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Fridays for future-Demo in Berlin, in der Mitte Greta Thunberg
Kevin McElvaney / Greenpeace

Vor der EU-Wahl: Desinformation und Hasskommentare in der Klimadebatte

In sozialen Netzwerken nehmen Verunglimpfungen von Klimaaktivisten zu. Auch mit der Leugnung des Klimawandels setzen Rechtspopulisten auf Klicks – erst recht vor der Europawahl.

Die Rechtspopulisten haben den Klimawandel entdeckt. Zu merken ist das vor allem in sozialen Netzwerken. Unter den Hashtags #GretaNervt und #KlimaKirche wird getwittert, was das Zeug hält. Nicht Fakten, sondern Beleidigungen und Desinformation bestimmen den Inhalt. Je heftiger der Ton – insbesondere gegen die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg – desto mehr Likes gibt es. Die „Neue Rechte“ ist im Netz gut organisiert – hyperaktive Nutzer und Troll-Armeen sind unterwegs, um für die Verbreitung zu sorgen.

In einer Analyse von über 1,6 Millionen rechtsextremen Beiträgen stellte das Londoner Institute For Strategic Dialogue (ISD) für den Zeitraum Februar 2017 bis Februar 2018 fest, dass koordinierte Hasskampagnen im deutschsprachigen Raum zugenommen haben: Kommentare kamen immer wieder von den gleichen Profilen; so stammte etwa die Hälfte der Likes bei Hasskommentaren von einer kleinen, aber lautstarken Minderheit – nämlich fünf Prozent der Accounts.

Aktuell drehen sich die Beiträge verstärkt um den Klimawandel – laut einer neuen Untersuchung des ISD zur Situation in Deutschland hat etwa die AfD ihre Beiträge dazu verdreifacht. Hierzulande richten sich diffamierende Äußerungen gerne gegen die Jugendbewegung „Fridays For Future“ – speziell gegen deren Wortführerin Greta Thunberg. Junge engagierte Menschen, die konsequenten Klimaschutz für ihr Recht auf Zukunft weltweit einfordern, passen offensichtlich nicht ins Konzept von rechten Populisten, die auf Ausgrenzung und Verleugnung setzen.

„Die Rechtspopulisten suchen keine Beteiligung an der Klimadebatte“, sagt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Klima. „Sie wollen nicht diskutieren, sie wollen Wut und Hass in den Sozialen Medien schüren.“ Es gehe in vielen Posts einzig und allein darum, Menschen persönlich anzugreifen. So ist die erst sechzehnjährige Greta Thunberg in sozialen Netzwerken widerlichen Unterstellungen und Verunglimpfungen durch Rechtspopulisten ausgesetzt.

Schulterschluss mit Klimaleugnern

Die Recherchen von Greenpeace England zeigen am Beispiel der AfD auch die engen Verbindungen zwischen Rechtspopulisten und sogenannten Klimaskeptikern, die seit vielen Jahren als Wissenschaft getarnte Propaganda gegen Klimaschutzpolitik betreiben.

So schrieb Michael Limburg, Vizepräsident des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE), am Klimakapitel des AfD-Programms mit. EIKE ist allerdings kein wissenschaftliches Institut, sondern ein Verein von Leugnern des Klimawandels. Sie veranstalten alternative Klimakongresse zusammen mit rechtskonservativen, von der fossilen Energielobby finanzierten Denkfabriken aus den USA wie CFACT und Heartland, in denen sie den Klimaleugnern ein Forum bieten.

Am 14. Mai etwa führte die AfD in Zusammenarbeit mit den Klimaleugnern von EIKE ein „alternatives Klimasymposium“ im deutschen Bundestag durch. „Die AfD nutzt den deutschen Bundestag als Bühne für ihre Verbreitung von Klima-Desinformation“, so Smid. „Sie laden Fake-Experten zu sogenannten Fachsymposien über Klimawandel, generieren Inhalte mit wissenschaftlicher Scheinseriosität und verbreiten sie anschließend massenhaft über den von ihnen dominierten Social-Media-Kanälen.“ 

Die Onlineplattform Klimafakten.de hat die Positionen überprüft: Fast keine der Aussagen ist mit dem Stand der Forschung zu Klima und Klimawandel vereinbar. Stattdessen finden sich in erheblicher Zahl falsche Aussagen, die kontinuierlich in irreführende Zusammenhänge gepackt in den sozialen Netzwerken gespielt werden – wo sie, anders als bei Nachrichtenportalen, ungefiltert verbreitet werden können. Und je näher die Europawahlen rücken, desto rüder wird der Ton.

EU: Rechte Parteien stimmen gegen Klimaschutz

Bereits heute sitzen Rechtspopulisten in sieben nationalen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten. Nach einer aktuellen Untersuchung der Berliner Denkfabrik Adelphi kommt im Europäischen Parlament die Hälfte aller Gegenstimmen bei Resolutionen zu Klima und Energie aus dem rechtspopulistischen Parteienspektrum. Rechtspopulisten wie die deutsche AfD, die französische Nationale Sammlungsbewegung, die italienische Lega, die britische UKIP und die niederländische PVV stellen sich konsequent gegen Klimapolitik. 

Sieben von 21 rechtspopulistischen Parteien leugnen den Klimawandel, seine menschengemachten Ursachen oder negativen Folgen. Bei der Europawahl 2019 werden laut Eurobarometer rechte und euroskeptische Parteien deutlich Sitze gewinnen.

Dieser Artikel basiert auf Recherchen unserer englischen Kollegen von „Unearthed“ in Zusammenarbeit mit dem Londoner Institute for Strategic Dialogue (ISD) in London.

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