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Sven Teske 2014
Douglas Reyes-Ceron / Greenpeace

Feuer in Australien: Interview mit Dr. Sven Teske von der Technischen Universität in Sydney

Update vom 27. Januar 2020

„Das, was bei uns der August ist, ist in Australien der Februar“, sagt Christoph Thies von Greenpeace. Der australische Hochsommer kommt also noch – und mit ihm in der Regel Hitze und Trockenheit. Dabei hat das Feuer in den vergangenen Monaten bereits auf dem Kontinent gewütet: Eine Fläche halb so groß wie Deutschland ist laut Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verbrannt. Fast 3000 Häuser sind zerstört, 32 Menschen kamen ums Leben, Rauch belastet die Gesundheit der Bevölkerung, unzählige Tiere wurden getötet. Wann diese Feuersaison vorbei ist, ist noch nicht absehbar. „Diese Brände sind beispiellos“, sagt Thies. „Mir ist nicht bekannt, dass jemals so große Waldflächen in Flammen standen.“

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Weiter zum Interview mit Sven Teske:

Rauch vernebelte die Straßen von Sydney; seit Oktober wüten die Feuer – viel schlimmer als sonst üblich: In Australien brennen Millionen Hektar Wald und Busch. Dr. Sven Teske lebt seit einigen Jahren in Sydney, ist Forschungsdirektor am Institut für nachhaltige Zukunft der Technischen Universität. Bevor er nach Australien zog, hat er viele Jahre als Energieexperte für Greenpeace gearbeitet. Im Interview berichtet er von der Katastrophe, die seine Wahlheimat gerade erlebt.

Greenpeace: Du wohnst in Sydney. Wie erlebst du die verheerenden Brände?

Dr. Sven Teske: Ende November war Sydney umringt von Buschbränden. Einige Kollegen mussten Ihre Häuser verlassen und bei Freunden unterkommen. Der Rauch lag über der Stadt. Auch Anfang Januar 2020 haben wir noch schlechte Luftbedingungen. Sydney hat normalerweise sehr gute Luft, während der Buschfeuer war es so schlimm wie in China oder Indien, die seit vielen Jahren unter extremer Luftverschmutzung leiden.

Es gab überall nur ein Thema: Buschfeuer. Die Hilfsbereitschaft und der Rückhalt in der Bevölkerung für die Feuerwehr sind riesig.

Waldbrände gab es schon immer in Australien. Was ist diesmal anders?

Buschbrände gab es tatsächlich schon immer. Nur bei weitem nicht so viele und so große Flächen. Die Buschfeuersaison beginnt jetzt zwei bis drei Monate früher und dauert auch länger. Wir haben seit Jahren immer weniger Niederschlag und die Temperaturen steigen immer höher. Der Busch ist knochentrocken. Trockengewitter – also Gewitter, bei denen der Niederschlag aufgrund der extrem trockenen Luft verdunstet – nehmen zu und entzünden Brände durch Blitzeinschläge.

Außergewöhnlich ist auch, dass es in den subtropischen Gebieten von Queensland gebrannt hat – diese Wälder waren nie gefährdet durch Buschfeuer. Craig Fitzsimmons, Brandschutzexperte und Leiter der Feuerwehren von New South Wales, betont immer wieder, dass diese Feuer nicht „normal“ sind. Die Fachleute sind sich einig: Verstärkte Buschbrände sind eine Folge des Klimawandels.

Australiens Premierminister Scott Morrison, glühender Verfechter der Kohleindustrie, bestreitet jedoch einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Wie sieht das die Bevölkerung?

Das Problembewusstsein für den Klimawandel ist in Australien sehr hoch – und das seit vielen Jahren. Wir müssen hier einfach nur vor die Tür gehen, um den Klimawandel zu spüren. Leider ist das bisher nicht in politisches Handeln umgeschlagen. Die Gründe dafür sind vielfältig; einer davon ist die hohe wirtschaftliche Abhängigkeit von Kohle- und Gasexporten.

Wie auch in Deutschland, wo einige Stromversorger und Lobbyverbände erfolgreich den Kohleausstieg verzögern, die Energiewende sabotieren und die Einführung von Elektroautos verzögern, hat auch Australien starke wirtschaftliche Interessensgruppen, die Klimaschutzmaßnahmen abbremsen wollen. In der Bevölkerung ist der Rückhalt für Klimaschutz und Erneuerbare Energien aber sehr hoch. Wissenschaftler haben bereits im Jahr 2009 im vom Weltklimarat veröffentlichten IPCC-Bericht vor verstärkter Buschfeuer-Gefahr gewarnt. Die Feuerwehrleute bestätigen den Zusammenhang zwischen extremer Trockenheit und Buschfeuern ebenfalls fast täglich in ihren Interviews.

Wetterextreme wie Hitze und Dürre werden durch den Klimawandel zunehmen. Was muss Australien tun, um solche katastrophalen Brände zu verhindern?

Australien diskutiert seit vielen Jahren den Umstieg auf Erneuerbare Energien. Es gibt auch schon Erfolge: Fast 30 Prozent aller Haushalte haben eine Solarstromanlage auf dem Dach. Im Bundesstaat South Australia liegt der jährliche Erzeugungsanteil von Windstrom bereits bei über 30 Prozent. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren die Erneuerbaren Energien weiter ausbauen. Die Diskussion um Kohle ist in Australien vor allem auf den Export fokussiert. Wie Deutschland uneffiziente SUVs in alle Welt exportiert, so exportiert Australien Kohle und Gas.

Der Bedarf kommt fast ausschließlich aus Asien. Man kann den Australischen Export von Kohle und Gas nicht ohne die Energiepolitik in China und Indien diskutieren – das sind die Hauptabnehmer. Ob man Brände verhindern kann und wie ist leider nicht meine Expertise – daher kann ich dazu nichts sagen.

Du entwickelst weltweite Szenarien für die Energiewende. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Lässt sich dieses Ziel überhaupt noch erreichen?

Die Erderwärmung kann deutlich unter zwei Grad bleiben, wenn wir sofort anfangen zu handeln. Das haben wir in unserem kürzlich veröffentlichten Forschungsprojekt “Achieving the Paris Climate Agreement Goals” gezeigt. Wichtig dabei ist, dass wir gleichzeitig Maßnahmen umsetzen: den Anteil der Erneuerbare Energien stark erhöhen, die Energieeffizienz verbessern, Autos mit Verbrennungsmotoren durch elektrische Mobilität ersetzen und die Abholzung von Wäldern stoppen. Die Wiederaufforstung der Walder muss ebenfalls sofort beginnen. Das alles muss parallel laufen. Sofort. Wir haben keine Zeit mehr für Zeitverschwendung.

>>> Fordern Sie die australische Regierung auf, die CO2-Emissionen drastisch zu senken.

  • zwei Personen versuchen ein loderndes Feuer in Australien zu löschen

    Menschen verlieren durch Feuer ihr Zuhause.

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  • Kängurus im Schein der Buschbrände

    Flucht vor dem Feuer

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