am Freitag kommt das neue Gentechnikgesetz in den Bundesrat.

Greenpeace online: Wie sieht es denn derzeit mit dem Protest gegen die Gentechnik in Lebensmitteln aus?

Strodthoff: Wir haben in den letzten Monaten wichtige Erfolge erzielt. Die Kennzeichnungspflicht ist in Kraft getreten und bislang sind kaum gekennzeichnete Lebensmittel im Supermarktregal zu finden. Die Lebensmittelbranche hat sich entschieden: Gentechnisch veränderte Pflanzen haben in Lebensmitteln nichts zu suchen. Zudem konnten wir das Thema Gentechnik in Futtermitteln in die Diskussion bringen. Wie wichtig das Thema auch den Verbrauchern ist zeigt unser Ratgeber "Gentechnik im Essen", der bereits weit über eine Million Mal verteilt worden ist.

Auch bei der Frage Futtermittel haben viele Unternehmen sich bereit erklärt, ihre Geschäftspolitik zu überdenken oder haben das bereits getan. Deshalb sind sie bei uns im Einkaufsratgeber jetzt auch grün für Futtermittel gelistet oder gelb, wenn sie noch an der Umstellung arbeiten .

Wir wollen, dass die Versorgung mit Soja auch ganzjährig gentechnikfrei für alle Beteiligten sichergestellt wird. Nicht nur für die Industrie, die dann beispielsweise Sojaöl verarbeitet, sondern auch für Landwirte, die Sojaschrot als Futtermittel einsetzen.

Wir werden nicht locker lassen, um deutlich zu machen, dass sich Europa klar für die gentechnikfreie Produktion entschieden hat. Diesen Standard werden wir weiter verteidigen.

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